Neue Laborexperimente

Forum für Halo-Erscheinungen, Regenbögen, Blitze und alle anderen Lichterscheinungen, die neben Polarlichtern in der Erdatmosphäre auftreten.
Antworten
Alexander Haußmann
Beiträge: 1150
Registriert: 6. Mär 2006, 13:39
Wohnort: Hörlitz / Dresden

Neue Laborexperimente

Beitrag von Alexander Haußmann » 8. Sep 2008, 12:14

Hallo allerseits,

da ich mich ja berufsbedingt mehr in abgedunkelten Räumen als draußen aufhalte, ist es nicht verwunderlich, daß ich mir die Regenbögen und Halos nach drinnen holen möchte :)
Über den Glasperlenbogen auf dem Labortisch habe ich ja schon in meinem Beitrag vom 30.06. berichtet. Inzwischen hab ich dazu noch einige Ergänzungen:

Ich hatte ja im früheren Beitrag schon erwähnt, daß der Nebenbogen nur schwach zu sehen ist, und man schon in etwa wissen muß, wo er auftaucht um überhaupt eine Chance zu haben. Trotzdem habe ich jetzt mal beide Bögen auf ein Bild bekommen:

Bild

Zur Erinnerung: Der Ablenkwinkel (bzgl. Lichtquellengegenpunkt) beträgt 21,5° für den Hauptbogen und 89,5° für den Nebenbogen, im Gegensatz zu den in Wasser üblichen 42° und 51°. Im Bild ist der Hauptbogen das nach oben geöffnete Segment oberhalb der Bildmitte, der Nebenbogen ist im unteren Bildteil schwach sichtbar und nach unten geöffnet.

Immer wieder verblüffend ist der räumliche Eindruck des (Haupt)glasperlenbogens, wenn man beidäugig dirket von oben auf die Lampe schaut. Er scheint dann nämlich zwischen Lampe und Beobachter zu schweben, obwohl die Glasperlen ja unterhalb der Lampe liegen. Schon lange wollte ich mal die Stereofotografie ausprobieren, mein erster Versuch sieht folgendermaßen aus:

Bild

Im Abstand von ca. 50 cm zum Bildschirm (17", 1024x768) funktionierts (bei mir) recht gut. Erst hinterher fiel mir auf, daß man ja doch einiges zu beachten hat. So lohnt es sich z.B. ja nicht, das Bild größer darzustellen, weil der Augenabstand üblicherweise ca. 65 mm beträgt. Für die korrekte Perspektive müßte man auch viel näher an den Bildschirm rangehen (die Bilder wurden mit f=28 mm auf Kleinbild aufgenommen, die Bildhöhe entspricht ca. 22 mm auf den Negativen). Aber für einen ersten Versuch bin ich schon in soweit zufrieden, als man überhaupt einen räumlichen Effekt sieht.

In einer Veröffentlichung (L. Gislén und J.O. Mattsson: Tabletop divergent-light halos, Physics education 42, 579 (2007)) habe ich einige Rezepte für künstliche Halos gefunden, die Grundidee dieser Experimente geht bis auf Brewster und Cornu im 19. Jahrhundert zurück. Man löst Salz (ich habe Natriumnitrat - E 251 - benutzt) in Wasser, bis man eine gesättigte Lösung hat. Unter Zugabe von etwas Ethanol erhält man einen Niederschlag aus kleinen und optisch hochwertigen Kristallen in zufälliger Orientierung, und damit Halos. Ursprünglich wurde für den Versuch eine größere Küvette benutzt und das Licht horizontal durchgestrahlt. Sowas hatte ich leider nicht parat und daher kam eine offene Schale zur Anwendung. Das Licht muß nun natürlich vertikal durchgestrahlt werden. Durch Variation der Höhe können verschiedene Schnitte durch die Minnaert-Zigarre realisiert werden. Die Ablenkwinkel unterscheiden sich natürlich wegen des anderen Brechungsindex und der anderen Form der Kristalle von denjenigen in Eis. Außerdem spielt auch die umgebende Flüssigkeit mit ihrem Brechungsindex eine Rolle. Trotzdem sinds ganz hübsche Ringe geworden (der helle Kreis ist der Rand der Schale):

Bild

Viele Grüße,
Alex

Benutzeravatar
Christian Fenn
Moderator
Beiträge: 842
Registriert: 20. Jan 2004, 21:21
Wohnort: Hammelburg, Unterfranken in Bayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Christian Fenn » 16. Sep 2008, 19:11

Hallo Alex, vielleicht weiß man gar nicht so recht, was man auf Deinen Artikel hin schreiben soll. Meine einzige Erklärung, warum niemand antwortet. Jedenfalls blicke ich ganz neidisch auf Deine Experimente, denn ganz heimlich würde ich sie ja gerne mit gemacht haben.

Da sich so langsam der Winter einschleicht hoffe ich natürlich auf baldige Versuche im freien Feld.

Die Idee mit der Stereofotografie finde ich sehr spannend. Obwohl ich glaube, dass es sich bei dem von Dir beschriebenen Effekt um eine optische Täusch handelt (muss es ja), sollten wir die Idee mal bei Halos im divergierenden Licht einsetzen. Allerdings müßten dann vermutlich zwei Kameras synchron arbeiten.

Lassen wir mal den Winter auf uns zukommen.

Alexander Haußmann
Beiträge: 1150
Registriert: 6. Mär 2006, 13:39
Wohnort: Hörlitz / Dresden

Beitrag von Alexander Haußmann » 22. Sep 2008, 20:40

Hallo Christian,

danke für Deine Antwort. Wahrscheinlich ist das Thema doch im Vergleich zu den anderen Beiträgen etwas abstrakt und technisch. Leider hat meine Beobachtungsquote "echter" Erscheinungen in der freien Natur mit den Jahren ziemlich abgenommen - es fallen vor allem die Zufallsbeobachtungen weg, die man eben macht, wenn man viel draußen ist. Inzwischen bin ich überzeugt, daß die Gewohnheitsraucher unter den "Drinnen"menschen die erfolgreichsten Himmelsbeobachter sind, weil sie - angetrieben durch die innere Nikotin-Uhr - regelmäßig Stichproben vor der Tür sammeln können. Aber ist es das wert, zum Gewohnheitsraucher zu werden?

Die Experimente sind für mich aber auch deswegen wichtig, weil sie viel zum Verständnis der Erscheinungen beitragen, und ähnlich wie Rechnungen und Simulationen nicht auf die "launische" Natur angewiesen sind. Es reicht mir eben nicht, ein Phänomen gesehen oder fotografiert zu haben - ich will auch mehr darüber wissen und der Sache auf den Grund gehen. Gerade am Beispiel der Schneedeckenhalos hat sich mir das vor einigen Jahren gezeigt, was auch mit der Grund dafür war, mich für eine wissenschaftliche Laufbahn zu entscheiden. Und inzwischen ermöglicht mir diese Entscheidung eben auch, auf unkomlipzierte Weise an Glasperlen oder Chemikalien zu kommen, um im Labor die Naturerscheinungen nachzustellen. Robert Greenler hat in seinem Buch aus den 80ern die Frage aufgeworfen, ob die theoretische Erklärung oder Berechnung den atmosphärischen Erscheinungen ihre Poesie nimmt, und kam zumindest für sich zu dem Schluß, daß es nicht so ist. Dem kann ich mich nur anschließen.

Die "hohe Kunst" der Stereofotgrafie ist natürlich das synchrone Aufnehmen der Bilder, was zwei gleiche Kameras voraussetzt. Bei beweglichen Objekten wie fallenden Eiskristallen mit ihrem Glitzern ist das wohl auch die einzige Chance. Bis jetzt hat mich der Aufwand abgeschreckt (da ich nach wie vor auf Film knipse und damit sowieso immer im Zeitverzug bin, wird es mit zwei Filmen nur noch schlimmer - es sei denn ich würde es wirklich mal konsequent auf "Durchsatz" ankommen lassen). Hoffentlich gibts diesmal endlich wieder eine ernstzunehmende Wintersaison, meine letzte Eisnebel-Halobeobachtung war im Januar 2006.

Viele Grüße,
Alex.

WSteinhoefer
Beiträge: 39
Registriert: 11. Aug 2004, 13:43
Wohnort: Oerlinghausen
Kontaktdaten:

Beitrag von WSteinhoefer » 24. Sep 2008, 08:23

Hi Alex,

deine Stereobilder funktionieren für meinen Monitor und meine Augen 1a. Der Halobogen "schwebt" tatsächlich. Super Beispiel, danke!

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste