Ursache für Purpurlichter ???

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Claudia Hinz
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Ursache für Purpurlichter ???

Beitrag von Claudia Hinz » 18. Jan 2012, 10:31

Hallo,

nachdem auch nach einer Woche die intensiven Purpurlichter anhalten und sogar noch intensiver werden, muß die Ursache doch großräumiger sein. Nabru würde ich ausschließen, dessen "Aktivität" ist Anfang Dezember abgeklungen. Kennt jemand einen Vulkan in der Nordhemisphäre, der die letzten Wochen (oder falls weiter weg, auch in den letzten Monaten) ausgebrochen ist und, bevorzugt mit hohem Gasanteil bis in Höhen von über 12km gespuckt hat?

Auf dem Hohenpeißenberg hat man derzeit auch keine Idee, woher die Aerosole stammen könnten.

Hier zwei Bilder von heute morgen:

Ulf Köhler, Hohenpeißenberg
Bild

Kevin Boyle, Stoke-on-Trent, Großbritannien
Bild

Kevin hat die Idee, daß es sich um polare stratospherische Wolken handeln könnte, aber ich denke, daß -75° über Nord- und -70° über Süddeutschland zu warm für eine derart intensive Kristallbildung sind.

Viele Grüße
Claudia

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StefanK
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Purpurlichter

Beitrag von StefanK » 18. Jan 2012, 12:26

Hallo Claudia,

PSC würde ich auch auf Grund der Dauer (1 Woche) ausschließen. Bei dem einzig gut dokumentierten Fall im Februar 2008 hielt das gerade mal 2 Tage an. Damals wurden, wenn ich mich richtig erinnere, in der Stratosphäre über Deutschland -90° gemessen. Kann man der Sache denn evt. mit einem der Lidars (z.B. in Kühlungsborn) auf den Grund gehen?

Viele Grüße aus Bonn,

Stefan
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wolfgang hamburg
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Beitrag von wolfgang hamburg » 18. Jan 2012, 14:55

Moin Claudia,

einen Kandidaten gibt es: Karymsky(Kamchatka) der hatte am/vorm 7. eine Explosion. Die Höhe und der genaue Zeitpunkt sind unbekannt, kommt da oft vor(Wetter und andere Umstände). Es gab aber 90km entfernt eine Aschewolke.
http://www.kscnet.ru/ivs/kvert/ oder in English: http://www.kscnet.ru/ivs/kvert/index_eng.php

Dort wird zwar auch gesagt, dessen Wolken gehen wahrscheinlich nicht höher als 6km(das wäre zu wenig), aber vielleicht gab es da einen Ausreißer nach oben.

Grüße wolfgang
PS: Ende Dez. waren da noch mehr, geschätzte Höhen aber immer unter 5km, was höheres nicht wirklich ausschließt.
http://www.volcano.si.edu/reports/usgs/ ... nt=archive

Gerrit Rudolph
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Beitrag von Gerrit Rudolph » 18. Jan 2012, 17:11

Hallo,

ich hab das hier mal in den vulkanischen Thread beim WZ-Forum verlinkt:
http://www.wzforum.de/forum2/read.php?3 ... sg-2344442

eine erste Anwort ergab, dass außer dem Karymsky auch der Kizimen in Frage kommt, ebenfalls auf Kamtschatka:
http://www.wzforum.de/forum2/read.php?3 ... sg-2344503

Gruß, Gerrit

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Manfred Laudahn
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Beitrag von Manfred Laudahn » 18. Jan 2012, 23:06

Bild
in groß: http://www.abschweb.de/tagebuch/180112-1.htm

Hallo Leute,

hier ist mein Foto von heute morgen.
Ich hatte gar nicht die Idee, dass das mit Vulkanismus in Zusammenhang stehen könnte.

Grüße
Manfred

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Claudia Hinz
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Beitrag von Claudia Hinz » 19. Jan 2012, 10:02

Vielen Dank für Eure sachdienlichen Hinweise :wink:. Die zwei im Doppelpack sind natürlich immense Staublieferanten. Zeit und Westdrift könnten auch passen. Vielleicht findet sich noch irgendwo ein Hinweis auf die Höhe, man muß ja das Zeug irgendwo gemessen haben ...

LG Claudia

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Beitrag von Claudia Hinz » 20. Jan 2012, 13:20

Hallo,

also den Messungen vom Hohenpeißenberg zufolge sieht es so aus, als handele sich weiterhin um Nabru-Aerosole. Durch die momentan tiefen Stratosphären-Temperaturen kondensiert mehr Wasserdampf in Schwefelsäuretröpfchen, die dadurch größer werden und mehr streuen. Es ist also sozusagen eine Vorstufe von H2SO4-PSC, die Schicht ist schon optisch wirksam, aber es ist noch nicht kalt genug, um die Kristalle groß genug für sichtbare PSC werden zu lassen.

Wenn man das ganze jetzt gedanklich weiterspinnt und Vulkanaerosole dazu führen, daß auch bei tieferen Temperaturen Schwefelsäurein Form von Eiskristallen konserviert wird, dann ist der ozonfressende Katalysatoreffekt im Frühjahr mit der ersten Sonneneinstrahlung noch größer. Also zerstören Vulkanausbrüche unsere Ozonschicht? Ich dachte immer, das sind ausschließlich wir, so wie auch ausschließlich wir unser Klima veändern ...???

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Manfred Laudahn
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Beitrag von Manfred Laudahn » 20. Jan 2012, 14:25

Was ist Nabru?
Bei Google finde ich nichts, was zum Thema passt.

Grüße
Manfred

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Claudia Hinz
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Beitrag von Claudia Hinz » 20. Jan 2012, 14:34


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Beitrag von wolfgang hamburg » 20. Jan 2012, 15:14

Moin Manfred,

siehe hier http://www.volcano.si.edu/world/volcano ... age=weekly
er wird auch Nabro genannt.

Grüße wolfgang

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Ätna?

Beitrag von AnjaHoff » 20. Jan 2012, 17:19

Hallo an alle,

ich habe mich beim Lesen des Beitrages gefragt ob nicht auch ein Vulkan in unserer Nähe damit zu tun haben kann?
Der Etna auf Sizilien ist in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar ausgebrochen und hat eine lt. Pressemeldungen ca. 5km hohe Rauchsäule produziert.

http://www.youtube.com/watch?v=3bhblWZM ... re=related

Oder passt das nicht von Höhe/Wetterlage etc?

LG
Anja

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StefanK
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Ätna

Beitrag von StefanK » 20. Jan 2012, 18:54

Hallo Anja,

Purpurlicht entsteht durch Lichtstreuung bzw. Reflektion in sehr hohen Luftschichten, entweder in der Stratosphäre oder (in den Tropen) in der Troposphäre, welche dort bis in etwa 17 km Höhe reichen kann. Die verursachenden Aerosolschichten sind so dünn, dass sie - ähnlich wie NLC - erst sichtbar werden, wenn die Sonne am Erdboden bereits einige Zeit untergegangen ist. Ín unseren Breiten wird Purpurlicht zumeist durch vulkanische Aerosole in der Stratosphäre verursacht, in sehr seltenen Fällen (und nur in den Wintermonaten) auch durch Polare Stratosphärische Wolken.
Während letztere sich bei extrem niedrigen Temeperaturen durch Auskodensation dort oben bilden, können vulkanische Aerosole nur dorthin gelangen, wenn die Auswurfssäule des Vulkans entsprechend hoch reicht - wie zuletzt beim Nabro.
Wenn der Ätna etwa 5km hoch "gespuckt" hat, dann verbleiben die Auswurfsprodukte in der Troposphäre. Wie lange sie sich da halten, hängt vom Wettergeschehen ab, z.B. werden sie durch Regen ausgewaschen. Sie können aber auch wie 2010 beim Eyjafjallajökull einige Tage unterwegs sein. Damals gab es aber eben keine farbenprächtigen, sondern ausgesprochen fahle Dämmerungen, weil die in etwa 5 km Höhe treibenden Aschewolken sich wie ein Vorhang vor den Dämmerungshimmel legten. Ähnliches ist oft zu beobachten, wenn Saharastaub zu uns geweht wird.
Aber es gibt auch hier Ausnahmen: ich erinnere mich an einen Fall (ich meine es war November 2009 oder November 2010), als deutliches Purpurlicht auftrat, während auf dem Hohen Peißenberg Saharastaub knapp unter der Tropopause gemessen wurde. Prinzipiell kommen übrigens auch sehr hohe, subvisuelle Zirren (vor allem in den Tropen) als Verursacher von Purpurlicht in Frage.
Dass immer noch Nabro-Aerosole vagabundieren, überrascht mich nicht allzu sehr. Nach den vergleichbaren Eruptionen des Kasatochi (Sommer 2008) und des Sarychev (Sommer 2009) konnten jeweils bis in den Spätwinter des folgenden Jahres stärkere Purpurlichter beobachtet werden. Vielleicht spielte da jeweils - wie von Claudia angedeutet - verstärkte Kondensation auf Grund der gerade im Januar und Februar niedrigen (nicht selten bis -70°) Temperaturen in der unteren Stratosphäre (etwa 30 hpa-Niveau) eine Rolle.

Mir scheint generell die Genese insbesondere von "normalem" Purpurlicht nicht bis ins Letzte verstanden zu sein.

Viele Grüße aus Bonn,

Stefan
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Beitrag von Manfred Laudahn » 20. Jan 2012, 20:53

Danke, den Nabro findet auch Google.
Vulkan in Eritrea also. Dessen Ausbruch 2011 war mir entgangen.

Grüße
Manfred

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Beitrag von AnjaHoff » 21. Jan 2012, 15:40

Hallo Stefan,
Danke für Deine ausführliche Antwort. Eine gute Beschreibung!
Grüße zurück aus der Nachbarschaft,
Anja

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Beitrag von Claudia Hinz » 21. Jan 2012, 19:02

Liebe Anja,

das Purpurlicht entsteht größtenteils nicht an der Asche eines Vulkans, die ist größtenteils zu schwer und sinkt auch ohne Regen allmählich ab (Sedimentation). Es sind die Gase (z.B. Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Salzsäure oder Ammoniak) die für Purpurlichter interessant sind, weil diese und die daraus entstehenden chemischen Verbindungen sich sehr lange in der Stratosphäre halten können. Diese müssen mind. 10, noch besser 12km hoch geschleudert werden, damit sie nicht ausgewaschen werden. Es gibt leider nur wenige Vulkanausbrüche, wo die ausgetretenen Gase bestimmt werden, aber bei den meisten Eruptionen ist auch mit Gasen zu rechnen. Bei Eyjafjallajökull waren aber wohl keine dabei, denn da ist während der Süddrift alles abgesunken und es gab keine Purpurlichter. Im Norden war das Zeuch noch etwas über 10km hoch, im Süden nur noch 5. Man konnte es auch an den Erscheinungen sehen, im Norden waren die Partikel im Cirrenniveau und sorgte dort für Halos an sog. Non-Visible-Cirrus Clouds, im Süden war "nur" noch der Ring von Bishop zu sehen.

Insofern würde es bei einer starken Südströmung die Asche des Ätna vielleicht zu uns schaffen, aber nur die Sonne trüben und hätte keinen Einfluß auf die "stratosphärische" Dämmerung.

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