Wega in der Helldämmerung

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Christoph Gerber
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Wega in der Helldämmerung

Beitrag von Christoph Gerber » 20. Sep 2025, 08:03

Hallo Elmar und alle Interessierte,

nach den Erfolgen bei Jupiter und Sirius mit Tagbeobachtungen wende ich mich nun einmal der Wega zu. Sie kulminiert derzeit in der Dämmerung, und ich versuche, sie möglichst früh aufzufinden. Wenn ich sie mit 12x60 erfasst habe, versuche ich es dann mit bloßem Auge, bis ich sie sicher und konstant erfassen kann. Binnen der letzten 4 Wochen ist mir das mehrmals geglückt. Bisheriges Ergebnis:
Während ich Wega mit dem Fernglas bereits 17 min vor Sonnenuntergang auffinden konnte (kein Problem der Sichtbarkeit, sondern der Lokalisierung – in den kommenden Wochen und Monaten hoffe ich, sie mit dem Fernglas auch am Taghimmel orten zu können), wird sie mit bloßem Auge um den Zeitpunkt des Sonnenunterganges sichtbar (Sonnenhöhe ±0.3°).

Die Bedingungen werden in den kommenden Wochen noch etwas besser, denn am 7.10. steht die Sonne genau 90° von der Wega entfernt (Kulmination: 18:57, Sonnenuntergang bereits 18:47) – bei Sonnenuntergang ist der Himmel im Zenit am dunkelsten und damit ist Wega etwas besser sichtbar. Mein nächstes Ziel ist es, Wega so früh wie möglich in der Helldämmerung (Sonnenhöhe unter 2.0°) mit bloßem Auge zu erfassen - und mit dem Fernglas dann auch am Taghimmel.

Und ein überraschendes Ergebnis: So willkürlich die 0-Marke bei der Magnituden-Helligkeitsskala erscheinen mag (Wega ±0.0, Sirius -1.4 mag), ich kann ihr nun eine gewisse Grundlage hinzufügen: Ein Stern der Helligkit ±0.0 mag wird in Zenitnähe „genau“ bei Sonnenuntergang sichtbar. Die ±0.3° Sonnenhöhe dabei rechtfertigen auch die Verwendung des Begriffs „Helldämmerung“ (den Elmar Schmidt eingeführt hat), da der genaue Zeitpunkt des Sonnenunterganges irrelevant erscheint.

Beobachtungstipp: Am Besten findet man Wega nach Einbruch der Dunkelheit auf und sucht sich dann einen günstigen Beobachtungsplatz, an dem Wega z.B. über einem Dachgiebel steht. In den folgenden Tagen versucht man dann, die Wega immer etwas früher zu finden, bis man sich dem Sonnenuntergang nähert. Dabei ist zu berücksichiten, dass Wega jeden Tag 4 minuten früher an dem Ort steht, an dem er am Vorabend stand. Ein Fernglas als Aufsuchehilfe ist zu empfehlen.
Und: man sollte vor Wolken nicht zurückschrecken. Bei vorbei ziehenden (dünnen) Wolken kann man mit dem Fernglas den Ort des Auftauchens bzw. Verschwindens etwa festmachen und nutzt dann die Wolke als Fokussierungshilfe. Das hilft sehr – so konnte ich die Wega vor kurzem sicher sichten, bevor sie nach mehreren Sekunden wieder verschwand. Ein Kondensstreifen ist natürlich noch viel günstiger! Die Fokussierungsschwierigkeiten scheinen altersbedingt zu sein...

Gruß aus HD,
Christoph

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Christoph Gerber
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Re: Wega in der Helldämmerung

Beitrag von Christoph Gerber » 25. Okt 2025, 10:26

Die Zeit der Beobachtung der Wega in der Helldämmerung neigt sich dem Ende zu. Hier die Ergebnisse meiner Beobachtungen (alle Daten nach Stellarium und für Heidelberg).

1. Ich konnte im Zeitraum vom 19.8. bis zum 15.10. insgesamt 13 Beobachtungen durchführen. Sie erstreckten sich jeweils von vor Sonnenuntergang bis zum Erscheinen des Sternes am Abendhimmel. Letzteres ist dadurch definiert, dass Wega dann ansatzlos am Himmel mit bloßem Auge erfasst werden kann. Die lange Zeitspanne für die Beobachtung hat damit zu tun, dass die vorrückende Transitzeit der Wega mit dem sich rasch verfrühenden Sonnenuntergang zur Zeit der Tag- und Nacht-Gleiche einhergeht (22:09/20:34 MESZ bzw. 18:25/18:35 MESZ). Der Wega-Transit zur Zeit des Sonnenunterganges erfolgte am 10.10. um 18:45 MESZ, ihre Kulminationshöhe beträgt 79.4°, also knapp 10° vom Zenit entfernt. Bei der ersten Beobachtung am 19.8. betrug die Zenitdistanz 20° (+69.9°); der Extinktionsunterschied zum Transit beträgt lediglich +0.01 mag, ist also vollkommen vernachlässigbar. Beobachtungen zur Zeit des Wega-Transits am Taghimmel sollen noch folgen, sofern die Witterung Beobachtungen erlaubt. Die Beobachtung vom 15.10. dürfte für die Helldämmerung kaum noch zu toppen sein.

2. Das Erscheinen der Wega am Abendhimmel erfolgt bereits unmittelbar nach Sonnenuntergang. Die Sonnendepression betrug dabei zwischen 0.0° und -0.9°, je nach den Umständen; mit Hilfe von Wolken war dies sogar bei +0.3° möglich, also unmittelbar vor Sonnenuntergang.

3. Sichere Sichtungen waren natürlich schon vorher möglich: zwischen +0.3° und -0.5° Sonnenhöhe. Am 15.10. konnte ich Wega genau zur Zeit des Transits bereits bei Sonnenhöhen von +1.0° sicher erfassen. Sichere Sichtungen bedeuten aber nicht, dass Wega dann kontinuierlich zu beobachten wäre! Das Überraschende bei den Beobachtungsserien war, dass es immer wieder vorkam, dass nach einer sicheren Sichtung der Stern durchaus minutenlang wieder verschwand, um dann abermals sicher wiedergefunden zu werden.

4. Das Erhaschen des Sternes erfolgte durchwegs noch vor/bis Sonnenuntergang (Sonnenhöhen bis 0.0°). Dabei ist der Stern dann meistens für einen Augenblick sichtbar, ehe er wieder aus dem Blick verschwindet. Das früheste Erhaschen erfolgte bei etwa +1.0° Sonnenhöhe; am 15.10. erfolgte dies sogar bei Sonnenhöhen von +1.7° und +1.3°. Vom Erhaschen trenne ich die Sakkade (richtig wohl Mikrosakkade), bei der während der Augenbewegung für einen Sekundenbruchteil der Stern „aufblitzt“ und gleich wieder weg ist. Insgesamt habe ich drei Sakkaden-Sichtungen vermerkt (bei Sonnenhöhen von +1.0°, +0.2° und +0.0°). Den Ersten Blick habe ich bei Wega bisher ein Mal vermerkt (bei +0.8°). Dieses Phänomen kenne ich u.a. von Sirius- und Jupiterbeobachtungen. Beim allerersten Blick erscheint der Stern klar und deutlich, um dann aber gleich wieder zu verschwinden. Bei diesen Beobachtungen dürfte das Auge zunächst völlig entspannt gewesen sein, und in dem Moment, in dem das Auge „gezwungen“ wird, den Stern zu fixieren, scheitert die weitere Sichtung.

5. Fazit: Wega (Helligkeit 0.00 mag, Farbindex ebenfalls +0.00) wird im Zenit (bzw. Zenitnähe) genau zum Zeitpunkt des Sonnenunterganges mit bloßem Auge sichtbar. Dafür bedarf es entsprechender Vorbereitungen und viel Geduld. Ein völlig unerwartetes Ergebnis ist –für mich zumindest–, dass der Null-Punkt der Magnituden-Skala damit durchaus einen ganz „realen“ Fixpunkt besitzt. Und da die Sichtbarkeit der Wega mal kurz vor, mal kurz nach dem Zeitpunkt des Sonnenunterganges erfolgt, spricht dies für die Sinnhaftigkeit des Begriffes der Helldämmerung (s. vorigen Eintrag), zumal (zumindest bisher) keine erfolgreiche Sichtung bei einem Sonnenstand von über +2.0° vorliegt, was einer Tagsichtung entspräche.

Gruß aus HD,
Christoph

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Re: Wega in der Helldämmerung

Beitrag von Elmar Schmidt » 26. Okt 2025, 09:18

Lieber Christoph,

wie schon persönlich mitgeteilt, konnte ich anhand Deiner ausführlichen Sichtungsliste und meiner Dämmerungsphotometrie das S/N für Vega mit 1 : 3 (bei Sonnenhöhe +1 Grad), 1 : 2 (bei SU) und 1 : 1 (bei Sonnenhöhe -1 Grad) abschätzen. Das sind Werte, wie sie Jupiter typischerweise am Taghimmel erreicht, und die stehen für anspruchsvolle Sichtungen. Bei Vega stelle ich mir schon das Aufsuchen so hoch am Himmel als schwierig vor, wenn man nicht einen Dachtrauf o.ä. dafür nutzen kann.

Tatsächlich hat man Vega einst als den Nullpunkt der Magnitudenskala eingerichtet. Nachmessungen ergaben +0,03 mag. Solche Helligkeitsangaben sind übrigens auf den Weltraum extrapolierte Werte, denen zu der höhenabhängigen (also sozusagen relativen) Extinktion jeweils noch +0,20 mag (absolut) hinzugegeben werden muß. Das macht aber für die S/N-Abschätzungen nicht viel aus (etwa plus 0,4 in den obigen N-Werten), und so konstant sind selbst gemessene Himmelsleuchtdichten jeweils nicht. Arcturus hat übrigens -0,06 mag und könnte Sichtungsversuche bei SU nahe der SSW (21:35 MESZ in Heidelberg) lohnen; dann kulminiert er in knapp 60 Grad Höhe.

Was für mich übrigens noch ungeklärt ist, sind die Grenzhelligkeiten mit Ferngläsern und Teleskopen. Während ja die Himmelshelligkeit konstant bleibt, sollten die Punktobjekte im Verhältnis der Öffnung um mehrere Größenklassen heller erscheinen. Das halte ich für nicht gegeben, man sieht doch tags im Fernglas keine Sterne 3. Größe - oder!? Man könnte ja einmal mit einem GoTo-Teleskop tags den Jupiter einstellen und die Galileischen Monde zu sehen versuchen.

Herzl. Grüße

Elmar


PS: den Begriff "Helldämmerung" zwischen +2 und -2 Grad Sonnenhöhe hatte ich wohl in Anlehnung an den Klassiker "Einführung in die Optik der Atmosphäre" von Gerhard Dietze geprägt. Bei Dietze gilt das erst für Sonnenhöhen 0 bis -2 Grad, während er noch eine "Tagdämmerung" zwischen +10 Grad und 0 Grad vergibt. Er geht dabei von den horizontnahen Dämmerungsfarben aus. Ich richte mich eher nach der Zenithelligkeit. Die ist für 10 Grad Sonnenhöhe bei klarem Himmel fast zehnmal höher als bei SU und mir daher viel zu hoch, als daß ich da schon von einer Dämmerung sprechen wollte.

Apropos: beim Aufzug der Schlechtwetterfront letzten Donnerstag war der Wolkenhimmel um 9:00 MESZ (Sonnenhöhe +9 Grad) mit 25 cd/m^2 dunkler als der blaue Himmel in der Totalität der Sonnenfinsternis in Mexiko mit 40 cd/m^2. Solche Werte liegen bei klarem Himmel erst bei Sonnenhöhe -2 Grad vor. Eine Stunde vorher, als das Licht noch durch die Rollos sickerte, fragte ich mich schon, was da wohl los sei. In dem Zusammenhang sei bloß davor gewarnt, die Sommerzeit durchlaufen zu lassen. Mit der ginge die Sonne in Kiel zur WSW erst um kurz vor 10:00 auf :o

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Christoph Gerber
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Re: Wega in der Helldämmerung

Beitrag von Christoph Gerber » 27. Okt 2025, 14:36

Hallo Elmar,

vielen Dank für deine Infos. Du hast recht: ohne den Dachfirst ginge die Beobachtung gar nicht!

Zu den Fernglassichtungen von Sternen am Tage: Ich kann nicht sagen, ob man Sterne 3. Größe mit dem Ferngals am Taghimmel sehen kann. Vor einigen Monaten bin ich bei ElNath (Beta Tau) gescheitert, als der Mond nahedran war. Ich denke mal, es ist ein Problem der Ortung. Mit dem Fernrohr (10cm Spiegel, 100x Vergrößerung) habe ich damals (in Argentinien) Ganymed neben Jupiter gesehen. Zitat aus meinem Bericht in SuW 3/98, S. 281:
Zur Zeit des Beobachtungsbeginns war Ganymed noch etwa einen halben Planetendurchmesser vom Jupiterrand entfernt.
Nach neun Minuten hatte ich ihn endlich gehabt, und fünf Minuten später war er eindeutig zu erkennen. Das war etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang, also noch am hellen Tag. Siehe da: Ganymed am Tage mit einem 10-cm-Teleskop bei 100facher Vergrößerung. Man muß es nur wagen.
Arktur wäre sicher auch einen Versuch wert. Der Extinktionsunterschied zu Wega (Arktur kulminiert bei +59.6°) beträgt nur 0.2 mag. Ich müsste nur eine günstige Beobachtungsstelle ausfindig machen...

Für die Tagesbeobachtung von Sternen mit dem Fernglas hilft uns vielleicht die Regulusbedeckung am 10. Dezember weiter: Sonnenaufgang um 8:10 MEZ, Bedeckungsbeginn um 8:39 MEZ (bei einer Sonnenhöhe von +3.2°). An dem Tag könnte man gut verfolgen, wie lang der Stern mit BA und mit Fernglas (nach Sonnenaufgang) zu sehen ist – und ob er im Fernglas bis kurz vor der Bedeckung zu verfolgen ist.

Gruß aus HD,
Christoph

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