NLC Pseudo-Satellitenbild vom 16.6.09

Forum für Leuchtende Nachtwolken (NLC)

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Michael Theusner
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NLC Pseudo-Satellitenbild vom 16.6.09

Beitrag von Michael Theusner » 18. Jun 2009, 18:53

Hallo,

ich habe in den letzten beiden Tagen ein wenig programmiert, um aus ganz normalen NLC-Aufnahmen eine Satellitenansicht zu berechnen.

Dadurch lässt sich dann sehr schön die räumliche Verteilung der NLC beurteilen und auch die dort oben herrschenden Windgeschwindigkeiten sowie -richtungen ermitteln. Dabei hilft natürlich, dass die NLC nur in einem recht eng begrenzten Höhenbereich vorkommen (meist 80-86 km).

Da also die Höhe bekannt ist, wird dann nur noch der Azimutwinkel und die Höhe über dem Horizont benötigt, um das alles in einen Längen- und Breitengrad umzurechnen.

Dazu muss also jedem Pixel im Originalbild ein solches Wertepaar zugeordnet werden, um dieses in ein Lat/Lon-Paar umzurechnen.
Das lässt sich wiederum durch Astrometrie bewerkstelligen. Da Aufnahmezeit und -ort bekannt sind, lassen sich über die Positionen der Sterne im Bild die Azimut- und Höhenwinkel eines jeden Pixels sehr genau bestimmen. Dabei hilft www.astrometry.net, weil man sich dort automatisch eine Datei mit allen nötigen Parametern errechnen lassen kann.

Mit den für die von mir verwendete Programmiersprache IDL verfügbaren Routinen aus der IDL-Astronomy-Library der NASA können dann ganz einfach Pixelkoordinaten in Rektaszension/Deklination und somit auch in Höhe/Azimut umgerechnet werden. Und das wiederum in Länge/Breite.

Als letztes muss man nur noch die ganzen umgerechneten Daten plotten:

Bild
Im Bild sieht man unten rechts einen Teil der Niederlande und Nordwestdeutschlands, sowie ganz oben links Dänemark. Die dunklen Schatten links sind auf horizontnahe Wolken zurückzuführen, die natürlich auch einfach mit umgerechnet werden. Das zackige Gebilde (ebenfalls links) ist ein Häuserdach, das von mir aus gesehen (Hannover-Badenstedt) Teile des Horizonts verdeckt.

Zur Genauigkeit: Die hängt vor allem von der unsicheren NLC-Höhe ab. Verwendet habe ich 83 km (OSWIN-Radar). für den Bereich 80-86 km ergeben sich in 150 km Entfernung vom Beobachtungsort (linker Rand) +- 5km horizontale Positionsunsicherheit und in 600 km (rechts) +-16 km. Ist also recht genau.

Was mit einem Bild geht, geht natürlich auch mit vielen. Ich hatte nämlich, ohne die Kameraposition zu ändern, am 16.6. zwischen 21:00 und 21:22 UTC alle 10 sek ein Bild gemacht. Dadurch musste ich die Pixelzuordnung auch nur einmal berechnen.
In dem sich ergebenden Film kann man sehr schön die Strömung aus ca. 340° erkennen (fast Nord). Geschwindigkeit: ca. 200 km/h - also ordentlich windig :)

Für das Video ist DivX erforderlich (2 MB): http://www.theusner.eu/terra/images/nlc ... at_tlm.avi

Ich werde noch einige weitere NLC-Fälle bearbeiten - und, wenn Interesse besteht, hier ebenfalls vorstellen.

Was noch denkbar wäre, wäre aus mehreren Aufnahmen von verschiedenen Orten, die zum etwa gleichen Zeitpunkt gemacht wurden, eine Art Komposit zu erstellen. Oder einfach mal Vergleichen, ob die Umrechnung verschiedener Bilder etwa dasselbe Aussehen ergibt. Einfach bei mir melden!

Sicher vorhandene 3-D-Strukturen in den NLCs werden hier natürlich einfach platt gerechnet. Aber die großräumige Struktur sollte ja gut wiedergegeben werden.

Viele Grüße,
Michael

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Matthias Juchert
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Re: NLC Pseudo-Satellitenbild vom 16.6.09

Beitrag von Matthias Juchert » 18. Jun 2009, 19:15

Hallo Michael,

wirklich spannend, was Du Dir da ausgedacht hast!

Was man beim Vergleich der selben NLC-Erscheinung auf verschiedenen
Aufnahmen oft sieht, ist die Verzerrung/Verschiebung der NLC. Als proof
of concept kannst Du ja mal Aufnahmen der Erscheinung aus den
Niederlanden heraussuchen (gibts hier)
und zum einen visuell vergleichen, ob das mit den Bändern auf Deinem
Sat-Bild passt und diese dann auch zur Berechnung eines solchen Bildes
zu nutzen. An den Ergebnissen wäre ich sehr interessiert.

Dadurch ist es übrigens nicht nur möglich, die Position der NLC zu errechnen,
sondern auch alle Orte zu ermitteln, von denen diese Erscheinung theoretisch sichtbar gewesen wäre.

Viele Grüße,
Matthias
http://www.serifone.de/nlc.html - meine aktuellen NLC-Beobachtungen

Alexander Haußmann
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Beitrag von Alexander Haußmann » 20. Jun 2009, 21:51

Hallo Michael,

wirklich schön geworden, die Bilder! Genau sowas hat mir vor einiger Zeit auch mal vorgeschwebt, ich hatte mir auch die ganze Mathe selbst zusammengesucht, bin dann aber vorm Programmieren zurückgeschreckt. Wichtig ist außerdem, daß die Fotoobjektive keine große Verzeichnung aufweisen. Dann käme man mit zwei Sternen hin, um Brennweite, Zielachse der Kamera und Bilddrehung zu bestimmen. Übrigens fällt mir grad noch die Refraktion ein, die sollte für NLC-Struturen am Horizont ca. 50 km (in Richtung vom Beobachter weg) ausmachen.

Viele Grüß,
Alex

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Michael Theusner
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Beitrag von Michael Theusner » 21. Jun 2009, 13:50

Alexander Haußmann hat geschrieben:Hallo Michael,
zusammengesucht, bin dann aber vorm Programmieren zurückgeschreckt.
Zum Glück gibt es ja eine IDL Programmbibliothek ( http://idlastro.gsfc.nasa.gov/ ), in der das Meiste schon fertig vorliegt. Das einzige, was ich an Mathematik wirklich noch selbst überlegen musste, war die Umrechnung von Höhe über Horizont + Azimut + Höhe der Wolken in Länge/Breite.

OK, und dann noch ein Programm schreiben, dass das alles zusammenfasst.
Alexander Haußmann hat geschrieben: Wichtig ist außerdem, daß die Fotoobjektive keine große Verzeichnung aufweisen. Dann käme man mit zwei Sternen hin, um Brennweite, Zielachse der Kamera und Bilddrehung zu bestimmen.
Die astrometrische Analyse bei astrometry.net ist ja vollautomatisch und man erhält zusätzlich sogar die so genannten SIP-Parameter, die die Objektivverzerrung beschreiben ( http://ssc.spitzer.caltech.edu/postbcd/ ... eADASS.pdf ). Man benötigt also nicht unbedingt ein verzerrungsfreies Objektiv, das ist schon alles in dem von mir beschriebenen Verfahren berücksichtigt.
Alexander Haußmann hat geschrieben: Übrigens fällt mir grad noch die Refraktion ein, die sollte für NLC-Struturen am Horizont ca. 50 km (in Richtung vom Beobachter weg) ausmachen.
Du hast Recht! Aber auch das ist in den IDL-Programmen aus der NASA-Bibliothek berücksichtigt. Da wird bei der Berechnung des Höhenwinkels aus Uhrzeit, Ort und Himmelskoordinaten die Refraktion standardmäßig mit eingerechnet. Deswegen sollte auch dieser Fehler ziemlich klein sein.
Ach ja, außerdem habe ich bei dem vorgestellten Pseudo-Satbild alle Bildinformationen unterhalb von 5° Höhe weggelassen.

Viele Grüße,
Michael

Björn Sothmann
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Beitrag von Björn Sothmann » 21. Jun 2009, 17:53

Spricht etwas dagegen, dein Programm der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen?

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Michael Theusner
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Erster Vergleich Hannover - Frankfurt

Beitrag von Michael Theusner » 22. Jun 2009, 17:26

Hallo.

Peter Kuklok hat mir netterweise einige Aufnahmen zur Verfügung gestellt, auf die ich die gleiche Methodik angewendet habe wie auf meine Aufnahmen.

Das Ergebnis ist ermutigend: Es sind keine großen Verschiebungen zwischen den beiden errechneten Pseudo-Satellitenbildern erkennbar. Es gibt aber doch Unterschiede, die sicherlich etwas mit der vertikalen Struktur sowie der nicht ganz genau bekannten Höhe der NLC zu tun haben. Vor allem mit größer werdender Entfernung vom Beobachtungsort wird die Verschiebung offenbar größer.

Hier ein Beispielvergleich (Hannover-Frankfurt):
Bild

Weitere Unterschiede: In Frankfurt war es dunkler (2° südlicher) als in Hannover, daher dort besserer Aufnahmekontrast.

Grundsätzlich finde ich es aber schon klasse, dass das so gut funktioniert (theoretisch wäre es sogar möglich, die Ansicht eines Ortes, in die eines Anderen umzurechnen).

Hier Link zu einem zweiten Vergleich:
http://www.theusner.eu/terra/images/nlc ... t_comp.gif

Und noch ein aus Peters Bildern erstellter Pseudo-Satfilm:
http://www.theusner.eu/terra/images/nlc ... at_tlm.avi
Björn S. hat geschrieben:Spricht etwas dagegen, dein Programm der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen?
Nein, das ist auf jeden Fall möglich. Da muss ich aber noch etwas an der Benutzerfreundlichkeit tun ;)
Außerdem ist ja astrometry.net zur Zeit leider noch nicht vollständig öffentlich.
Ich werde auf jeden Fall einplanen, euch allen das Programm zur Verfügung zu stellen. Aber das wird noch etwas dauern.

Viele Grüße,
Michael

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Beitrag von Björn Sothmann » 22. Jun 2009, 17:30

Ok, da bin ich dann schon einmal drauf gespannt. Besonders bei so umfangreichen Sichtungen wie gestern Abend sollte das ja eine feine Sache sein!

Alexander Haußmann
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Beitrag von Alexander Haußmann » 22. Jun 2009, 21:51

Hallo Michael,

also die Vergleiche sind wirklich beeindruckend! Das spricht doch sehr für die Genauigkeit Deiner Methode. Daß es eine solche Programmbibliothek gibt, ist mir bisher völlig entgangen. Ich hab mich wohl doch zuwenig umgeschaut und meinte, man müßte das alles alleine stemmen. Als Einzelkämpfer wäre ich aber kaum zu den Verzerrungspolynomen vorgedrungen. Gibts denn in einem typischen NLC-Bild eigentlich genügend Referenzpunkte? Kapella fällt mir spontan ein, aber einige mehr wirds ja schon brauchen, wohl auch etwas weiter weg von der Mitte.

Das Problem der Benutzerfreundlichkeit kann ich gut nachvollziehen - bei mir hats bisher auch immer bloß zum Beweis der Tauglichkeit gereicht, alles weitere war dann doch zu umständlich, weil immer wieder neue Phänomene mein Interesse für sich eingenommen haben.

Übrigens gab es 1998 schon mal ein Programm zur Rekonstruktion der NLC-Verteilung (aufbauend auf den Berechnungen von Richard Löwenherz von 1997), was als Jugend-forscht-Projekt vorgestellt wurde. Ich hab da auch ein paar Details zur Fotoauswertung mit beigetragen, aber die Komplexität/Genauigkeit wie hier hätte es sicher nicht erreicht. Soweit ich mich erinnere, wurde aus dem gescannten Foto (damals waren ja alle noch analog unterwegs) die NLC-Struktur per Schwellwert erkannt und dann als "schwarze Punkte" auf einen weißen Kartenuntergrund gelegt. An Echtfarbdarstellungen hat damals noch keiner gedacht.

Also viel Erfolg noch beim Weiterentwickeln, und ich bin dann auch an einer benutzerfreundlichen Version interessiert, wenns soweit ist!

Viele Grüße,
Alex

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Beitrag von PeterKuklok » 22. Jun 2009, 22:15

Wow, fantastisch, ich bin total begeistert, vielen Dank Michael!

Grüße
Peter

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Beitrag von Richard Löwenherz » 22. Jun 2009, 22:54

Hallo Michael,

die NLC-Originalaufnahmen verzerrt auf eine Landkarte projezieren ist ja wohl eine geniale Idee! Das macht das Ganze ziemlich anschaulich und auch eindeutiger in der Zuordnung, als die bereits von Alex erwähnte Methodik, mit der wir damals arbeiteten (in den Anfängen um 1997 habe ich solche Umrechnungen noch "per Hand" vorgenommen...).

Was mich schon lange bewegt hat und auch heute noch sehr interessiert, ist eine europaweit zusammengefasste Darstellung aller Sichtungen einer NLC-Nacht, also aus den unzähligen Meldungen (jene, die fotografisch belegt sind) einen Kartendarstellung zur gesamten Ausdehnung des NLC-Feldes zu machen. Solche Darstellungen sind natürlich räumlich begrenzt durch die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschenden Dämmerungsverhältnisse (Ost-West-Wanderung des "Beobachtungsfensters"), aber man könnte sie dann auch als Film von Ost nach West laufen lassen...

Also ich bin gespannt, wie dein Programm angenommen wird, wenn es als benutzerfreundliche Version unter die Beobachter kommt. Ich hoffe dann vor allem auf eine eifrige Vernetzung, die vielleicht mal eine europaweite Zusammenfassung einer schönen Sichtung erlaubt!

Beste Grüße,
Richard

Alexander Haußmann
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Beitrag von Alexander Haußmann » 1. Jul 2009, 17:05

Hallo Michael,

also Deine Rechnungen haben in letzten Tagen meinen Ehrgeiz ziemlich angestachelt... Außerdem war bei mir troposphärenbedingt NLC-Flaute. Also habe ich mal ein paar Zeilen Matlab-Code geschrieben. Ich wollte auch unbedingt mal sehen, ob die Formeln, die ich 2006/07 ausgeknobelt hab, auch was taugen. Also habe ich aus Deinem Video vom 16.06.2009 das Bild von 21:12:58 UTC rausgenommen und damit auf meinem Weg ein Pseudo-Sat-Bild gerechnet. Leider klappts noch nicht in Farbe, aber ich bin nicht Programmierer genug, um mich wirklich darüber zu ärgern :-)

Die Beobachterkoordinaten habe ich mit Google Earth zu 52.35° N und 9.67° E bestimmt - sollte einigermaßen passen. Für die NLC-Höhe habe ich auch 83 km genommen. Kalibriert wurde mittels Castor und Epsilon Leonis, die ich im letzten Bild des Videos (21:22:15) identifiziert habe.

Bild

Der Übereinstimmung beider Pseudo-Sat-Bilder schaut für mich recht gut aus - wenn man mal davon absieht, daß das Matlab die westfriesischen Inseln nicht kennt. Also ich bin zufrieden, daß es so schön paßt, ich habe auch nicht irgendwie getrickst, das Bild ist geradewegs so "ausgeworfen" worden. Refraktion ist übrigens der Vollständigkeit halber mit drin, Verzeichnung aber nicht. Also kann ich leider keine Bilder verwenden, die ich mit meinem Zenitar aufgenommen habe... Bei Interesse kann ich Dir auch den Quellcode zukommen lassen.

Viele Grüße, Alex

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