die Tau-Herculiden stehen sonst selten auf der Beobachtungsliste, denn sie liefern normalerweise nicht viel mehr als eine Handvoll Meteore. Dieses Jahr könnte das anders sein: Mehrere Experten erwarten Ende Mai 2022 eine erhöhte Aktivität, mit der Chance auf einen echten Meteorsturm.
Ursprungskörper der Tau-Herculiden ist der Komet 73P/Schwassmann-Wachmann 3. Dieser hat eine gewisse Berühmtheit für seine Tendenz, auseinanderzubrechen. So kam es zuletzt 1995 zu einer Fragmentation des Kometenkerns, bei seinem Erscheinen 2006 konnte man mehrere Fragmente beobachten. Das Fragmentationsereignis von 1995 ist für die nun zu erwartete Meteoraktivität verantwortlich.
Mehr zum Kometen und den tau-Herculiden 2022 kann man u.a. hier nachlesen:
IMO Meteorschauer-Kalender 2022 (deutsch)
Wiegert et al. 2005
Rao 2021, JRASC
Sky&Telescope
Die verschiedenen Modelle sind sich einig, dass die höchsten Raten auf den 31. Mai, gegen 05:00 UTC fallen werden. Wie hoch diese Raten sind, ist alles andere als sicher. Mikiya Sato wird im IMO-Kalender wie folgt zitiert:
Nun die schlechte Nachricht: Am 31. Mai ist es um 5h UTC (=7h MESZ) in Mitteleuropa bereits taghell. Die beste Position haben Beobachter in Nord- und Mittelamerika. Auf den Kanaren ist es um 5h UTC noch dunkel, die Dämmerung setzt etwa 15 Minuten später ein. Das könnte sich also noch ausgehen. Zu beachten ist, dass der Radiant trotz des Namens nicht im Herkules, sondern im Bärenhüter liegt. Hier die Situation für La Palma, 5h UTC. Der Radiant ist durch das Kreuz markiert:Die Dichte der Staubspur wird gering sein, da sie eine hohe Freisetzungsgeschwindigkeit erfordert, um in Erdnähe zu kommen. Dennoch könnte es einen Meteorsturm wegen der Staubmenge beim Zerfall geben.
Immerhin stört der Mond nicht. Auch wenn die Zeitangaben der Modelle alle recht ähnlich sind (s. IMO-Kalender), sollte man die Vorhersage cum grano salis verstehen - es kann zu einem Sturm kommen, muss aber nicht, und es könnte auch in den Stunden oder Tagen vor oder nach dem genannten Zeitpunkt Aktivitätsspitzen auftreten. Ich hänge mal eine Abbildung aus Wiegert et al. 2005 an. Wie man sieht gibt es noch weitere, ältere Staubwolken, die von 1897 u. 1892, die eine Aktivität um den 31.5. herum erhoffen lassen:
Also sollte man sich nicht nur auf den (von Deutschland nicht sichtbaren) Zeitpunkt 5h UTC am 31.5. konzentrieren! Wie dem auch sei, sicher eine spannende Sache und eine gute Gelegenheit für uns Amateure, mit Beobachtungen einen wichtigen Beitrag zur Erforschung eines besonderen, erdnahen Kometen beizutragen. Zeit genug, eine Reise zu planen, ist ja auch noch...
cs,
Jan
Nachtrag: In meinem Archiv habe ich noch diese Foto des Fragments C von 73P gefunden. Aufgenommen am 1. Mai 2006 am Refraktor der Sternwarte Aachen mir meiner damaligen Digiknipse.