Totale SoFi - Sonnenuntergangs-Finsternis am 2. Juli in Lobos (südlich von Buenos Aires, Argentinien)
(für diejenigen, die anstelle von Bildern anschauen bereit sind, einen ausführlichen Bericht zu lesen)
Die 40-jährige Feier zum Abitur war Anlass für mich und meinen Bruder, Ende Juni nach Buenos Aires (Argentinien) zu reisen. Die zeitliche Nähe zur Sonnenfinsternis veranlasste uns, diese mit in die Reiseplanung einzubeziehen. Eine Sonnenuntergangs-Finsternis unmittelbar südlich von Buenos Aires konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich habe bereits zwei Totalitäten beobachten können: am 11.8. 1999 und am 29.3.2006 – beide vom selben Beobachtungsort (!) in der Türkei aus, beide etwa in der Mittagszeit bei hohem Sonnenstand. Deshalb wollte ich dieses Mal die Besonderheiten einer Totalität bei Sonnenuntergang „mitnehmen“. Wir suchten uns die Ortschaft Lobos aus, da sie bequem mit dem Bus zu erreichen und auch die Rückkehr in die Hauptstadt zeitlich vertretbar war (Fahrzeit etwa 2 Stunden; herzlichen Dank an meinen Bruder, der diese Fahrt ausfindig gemacht hat).
Über Tage hinweg war die Wetterprognose sehr gut und stabil: Wolkenloser Himmel am 2. Juli. Das änderte sich erst am Abend des 1. Juli: plötzlich sollten Wolken vorhanden sein, 50% über Buenos Aires selbst, und bis 80–90% südlich der Stadt. Auf dem Satellitenbild war zu sehen, dass ein recht schmales Wolkenband von West nach Ost driftete und sich dann auflösen sollte, so dass der Himmel gegen Sonnenuntergang wieder vollkommen aufgeklart sein sollte. Soweit die Prognose. Trotz bedeckten Himmels brachen wir am Mittag des 2. Juli nach Lobos auf. Über dem Nordhorizont war bereits der wolkenlose Streifen sichtbar, der sich im Laufe des Nachmittags nach Süden ausdehnen sollte. Alles in bester Ordnung. In Lobos angelangt, war der Streifen im Norden wieder sichtbar: Zumindest die untergehende Sonnensichel war somit sicher. Aber der wolkenlose Streifen im Norden wurde nicht breiter, im Gegenteil: er zog sich ganz allmählich nach Norden zurück. Ich vermutete, dass diese Wolken Richtung Buenos Aires drifteten, und tatsächlich hatte ich nach der Rückkehr erfahren, dass die Totalität in der argentinischen Hauptstadt aufgrund der Wolkendecke nicht beobachtbar war. Dafür klarte der Himmel von Süden her auf. Aber leider nicht schnell genug: Als der Mondschatten uns „überrollte“, war gerade der Bereich, in dem die Sonne stand, von einem dichten Wolkenstreifen bedeckt. Etwa 10 min vor der Totalität wurde der Himmel deutlich dämmerig, die Finsternis war also weit fortgeschritten und die Totalität im Anmarsch. Dass es tatsächlich schon „fortgeschrittene Dämmerung“ war zeigte sich dann unzweifelhaft, als die Straßenlampen angingen.
Wir hatten also den „Vorteil“, uns auf das Umfeld der Finsternis konzentrieren zu können, ohne von der Finsternis selbst mit der Korona abgelenkt zu sein. Unterhalb der Sonne war nur ein ganz schmaler Streifen wolkenlosen Himmels zu sehen. Den Moment, in dem der Mondschatten ankam (Beginn der Totalität) hatte ich verpasst, da ich gerade auf den Mondschatten über mir blickte. Aber mein Bruder hat den sehr beeindruckenden Moment direkt gesehen: Er beschrieb die Ankunft des Schattens wie das Ausknipsen einer Lampe: von einem Augenblick auf den anderen folgten offenbar die Dämmerungsfarben bis tiefrot und dann die vollkommene Dunkelheit. Die Bilder vermögen diesen Eindruck wiederzugeben (s.u.).
Das Ereignis, das für mich im Vordergrund stand, war der Mondschatten. Da der Himmel zu diesem Zeitpunkt bis über den Zenit nach Norden hin aufgeklart war, konnte ich diesen Teil der Finsternis erwartungsgemäß beobachten. Und das hat alle meine Erwartungen übertroffen. Bei einer Finsternis um die Mittagszeit befindet sich der Mondschatten etwa senkrecht über dem Beobachter. Bei Sonnenuntergang dagegen „liegt“ der Mondschatten etwa horizontal über dem Beobachter und verliert sich auf der Gegenseite im Weltraum. Das war die Situation, auf die ich gespannt war – sie war der Grund, eine Finsternis bei Sonnenuntergang zu erleben. Dieser quer über dem Beobachter liegende Mondschatten war atemberaubend. Insbesondere war auffällig, dass der Rand des Mondschattens zum Osthorizont hin schärfer wurde – eine Folge der zunehmenden Entfernung vom Beobachter. Im Süden blieb ein breiter heller Streifen (das Pendant im Norden war leider durch die Wolkendecke verdeckt), ebenso am Westhorizont rechts und links der Sonne. Das war schon –wie gesagt– eine atemberaubende Erscheinung – für den, der darauf vorbereitet war. Fast alle Beobachter entlang der Strasse waren natürlich enttäuscht, nicht die verfinsterte Sonne gesehen zu haben. Ich glaube, dass kein einziger einen Blick über sich geworfen hat bzw. wusste, was da vor sich ging ...
Diese Schattenerscheinung hatte ich mir mir vorstellen können, und meine Vorstellung hat mich nicht enttäuscht. Sie fiel sogar viel stärker als erwartet aus. Aber auf ein Phänomen war ich nicht vorbereitet, und das kam mir erst in den Sinn, als die Totalität schon längst vorbei war. Von unserem Beobachtungsort lag der Orion praktisch auf dem Horizont (Rigel, die Gürtelsterne senkrecht übereinander genau auf dem Westhorizont (!), und links davon Betelgeuse) aber natürlich unsichtbar (und auch stets außerhalb des Mondschattens). Unsichtbar waren auch Castor und Pollux in den Zwillingen etwas über dem Horizont rechts der Sonne. Darüber standen Merkur und Mars – in Helligkeit, Abstand und Winkel zueinander angeordnet wie Castor und Pollux (!). Das wäre eine netter Anblick gewesen, aber aufgrund der Helligkeit ausgeschlossen. Schließlich lehrt einem die Erfahrung, dass während der Totalität nur die hellsten Sterne sichtbar sind. Denn bei einer „Mittags-Finsternis“ ist ja der obere Bereich der Atmosphäre noch beleuchtet und daher nicht wirklich finster. Sirius und Kanopus waren auffällige Sterne, ebenso Jupiter im Osten. Verwundert hat mich im Nachhinein, dass auch Antares (genau oberhalb von Jupiter) so hell und auffällig war. Der Grund ist mir erst später gekommen: In diesem Bereich war ja während der Finsternismitte die gesamte Atmosphäre verfinstert: dort herrschte tatsächlich nachtfinsterer Himmel. Hier wären also auch viel schwächere Sterne mit bloßem Auge sichtbar gewesen! Und tatsächlich entdeckte ich auf meinen Bildern (alle aus der Hand mit einer Sony Alpha geschossen, im JPG-Format) nicht nur Delta und Beta und Pi Scorpii, sondern neben Antares auch Tau Sco (+2.8 mag) und Rho Sco (+3.0 mag). Diese waren sicherlich mit bloßem Auge sichtbar – hätte ich nur darauf geachtet! Eine genauere Überprüfung des Bildes brachte auch noch andere Sterne aus dem Skorpion ans Licht – wobei gesagt werden muss, dass die Sternabbildungen etwas verschwommen und damit am oder im Bereich des Rauschens waren (unsicher sind My und Theta Sco, in orange dargestellt; der oberste und sehr dunkle Bereich des Bildes ist vollkommen verrauscht, so dass hier keine Sterne mehr erkennbar sind). Der schwächste so festgestellte Stern war +3.0 mag. Der Skorpion lag genau im „Kernschatten“ des Mondes.

- Mondschatten mit den auf den Bildern erkennbaren Sternen
Eine Sonnenuntergangs-Finsternis verläuft folgendermaßen: zu Finsternisbeginn wird der unterste Teil der Atmosphäre verfinstert, während der oberer Teil noch im Sonnenlicht liegt. Am Ende der Finsternis entflieht der Mondschatten in den Weltraum, da ist also nur noch die obere Atmosphäre verfinstert, während die untere schon wieder beleuchtet ist. Dieses Phänomen kann nur beobachtet werden, wenn Wolken (oder hohe Berge?) mit im Spiel sind. Auf einem meiner Bilder gegen Ende der Totalität habe tatsächlich neben dem schwindenden Mondschatten auch sehr feine Schattenstrahlen (Dämmerungsstrahlen) festgestellt, die im Gegensonnenpunkt zusammenlaufen. Das im Bild festzuhalten war Zufall, zumal ich visuell darauf weder vorbereitet war noch hingeschaut hatte – ich hatte nicht einmal damit gerechnet. Dieses Bild ist mir, obwohl wenig spektakulär, doch das sensationellste meiner Aufnahmen. Mit einem Zeitraffer hätte das viel eindrucksvoller zum Ausdruck gebracht werden können.

- Während oben noch der Mondschatten sichtbar ist, sind unten bereits die zusammenlaufenden Dämmerungsstrahlen zu erkennen.
Fazit: auch Wolken können ihren unerwarteten Beitrag zu einer totalen Sonnenfinsternis liefern – und entschädigen dafür, dass sie selbst die Sonne „verfinstert“ hatten und so das eigentliche Schauspiel unsichtbar blieb.
Unmittelbar nach dem Ende der Totalität und vor Untergang kam dann die Sonne unter der Wolkendecke hervor – zwar nur als eine sehr schmale Sichel, aber bei der klaren Luft war das Sonnenlicht kaum abgedämpft, so dass eine Beobachtung der Sichel ohne SoFi-Brille nicht möglich war. Ich musste erheblich abblenden, um die schmale Sichel fotografisch erfassen zu können. Den Untergang der Sichel habe ich nur durch das Kameraobjektiv erlebt. Aber es ist eine schöne kurze Sequenz geworden

- Phasen des Sonnenunterganges
Zum Abschluss bescherte uns die sich auflösende Wolkendecke noch schönes und kräftiges Abendrot und sehr ausgeprägte Dämmerungs- und Gegendämmerungsstrahlen, die sich über den gesamten Himmel erstreckten.

- Dämmerungsstrahlen
Eingeleitet wurde das ganze Erlebnis schon kurz nach unserer Ankunft in Lobos vor Beginn und während der Partialität durch Lücken in der Wolkendecke, durch die die Sonnenstrahlen wie Deckenstrahler leuchteten – die Bühne für die kommende Show war vorbereitet.

- „Deckenstrahler“ als Eröffnung der Finsternis-Show
Christoph
PS: es folgen noch 3 Bilder