Tagsichtbarkeit von "Punktobjekten": Stand und Perspektiven

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Elmar Schmidt
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Tagsichtbarkeit von "Punktobjekten": Stand und Perspektiven

Beitrag von Elmar Schmidt » 13. Nov 2025, 11:35

Hallo,

die "Gemeinde" hierfür ist nach den Klickzahlen gewiß kleiner als die der Polarlichter, frustrationstolerant muß man aber in beiden sein. Hier nun der Stand von fast 70 Tagesbeobachtungen für Venus und Jupiter mit bloßem Auge; den Löwenanteil haben Christoph Gerber und ich beigesteuert. Klassiert sind sie nach dem S/N, also dem Verhältnis der Objekt- zur Himmelshelligkeit (jeweils linear). In erstere gehen Annahmen über die Augenauflösung ein, während letztere über Leuchtdichtemessungen abgesichert ist.

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Achtung: Excel vergibt und bezeichnet die Klassen anders als die meisten Statistikprogramme. Die Klasse namens 1,1 bei Venus etwa enthält alle Werte von einschließlich 1,0 bis unter 1,1; ins Diagramm schaffte es konkret nur ein Wert mit exakt 1,000.

Zu den Beobachtungen war Venus (mit Extinktion) im Mittel -4,11 mag hell, Jupiter -2,18 mag. Von daher würde man zwischen deren S/N einen Linearfaktor von 5,92 erwarten. Festgestellt wurde aber nur 0,577 / 0,378 = 1,53. Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man sich in der ausführlichen Auswertung die zugehörigen Himmelshelligkeiten anschaut. Die lagen bei Venus im Mittel um den Faktor 3,40 höher. Warum? Nun, die Venus wurde in durchschnittlich 31 Grad Winkeldistanz zur Sonne beobachtet, Jupiter indessen in 87 Grad. Somit reduziert sich die Erwartung auf 5,92 / 3,40 = 1,74. Das ist zwar 14% höher als festgestellt, aber angesichts der Streuung aller eingehenden Größen hinreichend konsistent.

Übrigens kann auch Mars gelegentlich tagsichtbar werden; leider steht er in dafür günstigen Oppositionen bei uns ziemlich tief am Himmel. Christoph sah ihn am 30.6.2018 (mit Ext. -1,45 mag) mit S/N = 0,60 und am 27.11.2020 (mit Ext. -0,52 mag) mit S/N = 0,13 und in dem Fall bei nur noch 6 Grad hochstehender Sonne .

Insgesamt meine ich, daß wir dieses Thema bei den hellen Planeten durch den vorgelegten Datensatz für die Bedingungen im Tiefland geklärt haben. Das soll aber nicht heißen, daß nicht weiterhin alle aufgerufen bleiben, sich mit eigenen Sichtungsversuchen zu betätigen.

Wie sieht es nun bei Sternen aus? Nun, hier glänzt Christoph als "Solitär" mit sechs ausgewerteten Tagsichtungen des Sirius. Dabei war der hellste Fixstern durch Extinktion im Mittel -1,17 mag hell, das S/N (hier wegen großer Wertestreuung geometrisch gemittelt) betrug 0,093, also gut 1 : 11. Im folgenden Schaubild sind die inversen S/N für Sirius, Jupiter und Venus über den ebenfalls inversen* mittl. Magnituden aufgetragen (*letzteres war nötig, um eine gebrochene Potenzfunktion anfitten zu können):

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Dabei ging es mir um die Frage, ob andere Sterne tagsichtbar werden können, zunächst also Canopus mit -0,75 mag (laut Arizona-Tonantzintla-Katalog). Im Schaubild wird für den (ohne nennenswerte Extinktion) ein extrapoliertes S/N von knapp 1 : 17 vorhergesagt. Das wurde von uns noch für kein Punktobjekt realisiert! Eine solche Sichtung dürfte also extrem schwierig sein, und entsprechende Versuche sind nur an absoluten Premiumstandorten ratsam, und das wegen der Deklination von ca. -51 Grad für Canopus sowieso nur weit südlich des Äquators.

Christoph hat sich dieser Frage umständehalber ja mit einigen Sichtungen von Vega (+0,03 mag) unmittelbar bei Sonnenuntergang genähert. Die qualifizieren aber nicht als Tagsichtungen. Im Juni steht Arcturus (-0,06 mag) übrigens zum Sonnenuntergang ebenfalls recht zenitnah, um das gleiche zu versuchen.

Ein ganz anderes Faß könnten doch mal welche mit gut "eingenordeten" GoTo-Teleskopen aufmachen, um zu ermitteln, welche Punktobjekte tags im Fernrohr sichtbar sind. Bei Sternen 0. bis 1. Größe ist das nachweislich der Fall, als lichtschwächere Testobjekte bieten sich die Plejaden und die hellen Jupitermonde an. Hier starrt man aber halt ins Blaue und sollte den richtigen Fokus von Nachthimmelsbeobachtungen eingestellt lassen.

Die Frage ist, ob man den nachts quadratisch über die lichtsammelnde Öffnung korrekt abschätzbaren Grenzgrößenzuwachs tags realieren kann. Der beträgt z.B. für 100 mm Öffnung und 5 mm Augenpupille etwa +6-7 mag. Durch die die tags kleinere Pupille mindert sich das auf eher nur +4-5 mag. Je nachdem, ob man nun von Venus oder Sirius ausgehen möchte, die für Ungeübte nicht leichte bzw. äußerst anspruchsvolle Taghimmelsobjekte sind, wage ich für eine solche Optik eine Grenzgrößenvorhersage, die zwischen 0 mag (also etwa Vega) und +3 mag (etwa Alkyone in den Plejaden) liegt. Ob Ganymed (bis +4,6 mag) durch die Fokussierhilfe am Riesenplaneten machbar wäre, kann man natürlich auch zu ermitteln versuchen. Ich schätze aber, das erfordert mindestens 35-40 cm Öffnung, also etwa ein C14.

Viel Erfolg

Elmar

PS: zur Tagsichtbarkeit schmaler Mondsicheln gibt es einen weiteren Beitrag

https://forum.meteoros.de/viewtopic.php?f=1&t=63093

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