Eissterne auf dem Balkon

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Christoph Gerber
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Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Christoph Gerber » 19. Jan 2017, 23:27

Eissterne auf dem Balkon:

Am vergangenen Montag staunte ich nicht schlecht, als die Sonne auf dem Boden meines Balkons "aufging": Am Rand der Bodenplatten zeigten sich große sternförmige Eisgebilde, die ich so noch nie gesehen habe. Zwar sind sechsstrahlige Eisgebilde von Schneeflocken wohl bekannt, aber ähnliches in dieser Größe hat mich nicht nur überrascht, sondern ich kann mir auch ihre Entstehung nicht erklären. Die größten waren etwa 10–15 cm groß. In der Sonne tauten die Sterne dann allmählich weg.

Christoph
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Karl Kaiser
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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Karl Kaiser » 11. Mär 2017, 19:54

Hallo Christoph,

ich schiebe deinen interessanten Beitrag aus der Versenkung noch einmal ganz nach oben: Gibt es schon eine Erklärung zur Entstehung der wundersamen Eissterne?

Beste Grüße aus Schlägl von

Karl

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Elmar Schmidt
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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Elmar Schmidt » 11. Mär 2017, 21:14

Hallo Christoph und Karl,

das ist in der Tat interessant und rätselhaft. Wenn ich es recht sehe, sind aber die Eisterne nicht alle sechsfach, und selbst wenn ja, nicht sehr regelmäßig. Ansonsten gibt es "Hexagonalisierung" in fluiden Medien ja auch ohne kristalline Basis, wenn man an Bienenwaben oder Rayleigh-Bénard-Zellen denkt.

Eine erste Suche ergab (außer den Stars des Eiskunstlaufs...) diese womöglich damit verwandte Erscheinung bei der Spreitung von durch Löcher auf die Eisdecke von Binnenseen austretendem Wasser:

http://web.gps.caltech.edu/~tsai/files/ ... RE2007.pdf

Gruß, Elmar

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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Karl Kaiser » 12. Mär 2017, 20:12

Hallo Christoph und Elmar,

Elmar, danke einmal für den Hinweis auf die Rayleigh-Bénard-Zellen. Sie werden wohl nichts mit den Eissternen zu tun haben, sind aber als Zellen in einer Luftschicht bei der Entstehung von "Wolkenstraßen" zu finden. Das ist neu für mich, freut mich, jetzt nähere Einblicke in ihre Entstehung durch deinen Verweis gefunden zu haben. :)
Eine "Hexagonalisierung" in fluiden Medien würde ich so bei den Bienenwaben nicht sehen. Wir haben es hier zwar nicht mit Kristallisation zu tun, die Tierchen sind selbst für dieses Bauschema verantwortlich.

Die sternförmigen Löcher auf der Eisdecke in einem See sind recht interessant. Toll, was so alles mathematisch berechnet wird! Aber ob dieser Prozess auch auf der Terrasse stattgefunden hat? Die Eissterne sind doch regelmäßiger als das die "Star patterns on lake ice".

Jedenfalls ist das Thema der Eissterne auf Balkonien ein hoch interessantes! Vielleicht kann es gelöst werden!

Beste Grüße aus Schlägl von

Karl

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Elmar Schmidt
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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Elmar Schmidt » 12. Mär 2017, 22:21

Lieber Karl,

vielen Dank für Deine Kommentare. Meine "Einsichten" waren nur erste Anregungen, für genaue Erklärungen hätte man das Wachstum der Sterne wohl abfilmen müssen.

Womöglich kann man sie mit den seltener gewordenen Eisblumen in Verbindung bringen, bei denen es auch dendritische Strukturen gibt, die allerdings auch noch nicht ganz geklärt scheinen.

Herzliche Grüße

Elmar

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Christoph Gerber
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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Christoph Gerber » 13. Mär 2017, 23:21

Hallo Karl und Elmar,

vielen Dank dafür, dieses Thema noch einmal "heraufgeholt" zu haben. Da es offenbar (noch) keine vergleichbaren Beispiele zu dieser Erschienung gibt, hier noch einige Hintergrund-Anmerkungen und ein Erklärungsversuch-Ansatz.

Mein Balkon wurde im vergangenen Herbst erneuert, und in diesem Rahmen wurden auch die Bodenplatten erneuert. Schon sehr bald war mir aufgefallen, dass diese Platten das Wasser "abweisen", da die Oberfläche offenbar versiegelt ist. Als Folge davon fließt das Regenwasser nicht ganz von den Platten ab, sondern es bildet sich ein dünner Wasserfilm an der Kante der Platten. In genau diesem Bereich "lagen" dann auch die Sterne. Das hat mich jetzt auf folgenden Gedanken gebracht.

Wenn dieser hauchdünne Wasserfilm zu gefrieren beginnt, könnte dies punktuell geschehen – aufgrund irgendwelcher Unregelmäßigkeiten oder "Keime" im Wasser. Da aufgrund des nur dünnen Wasserfilmes kein "Wassernachschub" vorhanden ist, könnte evtl. ein Prozess einsetzen, der an den der "hole punch clouds" erinnert: Ähnlich eines Dominoeffektes könnte es dann sehr rasch zum vereisen des gesamten Wasserfilmes kommen – und da der Wasserfilm hauptsächlich zweidimensional ist, kommt es zu diesen "Sternen": Wenn die gefrierenden Möleküle die nicht-gefrorenen anziehen und diese dann gefrieren (das Eis der Sterne bildete ja ein deutlich wahrnehmbares "Relief" auf den Platten), sollte das nicht automatisch zu solchen sternförmigen Gebilden führen? Wie dieser Prozess der Vereisung genau vonstatten ginge, müsste (mir) jemand erklären. Aber im Moment, da ich diesen Erklärungsversuch niederschreibe, kommt er mir recht plausibel vor.

Bleibt noch nachzutragen, wie das Wetter an jenem 15./16. Januar gewesen ist. Es war die Nacht von Sonntag auf Montag, und in genau dieser Nacht begann hier in HD eine etwa einwöchige Dauerfrostperiode. Möglicherweise war ihr Beginn verbunden mit dem Durchzug einer Kaltfront mit geringem Niederschlag gegen Mitternacht und einer raschen Abkühlung bereits im Frostbereich in den Stunden danach. Der Niederschlag reichte aus, sich auf den Platten zu sammeln und anschließend zu gefrieren. Also auch der meteorologische Ablauf passt m.E. nach hervorragend zu meiner Interpretation. Vielleicht kann ja jemand weiterführende Gedanken dazu beisteuern – oder den ganzen Erklärungsversuch als unzutreffend darstellen? Ich bin weiterhin gespannt auf Anregungen!

Christoph
Wasserfilm am Rand der Platten
Wasserfilm am Rand der Platten

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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Karl Kaiser » 14. Mär 2017, 10:25

Hallo Christoph und Elmar,

ich sitze derzeit während einer Freistunde vorm PC in Rohrbach und nütze die Zeit zu einer kurzen Antwort auf Christophs Erklärungsversuch (es schaut fast danach aus, als ob man „Versuch“ weglassen könnte :) ).
Ich möchte euch dazu gleich meine Beobachtungen, die dazu passen, beschreiben.

Auf unserem großen Gartenstein mit kleinem Becken friert das Wasser schon bei wenigen Minusrgraden oberflächlich zu (jetzt im Frühling nicht mehr so leicht, da der Stein tagsüber von der wärmenden Sonne Energie aufnimmt und diese ans Wasser während der Nachtstunden abgibt). Dabei entstehen cm bis mehrere dm lange „Eisnadeln“, die entweder für sich allein auf der Wasseroberfläche schwimmen oder von einem Punkt sternförmig ausgehen. Gleiches beobachet ich auch auf der Wasserfläche unseres Tümpels. Während kalter Nächte überzieht er sich mit dem Eismuster aus langen Kristallen, z. T. sind diese auch leicht gebogen. Die Anordnung der Einzelkristalle zu einem „Stern“ an den Berührungspunkten hat hier nichts mit der hexagonalen Kristallstruktur des Eises zu tun, die Winkel scheinen eher zufällig zu sein. Faszinierend ist, dass die „Kristalle“ rinnenförmig gebaut sind, also richtig dreidimensional wachsen. Anscheinend muss dieses Grundgerüst erst fertig sein, damit sich dann in Folge die Zwischenräume mit sehr dünnem und anders strukturiertem Eis schließen. Da zeigen sich dann immer wieder Formen, die an Eisblumen auf Fensterscheiben erinnern, also zweidimensional gewachsen sind. Vermutlich muss für die Entstehung einer solchen Eisdecke ganz ruhiges Wasser vorliegen. Bemerkenswert sind zwischen den vorhandenen Eisnadeln zunächst noch kleine eisfreie Felder. Wahrscheinlich werden die dann, von den angrenzenden Eisnadeln ausgehend langsam zuwachsen. Könnte es sein, dass die bei der Kristallisation der größeren Eisnadeln freiwerdende Erstarrungswärme ein schnelles Schließen dieser Zwischenräume hinauszögert?

Es ist jedenfalls ein hochinteressantes Thema, das mit den Eissternen! Bilder dazu werde ich demnächst einige nachliefern.

Ich wünsche euch einen schönen Arbeitstag!

Beste Grüße aus Rohrbach von

Karl

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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von wolf-peter hartmann » 14. Mär 2017, 16:20

hallo eissternefans,

das letzte foto von christoph veranlasst mich zu einer bemerkung:
wir hatten früher an unserem haus in südrichtung eine verandaplatte, ähnlich der abgebildeten, darüber befand sich ein minimal kürzerer balkon. bei bestimmten wetterlagen bildete sich auf der verandaplatte, die natürlich ein klein wenig abschüssig vom haus weg war, gelegentlich eine eisplatte am "gartenende", die zwar keine sterne ausbildete (wenigsten habe ich nie welche gesehen), aber an der innenseite "schwänze" ausbildete. ich hatte das damals auf vom balkon darüber abtropfenes wasser zurückgeführt, von dem ich annahm, es sei geringfügig wärmer gewesen und auf der verandaplatte sofort gefroren.
heute ist das ein verglaster wintergarten, der parterre und balkon umschließt - kann also nicht mehr passieren.
könnten die interessanten "eissterne" nicht ähnlich entstehen???
mstfrG

wolf

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Re: Eissterne auf dem Balkon

Beitrag von Karl Kaiser » 14. Mär 2017, 20:56

Hallo allerseits,

hier sind nun die versprochenen Bilder.

Eisnadeln mit Oberflächenrinne (schönes dreidimensionales Wachstum):
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sternförmig angeordnete Nadeln, die von einem Kristallisationspunkt ausgehen (hier eventuell Pflanzenreste):
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Zwischenräume vereisen mit flächenhaften Bildungen, die entfernt an Eisblumen erinnern und in isolierter Form wunderbar schneesternförmig wachsen können (vergleiche Bild 1 im Hintergrund - Größe bis über 10 cm möglich):
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offene Flächen zwischen den Eisnadeln müssen noch zufrieren (Verzögerung durch Erstarrungswärme?):
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Wenn man sich nun die Eisflächen zwischen den "Sternen" wegdenkt, dann zeigen Christophs Aufnahmen große Ähnlichkeit mit den von mir aufgenommenen Strukturen. Eine dünne Eisschicht könnte auch zwischen den Sternen auf dem Balkon vorhanden gewesen sein. Bei der beschriebenen Kälte nach dem Durchzug der Kaltfront war die Luft vielleicht recht trocken, was die Sublimation begünstigt hätte. Möglicherweise spielen bei der Entstehung der abgerundeten Sternfortsätze auch Abschmelzvoränge im Sonnenlicht eine Rolle. Kristalle zeigen nämlich nur Ecken, Kanten und ebene Flächen, abgerundet können sie aus kristallographischer Sicht nicht entstehen. So haben wir es jedenfalls gelernt (obwohl die "Füllungen" zwischen den Sternen auch z. T. abgerundet erscheinen :? ).

Ich hoffe, dass meine Beschreibungen uns wieder einen kleinen Schritt in Richtung Verstehen der Entstehung der "Gerber´schen Eissterne" führen. :)

Auf eure Einschätzung meiner Bilder und Zeilen bin ich schon gespannt!

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.

Beste Grüße aus Schlägl von

Karl

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