Hallo zusammen,
die Displays vom 10./11.07.2015 waren mit Abstand die bislang eindrucksvollsten der Saison 2015
Dennoch blieben sie deutlich hinter denen vom 03./04.07.2014 zurück. Zwar wurde einmal die Helligkeit 5 gemeldet, doch in der Zusammenschau aller Beobachtungen erscheint 4 für die Abend-Displays realistischer zu sein; am Morgen wurde nur noch eine Helligkeit von 3 erreicht.
"Als Fotograf besonders als Naturfotograf muss man ja vieles aufbringen: frühes Aufstehen, langes Aufbleiben oder Wiederaufstehen in der Nacht .... aber heute abend habe ich in meiner Laufbahn wohl den Vogel abgeschossen. Sah bestimmt lustig aus ...
IN ABENDKLEID UND HIGH HEELS AUF DEM DEICH STEHEND AN DER ELBE UND NLC´S FOTOGRAFIEREND ......" (Bianca Behr)
Beobachtungen
Durch die starken und bis in den Abend hinein anhaltenden Echos an OSWIN waren zahlreiche Atmosphärenbeobachter und Amateurastronomen vorgewarnt. Dass es sich um eine Wochenend-Nacht handelte und zudem während der ganzen Nacht nahezu überall hervorragende Wetterbedingungen (Abb. 1, 2) herrschten, trug dazu bei, dass eine Flut von Sichtungsmeldungen einging. Noch während der Abendstunden setzte auf Facebook, getriggert auch durch Meldungen diverser Wetterdienste, eine gewisse Viralität des Themas ein, wodurch auch zuvor völlig ahnungslose Menschen den Blick und vielfach die Kamera zum Himmel richteten. Für Abb. 3 wurden rund 110 von inzwischen 125 Sichtungsmeldungen ausgewertet, wobei folgende Quellen berücksichtigt wurden:
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viewtopic.php?f=34&t=55780
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http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=183895
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http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPI ... hichpage=3
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http://forum.astronomie.de/phpapps/ubbt ... ost1166306
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http://ed-co.net/nlcnet/positive-sightings-2015
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http://spaceweathergallery.com/nlc_gallery.html
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https://www.facebook.com/LeuchtendeNachtwolken
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https://www.facebook.com/DeutscherWette ... 3938376930
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https://www.facebook.com/groups/1527742610782377/
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https://www.youtube.com/playlist?p=PLCr ... jdQR6cpeZP
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https://skyweek.wordpress.com/2015/07/1 ... 015/#Jul11
Gegen 1 Uhr MESZ machte, ausgelöst durch eine Meldung von
Michael Theusner, die Nachricht von fotografischen, teilweise auch schwach visuellen Polarlichtern die Runde.* Diese erreichten ihr Maximum um die astronomische Mitternacht - andernfalls wären sie in der norddeutschen Mitternachtsdämmerung gar nicht sichtbar gewesen. So aber gelangen mehreren Beobachtern Fotos und Zeitraffer von Polarlichtern und NLCs. Derart gut ist das gemeinsame Auftreten beider Phänomene in Deutschland zuvor noch nie dokumentiert worden. Südlich des 52. Breitengrades, wo die Sonne zu tief sank, um NLCs während der gesamten Nacht sehen zu können, traten die Polarlichter genau in der Lücke zwischen den abendlichen und morgendlichen Displays auf.
* Ursache der Polarlichter war der Hochgeschwindigkeits-Sonnenwind aus einem Coronal Hole (CH 676), welcher von einem Sektorwechsel im Heliospheric Current Sheet (HCS) begleitet wurde (SWEPAM-Plot). Die ungefähre Ankunftszeit des schnellen Sonnenwinds war voraussehbar. Dass auch die erfahrenen Polarlicht-Beobachter von der Situation überrascht wurden, lag wohl an der allgemeinen NLC-Euphorie.
Abb. 1: Bewölkung über Deutschland am 10.07.2015 um 23 MESZ.
(Quelle:
Wetteronline)
Abb. 2: Bewölkung über Deutschland am 11.07.2015 um 3 MESZ.
(Quelle:
Wetteronline)
Abb. 3: Beobachtungen von NLCs und Polarlichtern in Mitteleuropa am 10./11.07.2015. PL&NLC = Polarlichter und NLCs gleichzeitig beobachtet; PL = Polarlichter und NLCs nacheinander beobachtet. Hinzu kommt eine reine Polarlicht-Beobachtung
bei Dresden.
Analyse
22 Beobachter lieferten Angaben zu Azimuth und Höhe der Abend-Displays, immerhin noch 6 trugen Daten zu den Morgen- Displays bei, woraus sich die Positionsrekonstruktionen in Abb. 4 und 5 gewinnen ließen. Hierbei ist zu beachten, dass die Meldungen (
Liste mit den Einzelangaben) sich auf die maximale azimuthale Ausdehnung und die Höhe der Displays beziehen. Das umfangreiche fotografische Material belegt, dass die NLCs durchweg bis zum Horizont bzw. bis in den horizontnahen Dunst reichten. Abb. 4 gibt daher nur die Oberkanten und somit die für den jeweiligen Beobachter maximal sichtbare Südausdehnung der NLCs wieder.
Daraus ergibt sich, dass der tatsächlich von NLCs überdeckte Bereich wesentlich größer war. Er hat am Abend mindestens den gesamten Sektor zwischen 50° und 60° N sowie zwischen 5° und 20° E umfasst. Da aus dem UK für diese Nacht keine Beobachtungen vorliegen, kann es gut sein, dass um den 5. östliche Längengrad eine wirkliche Begrenzung vorlag. Nach Osten war am 20. Längengrad sicherlich nicht Schluss, da aus mehreren osteuropäischen Ländern bis zum Baltikum Meldungen vorliegen. Auch nach Norden wird das Feld weiter gereicht haben, denn auch aus den nordischen Ländern existieren Beobachtungsberichte. Sicher definiert ist durch die mitteleuropäischen Beobachter daher nur die Südgrenze des NLC-Felds. Die hier beobachtete Elevation betrug maximal 60°, obwohl die Wolken für praktisch jeden nördlich des 50. Breitengrades im Zenit gestanden haben. Offenbar war die optische Dichte in diesem Fall so gering, dass sich die NLCs in Zenitnähe nicht mehr vom Himmelshintergrund absetzen konnten.
Abb. 4: Positionsrekonstruktion der am Abend des 10.07.2015 in Mitteleuropa beobachteten NLCs.
Abb. 5: Positionsrekonstruktion der am Morgen des 11.07.2015 in Mitteleuropa beobachteten NLCs.
Die gesamte Situation am 10./11.07.2015
Seit dem 05.07.15 hatte OSWIN immer wieder eher schwache Echos gezeigt; parallel waren in 3 Nächten NLCs beobachtet worden, welche maximal Helligkeit 3 erreichten, aber in der Nacht
06./07.07.2015 weit verbreitet beobachtet wurden. Prinzipiell herrschten also in der Mesopause-Region etwa nördlich des 54. Breitengrades über mehrere Tage hinweg Bedingungen zur Entstehung Leuchtender Nachtwolken. Durch eine sehr starke südwärts gerichtete und rund 12 Stunden anhaltende Höhenströmung (Abb. 6) wurde dann am 10.07.2015 offenbar zusätzlich sehr kalte Luft von Norden herangeführt. Am Mittag dieses Tages setzte eine Phase rapider Auskondensation ein, welche sich durch sehr kräftige und bis fast zum Sonnenuntergang anhaltende Echos an OSWIN bemerkbar machte (Abb. 7). Kurz nach Ende der Echos kamen bereits die ersten NLC-Meldungen aus Süddeutschland. Es zeigte sich bald, dass es sich nicht nur um ein lokales Abkühlungs-Phänomen über der mecklenburgischen Ostseeküste handelte, sondern dass sich über ganz Mitteleuropa bis etwa zum 50. Breitengrad eine geschlossene NLC-Decke ausgebildet hatte (Abb. 4). Um die astronomische Mitternacht waren durch den Sonnenstand bedingt Beobachtungen lediglich nördlich des 52. Breitengrades möglich. Als weiter südlich die Morgendämmerung einsetzte, hatren sich die sich deutlich nach Norden zurückgezogen (Abb. 5) und auch in der Intensität abgeschwächt. Tatsächlich war die in Juliusruh registrierte Südströmung bereits am späten Nachmittag des 10.07.2015 wieder zusammengebrochen. OSWIN zeigte lediglich am Vormittag des 11.07.2015 noch einmal ein Echo. Offenbar hatte es sich um eine intensive, aber kurzfristige Abkühlungphase der Mesosphäre über dem nördlichen Mitteleuropa gehandelt.
Abb. 6: Plot des Juliusruh-Windradars (Quelle:
IAP).
Abb. 7: Plot des Radars OSWIN in Kühlungsborn (Quelle:
IAP).
Leuchtenden Nachtwolken wurden in der gleichen Nacht in zahlreichen Ländern Mittel-, Ost- und Nordeuropas beobachtet, namentlich in Deutschland, Schweiz, Österreich, Slovenien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Lettland, Estland, Schweden, Norwegen und Dänemark beobachtet.
Hier einige Videos bzw. Animationen aus verschiedenen Ländern:
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https://www.youtube.com/watch?v=AoqFv02HkYo (Dänemark)
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https://www.youtube.com/watch?v=Bbfpa0WTbHc (Dänemark)
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https://www.youtube.com/watch?v=XiocZviV_94 (Niederlande)
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https://www.youtube.com/watch?v=ORq5Jam2bRE (Deutschland)
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https://www.youtube.com/watch?v=wMznecbwkzM (Deutschland)
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https://www.youtube.com/watch?v=vwhzUb4zzLI (Deutschland, mit Polarlicht)
Abschließend noch ein paar weitere Links zu dem Event:
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https://zauberdersterne.wordpress.com/2 ... eber-bonn/
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http://www.waa.at/bericht/2015/07/20150710api20.html
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http://www.wetter24.de/news/detail/2015 ... chauspiel/
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http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/a ... 15b49.html
Viele Grüße aus Bonn,
Stefan