Dämmerungshelligkeit (Messungen)

Forum für Halo-Erscheinungen, Regenbögen, Blitze und alle anderen Lichterscheinungen, die neben Polarlichtern in der Erdatmosphäre auftreten.
Antworten
Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Dämmerungshelligkeit (Messungen)

Beitrag von Elmar Schmidt » 27. Mär 2020, 16:45

Hallo Freunde,

die Coronakrise bringt einen auf Ideen. So habe ich heute morgen vom Balkon mal die Dämmerung gemessen. Es war nicht ganz so perfekt wie an den beiden vorausgegangenen Tagen (als ich sie nur "filmte"), aber noch gut genug, jedenfalls wolkenlos. Im folgenden Bild seht Ihr, wie fein sie mein MoFi-Photometer messen kann. Durch die nautische Dämmerung bis zum Sonnenaufgang werden 5 Größenordungen (Faktor 100 Tsd.) durchschritten. Die gesamte Dynamik der Meßpunkte betrug sogar fast 500 Tsd. (Der erste Meßpunkt liegt bei 0,009 cd/m^2; die astronomische Dämmerung ist dem Gerät, das nur bis 0,001 cd/m^2 mißt, daher nicht mehr zugänglich.)

Bild

Beachtet bitte, daß das nur eine punktuelle Abtastung etwa 10 Grad über dem Horizont war, wobei ich den angestrebten Sonnenaufgangsazimut von 85 Grad etwas verfehlt habe. An dieser Meßstelle hat sich die Helligkeit (genauer die Leuchtdichte) alle 2,4 Grad Sonnenanstieg um den Faktor 10 erhöht, bzw. etwa alle 4,3 Minuten verdoppelt. Die Abweichungen von der (exponentiellen) Fitlinie in der sog. Helldämmerung (zw. -2 und +2 Grad Sonnenhöhe) sind real, ich kann sie aber keiner eindeutigen Ursache zuordnen. Purpurlicht tritt nach Minnaert bei -4,5 Grad maximal auf, also etwas zu früh, um die Aufhellung bei -2 bis -3 Grad zu erklären. (Es war heute hier auch visuell unmerklich.) Er erwähnt (auf S. 274 der engl. Taschenbuchausgabe; diese Seite finde ich aber nicht frei zugänglich) aber noch sog. "horizontal stripes" als Aufhellungsquelle in dem Bereich. Was die aktuellen Staubschlieren angeht, habe ich heute früh hier jedenfalls keine bemerkt.

Die Leuchtdichte in cd/m^2 [=Lumen pro (Quadratmeter*Steradian)] nur einer Stelle am Himmel ist natürlich nicht identisch mit der (integrierten) Beleuchtungsstärke in lx (= Lumen pro Quadratmeter] von allen Teilen des Himmels, obwohl die in etwa auch so verläuft. Interessehalber füge ich Euch dazu aus vielen verschiedenen Quellen (darunter auch Messungen) zusammen "komponierte" Verlaufskurven aus meinem Dämmerungsvortrag von vor zehn Jahren bei:

Bild

Wer von Euch ein empfindliches Luxmeter hat, kann das ja mal nachzumessen versuchen. Das Gerät sollte dabei ohne seitliche Obstruktion des Himmels durch Gebäude oder Vegetation zum Zenit zeigen und müßte idealerweise den Bereich von 0,01 bis 100.000 lx abdecken, was auf Billiggeräte kaum zutreffen wird, fürchte ich.

Alles Gute für Euch

Elmar

Nachtrag: ich bin übrigens noch auf eine Kuriosität gestoßen, indem ich "entdeckte", daß mein Planetariumsprogram beim Aufgang von Objekten die Höhen sprunghaft erhöht, wodurch die vier letzten Werte auf der horizontalen Achse ursprünglich nach rechts rutschten. Der Grund ist, daß erst dann die Refraktion hinzu addiert wird, was mir der Programmierer bestätigte. Tatsächlich tritt nun aber auch schon unter dem Horizont Refraktion auf, auch wenn diese nur bei den hellsten Objekten zum Tragen kommt (bei der Sonne kann das im sog. Nowaja Semlja - Effekt sogar extrem werden). Da die horizontnahe Refraktion beliebig kompliziert ist, z.B. temperaturschichtungsabhängig (und eben unter dem Horizont im Programm fehlt), habe ich für ein Diagrammupdate die letzten vier Punkte wieder um die Standard-Refraktionshebung verkleinert. Die Helligkeit ist nun also über den unrefraktierten Höhen aufgetragen, da nur somit eine in sich gleichmäßige Skala gegeben ist. Natürlich werden reale Dämmerungen nicht unbeeinflußt von der tatsächlichen Refraktion sein. Sie würden sich in so einer Auftragung dann nahe des Sonnenauf- oder -untergangs in der Helligkeit unterscheiden.
Zuletzt geändert von Elmar Schmidt am 1. Apr 2020, 13:52, insgesamt 5-mal geändert.

Alexander Haußmann
Beiträge: 1129
Registriert: 6. Mär 2006, 13:39
Wohnort: Hörlitz / Dresden

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Alexander Haußmann » 27. Mär 2020, 19:34

Hallo Elmar,

interessante Messungen, nützlich auch für die Dämmerungs-Mondhalos. Ich hab hier einen "billigen" Helligkeitssensor im Dauereinsatz (zur Sonnenscheindauermessung). Die Messungen in der Dämmerung geben aber nicht viel her, bei ca. 100 lux ist da schon Schluß (ausgegeben wird ein lineares Analogsignal zwischen 10 V [soll 100 klux sein] und ca. 10 mV). Außerdem wird das arithmetische Mittel über 5 min aufgezeichnet, was wegen des nichtlinearen Verlaufs in der Dämmerung systematische Fehler einbringt. Ich habe auch einen Fotowiderstand in einem selbstgebauten Diffusor in Beutzung, aber die Kalibrierung ist mehr oder weniger geraten - dafür gibts aber auch kein Abschneiden an der Obergrenze und die Empfindlichkeit reicht für Vollmond und Silvesterfeuerwerk. Wenn nicht wieder das Kabel ("Leichtes Feldkabel" der NVA) im Laufe der Jahre spröde wird und es Nebenschluss durch Nässe gibt...

Viele Grüße,
Alex

Speul
Beiträge: 87
Registriert: 28. Sep 2019, 12:12

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Speul » 27. Mär 2020, 20:45

Hallo,
das Thema trifft sich gut, da ich gerade gestern Messungen der Himmelshintergrundhelligkeit gemacht habe. Als Gerät diente das Sky Quality Meter
Dargestellt ist die Leuchtdichte in Millicandela je Quadratmeter gegen die Zeit, Sonnenhöhen müßtet ihr Euch selbst berechnen. Mein Ziel war ein anderes.
Oben alle Messungen, unten ohne die ersten zwei so das der Verlauf besser erkennbar wird.
Grüße
Ulrich
Screenshot (35) [1024x768].jpg

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Elmar Schmidt » 27. Mär 2020, 21:30

Hallo Speul,*

ohne den Meßort kann ich keine genauen Sonnenhöhen berechnen. Für (angenommen) Frankfurt fielen Deine Messungen auf Sonnentiefen zwischen - 14 und -28 Grad, also in und nach der astronomischen Dämmerung.

Deine ca.1,1*10E-3 cd/m^2 anfangs stimmen insoweit mit meiner extrapolierten Kurve überein, wobei man bedenken muß, daß Du wohl zum Zenit geschaut hast und das SQM einen viel größeren Raumwinkel erfaßt.

Am Ende der astronomischen Dämmerung (20:40 in Frankfurt) sollte davon nur noch ein Fünftel vorliegen. Daß es bei Dir ein Drittel ist und auch später nur auf ein Viertel fällt, dürfte auf Lichtverschmutzung zurückzuführen sein. Dennoch war es für hiesige Verhältnisse schon recht dunkel bei Dir; die letzten Tage waren ja auch wettermäßig klasse.

Wie weit kannst Du denn in die andere Richtung messen mit dem Gerät, also zu helleren Werten?

Gruß, Elmar


*es ist hier eigentlich üblich, sich mit Vor- und Nachnamen anzumelden...

Speul
Beiträge: 87
Registriert: 28. Sep 2019, 12:12

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Speul » 28. Mär 2020, 08:06

Hallo,
da doch Interesse zu bestehen scheint noch einige ergänzende Infos zu meinen Messungen.
Beobachtungsort ist Salzwedel, 52.83°N 11.18° E, Datum 26.03.2020, Zeit in MEZ
Meßwinkel habe ich noch nicht genau bestimmt, dürfte so bei 30-40° liegen, Zentrum der Messung Zenitdistanz 15° Az Ostsüdost.
Jeweils Mittel aus 3 Messungen
Lichtverschmutzung besonders auch durch Venus, die bis zu Zenit einen meßbaren Abfall der Grenzhelligkeit = Anstieg der Hintergrundhelligkeit bewirkt.
Messungen kann ich damit auch am Tag machen, habe gerade im Zimmer gemessen:
27,13cd/m²
Aus dem Fenster in Richtung 45° Az-Abstand zur Sonne kommt dann die Fehlermeldung

Grüße
Ulrich, der im AKM seit 35 Jahren unter dem Namen SPEUL bekannt ist ;)

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Elmar Schmidt » 28. Mär 2020, 09:10

Hallo Ulrich,

ja, bei Salzwedel wußte ich daß Du es bist.* Danke für die Zusatzinfos (womit die Sonnenhöhen dann zwischen -12 und -26 Grad lagen), aber so ganz vergleichbar sind die Messungen dann eher nicht. Für meine Messung zeigte das Gerät halt zum Dämmerungshimmel, da mich der interessierte. (Im Zenit kann ich sicher am Beginn der nautischen Dämmerung sicher noch keine Daten nehmen.)

Hier ein Datenblatt, wesentlich zum Anschluß an die Basiseinheit Candela ist die Vlambda-Filterung (hat den das SQM?).

https://sensing.konicaminolta.us/produc ... nce-meter/

Interessant sind die SQM gewiß für nautische und astronomische Dämmerungen; da könntest bei Gelegenheit mal eine Serie zum Anschluß an meine machen. (Wenn ich gewußt hätte, daß Du solche Messungen machst, hätten wir uns in Bad Kissingen mal dazu ausgetauscht.)

Nach meinen Unterlagen bzw. Ausarbeitungen entspricht 1 mcd/m^2 etwa 20 mag/(")^2. Und ja, es ist richtig, daß Venus "lichtverschmutzt", denn sie ist ugf. so hell wie alle visuell sichtbaren Sterne am (halben) Himmel!

Ich habe die gestrige Messung heute nochmals wiederholt, und ca. 30 min länger, daher mit einer Dynamik von fast 2,5 Mio. Die stelle ich später noch ein.

Gruß, Elmar


*Klarnamen empfände ich trotzdem angenehmer, Du siehst ja, was passieren kann...

Speul
Beiträge: 87
Registriert: 28. Sep 2019, 12:12

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Speul » 28. Mär 2020, 10:41

Himmel 25.03.2020.jpg
Moin nochmal,
ich habe auch am Abend zuvor, also 25.3. eine Messung gemacht, dabei aber einen größeren Bereich des Himmels. Die Kreise geben Zenitdistanz 15°, 30°, und 45° an, Messungen zwischen 20.18 MEZ und 20.43 MEZ. Deutlich sieht man die Aufhellung der Venus und natürlich die Lichter von Salzwedel. Werte sind wieder Millicandela je m^2, berechnet nach http://www.unihedron.com/projects/darksky/magconv.php?
Wie gesagt, mir ging es nicht um die Dämmerung sondern um die Grenzhelligkeit des Himmels.

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (2. Messung)

Beitrag von Elmar Schmidt » 28. Mär 2020, 20:11

Hallo nochmals,

wie angekündigt, hier eine weitere Dämmerungsleuchtdichte von heute früh, beidseits zeitlich etwas erweitert und deshalb nun mit einem Dynamikhub von 3,5 Mio.! Erstaunlich, daß der fast log-lineare (eigtl. exponentielle) Verlauf von gestern nun S-förmig geworden ist.

Bild

Kann mir nicht vorstellen, daß das an dem 5 Grad höheren Meßpunkt lag. Vielmehr war der Charakter der Dämmerung heute auch visuell ein anderer als gestern. Sie war "langweiliger", also unfarbiger, es herrschte eine größere Luftfeuchte und evtl. spielte auch der Saharastaub eine Rolle.

Das soll's aber hier gewesen sein, höchstens photometriere ich auch noch mal eine abendliche Gegendämmerung mit Erdschatten. Ansonsten werde ich mir gelegentlich die Morgenstunden um die Ohren schlagen und mal was vortragsfähiges auszuarbeiten versuchen. Die noch relativ klare Dämmerung vom 25.3. habe ich leider nicht gemessen.

Beste Grüße

Elmar

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Gegendämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Elmar Schmidt » 30. Mär 2020, 21:04

Hallo zum dritten,

heute war der Himmel nach dem Kälteeinbruch wie geputzt, so daß es sich abends anbot, die Gegendämmerung zu photometrieren, wofür ich den Gegenazimut der untergehenden Sonne anpeilte und die Meßblende auf 5 Grad Höhe stellte, damit sie den Erdschatten nur noch diffus mitbekommen sollte.

Bild

Es stellte sich erneut im logarithmischen Diagramm ein S-förmiger Verlauf ein, allerdings mit etwas geringerem Hub (360 Tsd.) als vor zwei Tagen die Morgendämmerungsleuchtdichte. Der Gegendämmerungshimmel war bei -12 Grad Sonnenhöhe etwa doppelt so hell wie der Dämmerungshimmel für dieselbe Höhe. (Das kann aber auch am -9,5 m hellen Mond am Westhimmel gelegen haben.) Nicht unerwartet war der Gegendämmerungshimmel im Sonnenhöhenbereich um den Unter- bzw. Aufgang aber etwa dreimal dunkler als der Dämmerungshimmel zur gleichen Phase.

Gruß, Elmar

Benutzeravatar
Dennis Hennig
Beiträge: 971
Registriert: 22. Dez 2007, 00:49
Wohnort: Wohnung in Berlin, zu Hause jedoch in der Natur möglichst weit jenseits der großen Stadt

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Dennis Hennig » 31. Mär 2020, 11:41

Hallo Elmar!

Danke für Deine hochinteressanten Messungen! :wow:
Die ermittelten Helligkeitsverläufe auf der Seite der Hauptdämmerung bestätigen mein fotografisch erworbenes Erfahrungswissen ("Bauchgefühl") aus den NLC-Nächten: Ein Grad Unterschied in der geografischen Breite, den NLC ca. ein Grad nach Norden um die Erdkugel entgegenfahren, bringt erfahrungsgemäß um die Mitternachtsdämmerung im Juni eine, vielleicht zwei EV Helligkeitsgewinn am Nordhimmel. Dieser Erfahrungswert bezieht sich darauf, jeweils den Himmel an den hellsten Stellen gut durch zu belichten.

Auf den von Dir angekündigten Vortrag zum Thema freu ich mich schon. :)

Herzlicher Gruß!
Dennis


(1 EV (Exposure Value) = eine Blendenstufe = eine Belichtungszeitstufe = Faktor 2)

Alexander Haußmann
Beiträge: 1129
Registriert: 6. Mär 2006, 13:39
Wohnort: Hörlitz / Dresden

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Alexander Haußmann » 1. Apr 2020, 05:11

Hallo zusammen,

ich hab mir auch mal meine "Schätzeisen"-Messungen von letzter Woche angeschaut. Dabei handelt es sich um einen Fotowiderstand ohne Temperaturkompensation und mit nur grob bekannter Kennlinie in einer Plasteflasche als Diffusor und um einen Helligkeitssensor aus der Gebäudetechnik, der aber wegen des linearen Analogausgangs nur bis 100 lux hinab messen kann.

Also weder habe ich schöne cd/m²-Angaben, noch eine Richtungsauflösung am Himmel. Ich kann nicht mal für die gleichmäßige Wichtung aller Richtungen garantieren. Hauptzweck der Geschichte ist eigentlich die Abschätzung der Sonnenscheindauer für Wetterauswertungen. Daher läuft das Ganze auch automatisch im Dauereinsatz. Messintervall beim Fotowiderstand sind 10 min, beim Helligkeitssensor 5 min (mit arithmetischer Mittelung des linearen Signals über diesen Zeitraum, habe den Wert dennoch einfach der Mitte des Zeitfensters zugeordnet).

Hier die Morgendämmerung vom 25.03.:
200325.png
Hier vom 27.03. - war nicht ganz so klar in meiner Region:
200327.png
Heute war es auch wieder wie aus dem Bilderbuch.

Viele Grüße,
Alex

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (Messung)

Beitrag von Elmar Schmidt » 1. Apr 2020, 11:33

Hallo Alex,

nu, das ist doch gar nicht so übel, auch wenn mir Deine Werte absolut zu hoch vorkommen, wenn ich sie mit der (begründeten) Erwartungskurve meines Vortragsschaubilds vergleiche. Inmitten der nautischen Dämmerung (ich nahm die Sonnentiefe 9 Grad) sind sie etwa 5-mal höher, und in der bürgerlichen Dämmerung ist es ähnlich, vgl. das zweite Rechenbeispiel unten.

Zum oberen Ende des Meßbereichs schlage ich Dir eine Mittagsmessung gegen 13:00 vor. Die müßte dann bei oder über 100 Tsd. Lux liegen (vgl. auch mein erstes Beispiel unten); denn hier kann ich heute mit Sonnenbrille (BITTE NICHT OHNE!) locker blendfrei zur Sonne schauen, wenn ich sie nur mit dem kleinen Finger abdecke. So einen Blauhimmel (Rayleigh-Atmosphäre) gibt es bei uns im Tiefland keine 10 Tage im Jahr.

Die Abweichungen müssen wir noch verstehen; am besten mal mit den Geräten nebeneinander am Himmel bei einem Treffen. Vorab die Fragen: Wohin zeigen Deine Sensoren? Gibt es Abschattungen des Himmelshalbraums oder Zustrahlung von künstlichen Lichtquellen in demselben?

Gruß, Elmar


PS: auf die Gefahr der Verwirrung gebe ich zur Beleuchtungsstärke (in lx=lm/m^2) und Leuchtdichte (in cd/m^2=lm/(sr*m^2) noch ein paar Erläuterungen für nicht lichttechnisch Versierte.

Leuchtdichtemessungen erfordern eine definierte Einschränkung des erfaßten Raumwinkels, der in meinem Gerät nur ein Kreis von 1 Grad Durchmesser ist, das sind
2,4E-4 sr (Steradian); in den SQM-Geräten ist er sehr viel größer. Korrekt kalibrierte Geräte beziehen die Leuchtdichte aber immer auf den Einheitsraumwinkel 1 sr. Die Beleuchtungsstärke ergibt sich i.a. durch Bestrahlung aus dem gesamten Halbraum, das wären zunächst 2pi sr. Jedoch wird wegen des schrägen Einfalls und Lamberts Cosinusgesetz davon nur die Hälfte fällig. M.a.W.: für diffuse Bestrahlung steht der Faktor pi sr zwischen Leuchtdichte und Beleuchtungsstärke.

Erstes Beispiel: die mittlere Leuchtdichte des blauen Taghimmels liegt bei 8000 cd/m^2, so auch in meinem Gerät gerade zu messen. Mit pi malgenommen ergeben sich daraus ca. 25.000 lx an diffuser Beleuchtungsstärke. Ein gegen die Sonne abgeschattetes Luxmeter (das aber keine wesentliche Bebauung oder Vegetation im Halbraum hat) müßte das genau so messen. Die Sonne trägt je nach Höhe dann noch bis zu 100.000 lx (mal Cosinus der Zenitdistanz) an direkter Beleuchtungsstärke auf einem ebenen Sensor bei.

Zweites Beispiel: ich gehe von Alex' Wert von gut 100 lx bei 3 Grad Sonnentiefe aus; meine Vortragsfolie gibt dort aber nur 20 lx an, also wieder ein Unterschied von 5. Durch pi geteilt käme man von Alex' Wert auf eine mittlere Leuchtdichte von gut 30 cd/m^2, die dann folglich auch zu hoch sein müßte.

(Wenn meine Messungen zur Sonnentiefe 3 Grad nicht
20/pi = 7 cd/m^2 sondern sogar ca. 110 cd/m^2 betrugen, steht das nicht im Widerspruch zu der vorigen Aussage, sondern es liegt daran, daß das Gerät bei mir bewußt zum helleren Dämmerungshimmel zeigte, also keinen (cosinusgewichteten) Mittelwert über den gesamten Himmel vornehmen konnte, wie es eine korrekte Beleuchtungsstärkemessung täte.)

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (Messungen)

Beitrag von Elmar Schmidt » 1. Apr 2020, 14:04

Hallo,

ich weiß, es gibt wieder keine schönen Bilder von mir, aber abschließen möchte ich mit einer weiteren (im Sub-Prozentbereich) als kalibriert anzusehenden Messung von heute früh, die man deshalb i.w. auf meine anderen "nageln" kann. Wieder gibt es den (logarithmisch) S-förmigen Verlauf, so daß nun eher über die Messung vom 27.03. nachzudenken ist, die so gut log-linear aussah (evtl. spielte da die Staubepisode noch mit; das ist aber nur eine Arbeitshypothese).

Bild

Die heutige Dämmerung war passend zu dem nachfolgenden, brillanten Blauhimmelstag sicher kaum gestört. Die Bedingungen waren auf jeden Fall noch besser als am 28.03, dazu gab es auch ein ganz schwaches Purpurlicht.

Gruß, Elmar


PS: über die Freisichtigkeit von Jupiter, Mars und Saturn in dieser Dämmerung berichte ich im Polarlichtforum.

Alexander Haußmann
Beiträge: 1129
Registriert: 6. Mär 2006, 13:39
Wohnort: Hörlitz / Dresden

Re: Dämmerungshelligkeit (Messungen)

Beitrag von Alexander Haußmann » 3. Apr 2020, 20:53

Hallo nochmals,

hier ein Foto der Sensoren bei mir im derzeitigen Zustand. In der Plasteflasche oben ist der Fotowiderstand (das Kabel ist tatsächlich NVA-LFK, wers noch kennt), der viereckige Kasten der kommerzielle Haustechnik-Sensor, seit Ende Dezember 2019 im Einsatz und beworben mit ±10% Genauigkeit, wenn ich mich richtig erinnere. Eigentlich sollte jetzt nur noch dieser messen, aber weil bei 100 lux schon der linearisierte analoge Dynamikbereich ausgereizt ist (100 klux = 10 V, 100 lux = 10 mV), will ich mit dem Fotowiderstand noch weitermachen. Allerdings ist da kein langzeitstabiles Material verbaut, so dass ich die Kalibrierung "nachziehen" muss, und alle paar Jahre zerfällt die PE-Flasche in spröde Scherben - es ist seit 2005 schon die vierte. Dreimal Druckernachfülltinte, einmal Fahrradkettenöl, aber dieses Flaschenmodell findet sich häufig... Das ist natürlich der komplette Gegenpol zu einem kalibrierten Leuchtdichtemessgerät, dass dann aber auch nicht für den Dauereinsatz gemacht ist. Jedenfalls habe ich mich beim Festlegen der Umrechnung an ein paar Fixpunkten wie den 100 klux zum Sonnenhöchststand und den 0,2 lux bei Vollmond orientiert, aber wer weiß, wo das alles mittlerweile hingedriftet ist.
IMGP4935_kl.jpg
Viele Grüße,
Alex

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2096
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Dämmerungshelligkeit (Messungen)

Beitrag von Elmar Schmidt » 5. Apr 2020, 08:05

Hallo Alex,

danke für die Infos, jetzt seh ich's auch. Das NVA-Kabel kenne ich vom Schulheimweg über den Truppenübungsplatz in den 60ern so ähnlich als Bundeswehr-Feldkabel (Fkb), und wie es aussieht, waren deren Vorfahren in der Wehrmacht...

Söh, Du bist auch Wetterbeobachter, das fängt ja sonst meist nur erst mit der Rente an :-) Das Luxmeter dürfte eigtl. nicht so stark abweichen. Womöglich ist das Plastik vergilbt oder verschmutzt (Schwarze Pumpe, hioarh). Schau ich mir bei Gelegenheit mal neben meinem Gerät an. In Hörlitz bzw. Wórlica, nor, woanners kömme isch 2019 eh nicht noch ähmol hünn... :lol:

Gruß, Elmar


PS: vor dem Anschluß durch den AKM hatte ich an meiner Industriestelle ein NIST-kalibriertes Luxmeter von International Light. Kostete damals glaube 1200 DM. Das Backstein-Design der Elektronikeinheiten hat sich seitdem kaum geändert, die Preise schon... Die Firmenwebseite bietet auch viel Wissenswertes zur Photometrie, vgl.

https://www.intl-lighttech.com/ilt-ligh ... t-tutorial

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste