zur Einstimmung auf die kommende Saison möchte ich hier einige Beispiele aus den letzten Jahren zur Positionsrekonstruktion zeigen. Die Motitvation dafür ist, zu klären, was wir anhand unserer Fotos über das Verbreitungsgebiet der NLC aussagen können. Was mit Positionsrekonstruktion gemeint ist, findet sich z.B. hier: http://www.meteoros.de/php/viewtopic.ph ... highlight=
Inzwischen bin ich einige tatsächliche Fälle durchgegangen, um zu sehen, was die Methode leisten kann, und wo die Schwierigkeiten liegen.
Kurz zusammengefasst geht es darum, die Fotos unter der Annahme einer konstanten Höhe der NLC um 82 km auf eine Landkarte zu projizieren, um den Aufenthaltsort zu ermitteln. Wenn mann mindestens zwei Sterne auf dem Bild identifizieren kann (und Aufnahmeort und -zeit bekannt sind), lassen sich die Kameraausrichtung in drei Achsen (Höhe und Azimut des Bildzentrums sowie Drehung der Kamera um die optische Achse) und die Brennweite rekonstruieren - zumindest wenn die Verzeichnung des Objektivs vernachlässigbar ist.
Der Horizont gibt dabei vor, wie weit man die "NLC-Sphäre" in rund 82 km Höhe einsehen kann. Zum anderen werfen die Erde und die tiefe Atmosphäre einen Schatten auf die NLC, so dass nicht alle Leuchtenden Nachtwolken im Sichtfeld des Beobachters auch wirklich zu sehen sind. Im einfachsten Fall kann man annehmen, dass die Atmosphäre unterhalb einer Grenzhöhe von 10-30 km völlig undurchsichtig ist, und darüber vollständig transparent. Dann gibt es eine harte Schattengrenze in Höhe der NLC, deren Lage nur von Datum, Uhrzeit und eben der Grenzhöhe (nicht jedoch von der Beobachterposition) abhängt. Allerdings wird die Schattengrenze von verschiedenen Beobachtern perspektivisch unterschiedlich wahrgenommen. Sie bildet die "Oberkante" der NLC (wenn sie denn aus Sicht des Beobachters "hoch" genug reichen), bzw. die Grenze des Dämmerungssegments. Praktisch ist der Übergang der Transparenz der Atmosphäre natürlich kontinuierlich, so dass die tatsächlich sichtbare, unscharfe Obergrenze der NLC noch von vielen anderen Faktoren abhängt. Wie schon vor einigen Wochen mal andiskutiert, findet man hier eine Projektion des Erdschattens vor, wie sie sonst bei einer Mondfinsternis auf der Mondoberfläche erfolgt (der Erdschatten bei Sonnenuntergang ist komplizierter, weil der "Projektionsschirm" dreidimensional ist und wir quasi "mittendrin" stehen).
Natürlich kann man auch gleich ganze Bilderstapel rekonstruieren und Zeitraffersequenzen erstellen, wie hier am Beispiel einer Bildserie von Eik Beier aus Dresden vom 09.07.2010 (22.51-23.01 MESZ):
Original: http://dl.dropbox.com/u/8849406/Forum/A ... n_Divx.avi
Positionsrekonstruiert: http://dl.dropbox.com/u/8849406/Forum/A ... 3D20km.avi
In der Rekonstruktion wurde die Schattengrenze für eine Grenzhöhe von 20 km als rote Linie mit eingetragen. Man erkennt recht gut, wie die NLC nach Südosten ziehen, wohingegen sich die Schattengrenze nach Nordwest bewegt.
Fazit: Man muss die Veränderung der Beleuchtungsverhältnisse klar von der physischen Wolkenzugrichtung trennen.
Ein wichtiger Test für die Methode ist, ob gleichzeitge Fotos von zwei Beobachtungsorten konsistente Ergebnisse liefern. Als Beispiel hier zwei Gegenüberstellungen:

links: Eik Beier, Dresden; rechts: Andreas Zeiske, bei Berlin (09.07.2011, 23.33 MESZ)

links: Eik Beier, Dresden; rechts: OlafS, Rostock (09.07.2011, 23.36 MESZ)
Trotz der unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnisse und Bildausschnitte ist die Übereinstimmung der NLC-Strukturen überzeugend. Damit läßt sich die Annahme einer konstanten Höhe der NLC bei 82 km bestätigen. Wenn man die Höhe noch genauer über einen perfekten Angleich der Strukturen ermitteln will, müssen aber auch Synchronisationsabweichungen und Objektivverzeichnung berücksichtigt werden. Die rote Linie zeigt wiederum die Schattengrenze (hier für eine Grenzhöhe von 15 km).
Man erkennt an den verschiedenen Werten für die Grenzhöhe der als undurchsichtig angenommenen Atmosphärenschichten allerdings bereits die Einschränkungen dieses vereinfachten Modells. Für dieselben Leuchtenden Nachtwolken kann man je nach Qualität der Beobachtungsverhältnisse zu unterschiedlichen Werten kommen, wenn die Grenzhöhe an die NLC-Bilder unabhängig "angefittet" wird. Dazu noch ein Beispiel vom 14.07.2009:

links: Alexander Haußmann, Dresden, 22.48 MESZ; rechts: Claudia Hinz, Brannenburg, 22.46 MESZ
Die eingezeichneten roten Linien entsprechen Grenzhöhen von 13 km (südöstlichere Linie) und 21 km (nordwestlichere Linie). Obwohl der Lichtweg von den NLC über Belgien nach Dresden bzw. Brannenburg etwa gleich lang ist, zeigt Claudias Bild Strukturen, die in Dresden nicht mehr gegen den Hintergund erkennbar waren. Hätte man nur jeweils ein Bild zur Verfügung, käme man auf einen Grenzhöhenwert von ca. 21 km für die Dresdner Sichtung und ca. 13 km für die Brannenburger Variante, obwohl dem einfachen Modell nach die Lage der Schattengrenze unabhängig vom Beobachter sein soll. Die berechneten Schattengrenzen sind also nicht mehr als eine Richtschnur oder Faustregel. Auch sollte man nicht von einem einzelnen NLC-Foto ausgehend präzise Aussgen über eine globale atmosphärische Transparenz machen wollen.
Trotzdem hat die Berechnung der Schattengrenze durchaus einen praktischen Nutzen. Mein Fischaugen-Foto vom 14.07.2009 zeigt auf einem Bild das ganze damals sichtbare NLC-Feld, und die Rekonstruktion ordnet die Strukturen den entsprechenden Positionen auf der Karte zu. Von Nord bis West begrenzt der Horizont in etwa kreisförmig die sichtbaren NLC - wie es dahinter weitergeht, ist völlig offen. Nach Südosten past sich der Verlauf einigermaßen an eine Schattengrenze (für 21 km Grenzhöhe) an, mit einigen Ausreißern der dichteren NLC-Strukturen, die wieder auf den kontinuierlichen Transparenzübergang verweisen. Also kann ich auch auf dieser Seite nicht auf eine Begrenzung des NLC-Feldes schließen. Womöglich ist auf diesem Foto kein wirklicher physischer Rand des Wolkenfeldes abgebildet, höchstens bei den Strukturen über Südschweden, die etwas von der Schattengrenze zurücktreten.
Fazit: Man kann zwar in weite Bereiche der NLC-Verteilung einsehen, und dennoch nur einen Bruchteil des gesamten Wolkenfeldes unbekannter Größe erkennen. Für uns "Bodengebundene" bleibt da eigentlich nur die Möglichkeit, Beobachternetzwerke zu bilden, um mehr über die Grenzen der NLC-Verbreitung zu erfahren.
In diesem Zusammenhang hätte ich noch einige Vorschläge für die kommende Saison: Zum einen wäre es gut, die Synchronisation der Kamerauhr mit der DCF77-Zeit regelmäßig zu überprüfen. Dies ist nicht nur wegen der Eigenbewegung der NLC wichtig, sondern auf für die genaue Ermittelung der Positionen der Referenzsterne in Azimut und Höhe. Zum anderen wäre ein synchronisiertes Fotografieren sehr nützlich, beispielsweise alle "runden" 5 Minuten (zugegeben, in der Euphorie der Beobachtung hab ich mich selbst selten dran gehalten...). Eine Synchronisationsgenauigkeit in der Größenordnung von 10-30s wäre hier anstrebenswert. Über die Verzeichung der Objektive könnte man sich auch Gedanken machen, z.B. ist eine Kalibrierung mit einem Sternfeldfoto bei der "Lieblingsbrennweite" sinnvoll, bzw. die Benutzung einer Festbrennweite. Fischaugenbilder lassen sich auch für die Positionsrekonstruktion verwenden, zusammengefügte Panoramen aber nicht (jedoch deren einzelne Teilbilder).
Auf eine erfolgreiche Saison dann also!
Viele Grüße,
Alex