Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

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Laura Kranich
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Laura Kranich » 17. Jan 2022, 20:34

Moin!
Habe mal was ähnliches aus Meteosat-Daten gemacht: Video (144 MB)

Verwendet wurde hier der 6,2-Mikrometer-Wasserdampf-Kanal. Wenn diese Ergebnis nicht beeindruckend ist... :lol:
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

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Michael Theusner
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Michael Theusner » 17. Jan 2022, 21:03

Danke Laura, das sieht klasse aus! Mit welchem Filter hast du die Satellitenbilder bearbeitet?

Viele Grüße,
Michael

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Elmar Schmidt
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Elmar Schmidt » 17. Jan 2022, 22:57

@Bertram: Lauras Video zeigt (in quadratischer Verzerrung der Wellenfronten; nicht daß ich meckern wollte) wohl das Durchlaufen des antipodischen Punkts. Die Frage bleibt, ob es da eine Verstärkung gab. Theoretisch wohl ja, und dann erst das "Donnergrollen" mitten in der Wüste...

@Michael: Christian in Bad Dürkheim hat das 51-stündige "Echo" auch wieder am Luftdruck gesehen.

@Alex: genau, ich dachte auch von der Signalform her an Gravitationswellen. Unser zu früh verstorbener Kollege Frank Killich hatte ja glaube einige Meßgeräte (Barometer, Mikrofone, Seismometer?) in Betrieb und damit auch einige weit entfernte Signale eingefangen.

Die Stärke der Tonga-Explosion wird mit VEI 5-6 abgeschätzt, stärker als die des St. Helens 1980 mit VEI 5. Der Ausbruch des Pinatubo 1991 war mit VEI 6 hingegen stärker (wie auch der des Krakatau 1883 trotz der ungleich zahlreicheren Opfer).

Nun muß man abwarten, ob es Dämmerungsanomalien vom Tonga-Vulkan gibt, und ob sich das bei NLCs äußert.

PS: in historischer Zeit gilt die Explosion des Tambora am 5. April 1815 mit VEI 7 als stärkstes Event. Ihm folgte das "Jahr ohne Sommer" (1816) mit Ernteausfall und Hungersnöten. Die Explosion des Toba, auch in Indonesien und vor 74 Tsd. Jahren, soll noch stärker gewesen sein (VEI 8 ). Die Annahme, daß damals die Frühmenschheit beinahe ausgestorben wäre, gilt inzwischen als umstritten: https://de.wikipedia.org/wiki/Toba-Katastrophentheorie

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Claudia Hinz
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Claudia Hinz » 18. Jan 2022, 12:55

Lieber Bertram,

habe eine Messung aus Bordj Omar Driss, Illizi Province, Algerien (28° 8′ 47″ N, 6° 49′ 32″ E) gefunden, wo 4 Peaks gemessen wurden. Diese Station kommt dem antipodischen Punkt zumindest recht nahe.
0313082c-8089-4a6e-bdd1-1496c29f2f7b.jpg
LG CLaudia

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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Michael Theusner » 18. Jan 2022, 23:06

Guten Abend,

heute kam es - wie vorausberechnet - zur dritten Passage der Druckwelle. Zwischen 17 und 20 UTC rauschten aus Nordnordwest 3-4 Wellenzüge über Deutschland hinweg. Von denen waren die Wellen von 18:10 und 18:50 die prägnantesten. Die Amplitude betrug noch etwa 0,2 hPa.
Direkt im Anschluss, ab 20:20 UTC, kam noch eine kräftigere Welle aus Ostnordost durch (0,3 bis 0,4 hPa).
Nächster Termin wäre also wieder in ca. 36 Stunden :)
Hier ist eine Kollage zum Anschauen:
Bild

Es bleibt also spannend.

Michael

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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Christoph Gerber » 22. Jan 2022, 12:11

Hallo Claudia,

hier die Druckwelle(n) in Tamanrasset, Algerien (aus twitter).

und noch zwei schöne Animationen:
Simuation der Ausbreitung
Ausbreitung über dem Pazifik (sehr beeindruckend!)
und gleich noch eine Frage zum letzten Link: hier fällt mir auf, dass etwa mittig zwischen Tonga und Meridian eine weitere "Eruption" deutlich zu erkennen ist, die sich zum Explosions-Zeitpunkt des Tonga-Vulkanes bereits ausdehnte. Was war denn das?

Gruß Christoph

EDIT: Hier noch ein Einzelbild aus der Animation dazu:
Zweites Bild der Animation
Zweites Bild der Animation

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Laura Kranich
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Laura Kranich » 23. Jan 2022, 19:42

Moin!

Ich habe die ganze Woche nebenbei daran gearbeitet, ein längeres Video der Druckwellen in Satellitenaufnahmen zu machen und sie über wenigstens vier Tage in den Satellitendaten sichtbar machen können. Da es über die öffentlichen Portale schon eine recht mühsame Angelegenheit ist, die Daten herunterzuladen, habe ich jetzt nicht ganz so viel realisiert wie ich ursprünglich wollte, aber das Ziel, sie bis zur dritten Umrundung (je nach Definition) nachzuweisen ist jedenfalls erreicht und ich finde es total interessant, das direkt mit Modelldaten - siehe Christophs Beitrag, danke dafür! - vergleichen zu können.
Mir scheint, die zunehmende Verzerrung der Wellenfronten dürfte hauptsächlich an den unterschiedlichen Temperaturen an den Polen und in den Tropenregionen liegen und sie ist gleichermaßen gut im Modell und in der Realität beobachtbar.

Hier das Video:
https://www.youtube.com/watch?v=duRMekmc9o8

Wegen der ziemlichen Kompression, die interessanterweise zur Darstellung von Farben führt, wo im Original gar keine sind, empfiehlt es sich, das Video in 4k-Auflösung anzuschauen und bei größeren Bildschirmen nicht bildschirmfüllend zu betrachten.

Christoph Gerber hat geschrieben: 22. Jan 2022, 12:11 gleich noch eine Frage zum letzten Link: hier fällt mir auf, dass etwa mittig zwischen Tonga und Meridian eine weitere "Eruption" deutlich zu erkennen ist, die sich zum Explosions-Zeitpunkt des Tonga-Vulkanes bereits ausdehnte. Was war denn das?
Das dürfte ein ziemlich heftiges Gewitter bei den Cook-Inseln gewesen sein. Auch in den Meteosat-Bildern sieht man in den Tropen einige große Gewitter, die ordentliche Schwerewellen in die Umgebung aussenden.
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

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Michael Theusner
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Michael Theusner » 23. Jan 2022, 23:10

Danke Laura, sieht sehr gut aus das Video!

Ich habe inzwischen nochmal die Luftdruckmesswerte analysiert. In denen lassen sich auf jeden Fall noch die Umrundungen 4 und 5 nachweisen. Natürlich zu den ungefähr vorausberechneten Zeitpunkten:

4. Umlauf am 20.1.2022:
Wellenfronten ab 5:50 UTC von Nord nach Süd durchlaufend.
Ab 8:10 UTC von Nordost nach Südwest.
Ab 11:30 UTC von Süd nach Nord.

5. Umlauf am 21.1.2022:
Wellenfronten ab 17:50 UTC von Nord nach Süd.
Ab 19:30 UTC von Südost nach Nordwest.

Zuletzt sind das aber nur noch Amplituden von 0,1 bis 0,2 hPa.

Ein 6. Umlauf am Morgen des 23.1. ließ sich nicht mehr eindeutig feststellen. Trotzdem finde ich es beeindruckend, dass sich die Druckwellen über 6 Tage mit einfachen Mitteln in der Gesamtschau der Luftdruckmessungen der Wetterstationen nachweisen lassen.

Viele Grüße
Michael

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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Michael Theusner » 24. Jan 2022, 09:33

Guten Morgen,

der Schirm der in Lauras Video sichtbaren Euptionswolke hat sich wohl in 35 km Höhe ausgebreitet. Der zentrale Teil ging sogar bis in 55 km Höhe, bis an die Stratopause. Das ist wirklich außergewöhnlich und wohl Rekord für die bislang dokumentierten Eruptionen. Siehe hier: https://www.spektrum.de/news/naturkatas ... en/1973755

Michael

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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Simon Herbst » 24. Jan 2022, 21:08

Michael Theusner hat geschrieben: 24. Jan 2022, 09:33 Der zentrale Teil ging sogar bis in 55 km Höhe, bis an die Stratopause.
Dabei soll es sich ja hauptsächlich um Wasserdampf handeln. Lässt sich die Ausbreitung dieser Partikel denn weiterverfolgen? Es steht der Verdacht im Raum, dass die Partikel durch Zirkulation in noch weitaus höhere Schichten gelangt sein könnten und maßgeblich an der merkwürdigen Zunahme der NLC-Aktivität auf der Südhalbkugel in den letzten Tagen beteiligt waren. Die Idee ist nicht von mir. Ich habe nur mal zugehört, wenn weitaus klügere Menschen als ich ihren Gedanken freien Lauf lassen... :wink:

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Laura Kranich
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Laura Kranich » 26. Jan 2022, 00:10

Die stratosphärische Aschewolke lässt sich mit geostationären Produkten gut verfolgen, z.B. dem Eumetsat-Aschekomposit, da sieht man die Wolke derzeit als grünlichen Streifen etwa von Südafrika bis Brasilien auf dem Weg nach Westen. Findet sich z.B. auf Eumetview.
Bei den NLCs hätte ich schon gewisse Zweifel, komplett ausschließen würde ich es aber auch nicht, die Stratopausenhöhe kann ja erheblichen Variationen unterliegen (obwohl nach meinem Verständnis eher in der Winterhemisphäre), und sobald etwas in die Mesosphäre eindringt, ist der Weg bis zur Mesopause schichtungstechnisch ja nicht mehr allzu weit, würde ich meinen. Die Nachverfolgung bzw. der Nachweis dürfte da aber nur noch mit speziellen Instrumenten möglich sein, wie z.B. Microwave Limb Sounder und das ist nur was für Spezialisten.

Ich habe ja immer noch die Theorie, dass auch die zunehmende Raumfahrt zu mehr NLCs führen müsste, weil da oben ja schon Änderungen von einigen Dutzend ppb ausreichen und die Mesosphäre eh nur noch extrem wenig Massenanteil an der ganzen Atmosphäre hat, aber ich gebe zu, dass man das vielleicht nochmal etwas genauer durchrechnen müsste als ich es bisher habe.

Solche Aussagen wie "der Hunga Tonga hat NLCs verursacht" würde ich jedenfalls erstmal mit großer Vorsicht genießen. Nur weil ein kleiner Teil der Eruptionssäule mal kurz den Hals sehr weit ausgestreckt hat, - und wir reden hier wohl von 10-20 Minuten! - und alles andere als sicher ist, dass es überhaupt über die Stratopause hinaus ging, muss man nicht gleich von Vulkan-NLCs reden. Was wird denn der gute alte Krakatau da von uns denken? :lol:

Angesichts des Ausmaßes der Druckwelle, die wahrscheinlich ja auch für die deutlich überschnellen Tsunamis (verglichen mit der aufgrund der Meerestiefe zu erwartenden Geschwindigkeit) in Australien, Amerika und sogar im Atlantik verantwortlich ist, würde ich zumindest meinen, dass die Schätzung von 5 Mt TNT-Äquivalent für die Eruption wohl noch eine sehr konservative Schätzung ist. Aber auch da muss man sicher noch ein bisschen abwarten, was die gründliche Wissenschaft, die meistens doch ihre Zeit braucht, alles an Erkenntnissen dazugewinnt..
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

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Christoph Gerber
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Re: Druckwelle der Eruption des Tonga-Vulkans in Deutschland messbar

Beitrag von Christoph Gerber » 27. Jan 2022, 19:44

Hallo Laura,
Das dürfte ein ziemlich heftiges Gewitter bei den Cook-Inseln gewesen sein. Auch in den Meteosat-Bildern sieht man in den Tropen einige große Gewitter, die ordentliche Schwerewellen in die Umgebung aussenden.
Das sieht man sehr schön am Ende dieses videos. Hier ein Standbild:
Screenshot3_2022-01-27 The Hunga Tonga-Hunga Ha’apai Eruption, a Multi-Hazard Event#.png
Dieses "Gewitter" hat sich sehr schnell entwickelt. Noch vor Sonnenuntergang hob sich diese Zelle noch nicht aus dem Wolkenband hervor und scheint sich dann äußerst schnell und heftig entwickelt zu haben...

Und der Vollständigkeit halber noch diese schöne Animation der Lamb-Druckwelle (allerdings idealisiert, tatsächlich wurde sie durch Topographie und Klimazonen verzerrt).

Christoph

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