Wie man Halo-Fotos modelliert

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Bertram Radelow
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Wie man Halo-Fotos modelliert

Beitrag von Bertram Radelow » 3. Feb 2006, 13:28

Hier habe ich mir die Aufgabe gestellt, ein "schönes" Halo-Bild zu bekommen. Und als Herausforderung habe ich ein wirklich schlechtes Foto vorgenommen - erst dachte ich, darauf wäre gar nichts Spezielles zu sehen:
Heute Morgen, kurz nach den ersten Nebensonnen, war im Azimut ein zartes Schimmerchen zu sehen -

Bild

Wenn man nicht wüsste, dass es die Region des ZZBs ist - wer hätte das schon gesehen?

Da müsste man doch was verbessern können...

1. Versuch - Kontrast erhöhen

Mal sehen, was das Histogramm sagt (Anteile der einzelnen Farbwerte - links ist "maximal dunkel", rechts ist "maximal hell".

Bild

Wir haben ein ganz minimal unterbelichtetes Bild (schwarze Kurve = "Helligkeit" ist leicht links der Mitte).

Also erhöhen wir den Farbkontrast um 70%:

Bild

Das war wohl nichts. Das Rot ist verschwunden, das Blau aber umso stärker geworden - das Gegenteil des Erwünschten! Im Histogramm sehen wir, wie es die drei Farb-Peaks auseinandergesprengt hat.

2. Versuch - Farben selektiv anheben

Nun denn, Rot um 80% und Grün um 40% anheben:

Bild

Wieder nichts - als Ergebnis ein Farbbrei, wie das Histogramm ja auch schön bestätigt.

___________________

Was wir wollen:
Besser sichtbare Strukturen, ohne das eigentliche Himmelsblau zu verändern
___________________

3. Versuch - Diesmal richtig

Als erstes müssen wir das Bild entfärben. Damit ist nicht "Graustufenbild" gemeint, sondern eine Farbkorrektur so, dass das überwiegende Hintergrund-Blau grau wird. Dazu verwenden wir die Gamma-Korrektur. Diese lässt "ganz hell" und "ganz dunkel" unverändert - das heisst, in unserem Bild bleibt Weiss Weiss und Schwarz bleibt Schwarz.
In diesem Bild verwende ich Rot-Gamma 1,2 (leichte Anhebung) und Blau-Gamma 0,5 (starke Absenkung). Grün lasse ich unverändert (1,0). Das Histogramm zeigt uns, dass die drei Farb-Peaks sauber übereinander liegen.
Das Ergebnis: ein grauer Himmel mit leichten Farbstrukturen:

Bild

So, und erste jetzt erhöhe ich den Kontrast um 60% (und ganz wenig die Helligkeit um 10%):

Bild

Jetzt wird es schon "schön bunt"; das Grau hat einen leichten Grünstich bekommen (offensichtlich haben wir am Anfang doch etwas zu viel Rot weggebügelt).

Jetzt wollen wir aber den gleich blauen Himmel wie am Anfang haben, wir müssen ihn also wieder einfärben Dazu führen wir wieder die Gamma-Operation durch, aber umgekehrt: Blau statt 0,5 -> 2,0 / Grün unverändert 1,0 / Rot eigentlich 1/1,2 = ca. 0,8. Wegen des leichten Grünstichs lassen wir es aber etwas höher bei 1,0.

Bild

Beachten Sie, dass das Himmelsblau praktisch gleich wie bei der Original-Aufnahme ist!
Obwohl "verfälscht" würde ich dieses Bild noch realitätsnah bezeichnen. Ich sehe keine echte Verfälschung darin, Strukturen herauszuarbeiten (mit dem Farbpinsel etwas dazuzumalen ist etwas anderes, aber darüber brauchen wir hier nicht zu sprechen; ich kenne auch keine solchen Halo-Bilder).

Das Histogramm zeigt uns, dass wir den Farbraum noch gar nicht wirklich ausnutzen. Also gönnen wir uns noch einmal eine Kontrastanhebung um 50%:

Bild

Ein schönes Bild eines völlig unbedeutenden, fast unsichtbaren Zirkumzenitalbogens - wer hätte das beim ersten Anblick des Ur-Fotos für möglich gehalten?

mfG

Bertram

Alexander Wünsche
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Farbenkünstler

Beitrag von Alexander Wünsche » 3. Feb 2006, 19:53

Hallo Bertram,
vielen Dank für deine kleine "Anleitung" zum Modellieren eines Fotos!. Es ist sehr interessant zu sehen, was du mit den einzelnen Arbeitsschritten alles herausgeholt hast. Womit war das Bild eigentlich ursprünglich aufgenommen und mit welchem Programm hast du das Bild bearbeitet und welche Farbtiefe (8 oder 16 Bit) hat das Bild?
Ich finde übrigens das vorletzte Bild als völlig ausreichend bearbeitet.

Es ist ja insgesamt sehr mühseelig über das Thema "Bildbearbeitung" bei Naturfotos zu diskutieren. Wir haben das vor Jahren schon mal gemacht. Letztendlich gibt es die Beführworter der "reinen" Lehre, die möglichst wenig Bearbeitung am Bild zulassen wollen, um einen möglichst objektiven Eindruck zu bewahren und dann diejenigen, die durch Bearbeitungstechniken bestimmte Phänomene oder Stimmungen besonders hervorheben wollen. Soll es jeder machen wie er lustig ist, man sollte nur dazu sagen, ob ein Bild bearbeitet ist oder nicht. Dann entstehen auch keine Missverständnisse.

Viele Grüße
Alexander

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Bertram Radelow
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Beitrag von Bertram Radelow » 3. Feb 2006, 21:54

hi Alexander,

Kameras: diverse. Dies hier war Nikon D-100. Die D-100 verstärkt bei der Aufnahme den Farbkontrast NICHT im Gegensatz zu vielen preiswerteren Kameras, die von Haus aus schon mal ein bisschen "bunt und scharf" machen. Deswegen sind die Bilder zunächst ungewohnt farbarm. Diese Himmels-Situation hier hätten andere Kameras allerdings auch nicht besser abgebildet.

Programm: Ist eine Religionsfrage. Ich persönlich arbeite seit bald Jahrzehnten 8) mit Paintshop Pro 5. Das läuft auf den heutigen Rechnern mit Überlichtgeschwindigkeit und seine Menüs sind fast vollständig per Tastenkürzel (schnell und ohne Maus-Sehnenscheidenentzündung) bedienbar.

Ich bin eindeutiger Anhänger von "schönen" Bildern. Meine Herangehensweise an das Thema Halo ist inzwischen auch mehr vom Ästhetischen her und ohne Anspruch auf dokumentarische Genauigkeit. Es gibt genügend spartanisch präsentierte "Originalfotos" im Internet.

Mich persönlich stören auch die vielen Stopschilder, Hände, Spezial-Schattenspender, die man auf vielen Bildern sieht. Was daran wissenschaftlich dokumentarisch wertvoll sein soll, sie stehen zu lassen, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen. Aber wie gesagt: Das ist meine ganz persönliche Meinung, und ich kann gut mit anderen Meinungen leben, die das originalgetreue Bild vorziehen.

Hoffentlich bleibt das Wetter noch so, seit 15.12. hatten wir an 6 Tagen - auch heute - ZZBs, obwohl es eigentlich "nur schön" war...

Bertram

Nachtrag:
Die Farbtiefe ist 24-Bit. 8 oder 16 ist ungewöhnlich. Die Bilder oben zeigen gegen Ende hin Sättigungsfehler, weil ich die Bildgrösse schon von Anfang an reduziert hatte statt das erst - wie es sich gehört - am Schluss zu tun.

B.

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Thorsten Schipmann
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Beitrag von Thorsten Schipmann » 3. Feb 2006, 23:12

Hallo Bertram,

die Angabe 8Bit bzw. 16Bit ist nicht unüblich, da man üblicherweise die Farbtiefe in Bit/Kanal angibt. :wink:

Normale JPEGs wie Deine Bilder hier auch sind immer 8-bittig, mehr geht da gar nicht.
Bin übrigens auch ein Anhänger von Paint Shop Pro, habe den schon 1993 unter Win 3.1 benutzt...
Die aktuellste Version, Paint Shop Pro X, kann übrigens auch mit 16 Bit/Kanal Bildern umgehen. Das war für mich der Grund für ein Update von Version 9, da ich die RAW-Bilder aus meiner Kamera (die 12 Bit/Kanal bieten) dann in 16-bittige TIFF-Dateien konvertieren und in Paint Shop z.B. Gammakorrekturen so machen kann, daß sie im 8-Bit Ergebnis verlustfrei bleiben und kein Kamm-Histogramm hinterlassen...

Ich bevorzuge übrigens auch das vorletzte Bild Deiner Bearbeitung; im letzten Bild sind die hellsten Stellen im ZZB bereits "ausgebrannt" und ohne Zeichnung.

Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommt man übrigens auch viel einfacher...
Auch wenn das von Dir oben als verkleinertes Original eingestellte stark komprimierte JPEG ein denkbar schlechter Ausgangspunkt für Nachbearbeitungen ist, habe ich mich mal mit Paint Shop Pro X dran versucht:

Schritt 1: Histogrammkorrektur aufrufen (Strg-Umschalt-H) :wink:
Dann für die 3 Farbkanäle jeweils Schwarzwert anheben und Weißwert absenken, ohne daß das Histogramm "angeknabbert" wird. Ich habe folgendes eingestellt: R: 55-107, G: 74-129, B: 122-168.
Bild

Wem der Kontrast noch nicht ausreicht, der kann jetzt noch eine Gammakorrektur anbringen, habe hier mal ein Gamma von 0,70 angewendet:

Bild

Noch mehr Kontrast bekäme man durch weiteres Anheben des Schwarzwertes, aber darauf habe ich mal verzichtet...

Man sieht in beiden Bildern deutlich die JPEG-Kompresssionsartefakte, aber das liegt am stark komprimierten Ausgangsmaterial, die gleichen Arbeisschritte am Original durchgeführt sollten anständig aussehen...

Herzliche Grüße,
Thorsten

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Werner Krell
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Senf 05.02.06

Beitrag von Werner Krell » 4. Feb 2006, 23:10

Halo…
Möchte hierzu auch meinen Senf beisteuern. Mir geht es dabei hauptsächlich NICHT um Bildbearbeitung, sondern einfach nur darum, etwas Geduld, Ausdauer und Zeit mit einfließen zu lassen, denn die Erfahrung zeigt, es kommt oft besser als wie gehabt und dann braucht man eigentlich keine Bildbearbeitungssoftware.
Was nützt mir ein ansprechendes VorzeigeBild, z.B. schön farbig, wenn das visuell kaum sichtbare Objekt, hier der ZZB, dermaßen herausgearbeitet wird, dass es einem unbeteiligten ein ahhh oder ohhhh entlockt, dabei ein falscher Eindruck entsteht und auf einem fertig bearbeiteten Bild etwas zu sehen ist, das es so eigentlich gar nicht gab, bzw. gar nicht zu sehen war. Upsss, da komme ich doch glatt von meiner ursprünglich gewollten Richtung ab. Will sagen: Ich für meinen Teil spare mir die Mühe, so einen ZZB von H=0 auf H=1 oder gar H=2 aufzumotzen. Macht auch wenig Sinn, da ein ZZB mit H=0 auch auf den besten Bildchen nicht in aller Pracht erstrahlen kann…Nun kommt das oben angeführte zum tragen, Geduld, Ausdauer und Zeit. Mein erster ZZB, der keinerlei Bildbearbeitung bedurft hätte, da in Farbigkeit und Helligkeit alle vorher gesehene ZZB übertroffen wurden, konnte ich nach ca. 3 Jahren und nicht gezählten ZZBs „verbuchen“
Ein weiteres Beispiel liefert Christian mit seinen Lampenhalos. Er sagt selber ein Jahr, dabei hatte er bestimmt noch Glück, denn es hätte gut und gerne noch ein Jährchen oder zwei oder…dauern können, bis er wieder Halos an seinen Lämpchen zu sehen bekommt.
Oder Claudia und Wolfgang: In 2006 die besten Erscheinungen und beide, denke ich, beobachten doch schon etwas länger :D Anbei ein Bildchen „meines“ ZZBs, um zu zeigen was ich vermitteln möchte.
Kurzer Sinn und lange Rede: Mit der Zeit bekommt man das Teil seines Lebens vor die Linse und dann sollte schon der Akku geladen sein und nicht der PC :wink:

Bild

Nix für ungut und einen schönen Tag noch, Gruß…Werner
Gruß und bis später...

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Claudia Hinz
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Bildbearbeitung

Beitrag von Claudia Hinz » 5. Feb 2006, 08:59

Hallo,

ich gebe Werner voll und ganz recht, die wahre Kunst liegt m.E. darin, ein Halo so abzulichten, wie es wirklich gesehen wurde.

Werner macht übrigens eine einzigartige Fotoarchivierung aller gesichteten Halos. So kann man auch nach Jahren noch die Helligkeit und Umstände eines Halos nachvollziehen. Bildbearbeitung würde diese einzigartige Reihe komplett zunichte machen.

Sicherlich nutzen auch wir die Bildbearbeitung, um z.B. schwache seltene Halos sichtbar zu machen oder erst einmal eindeutig identifizieren zu können. Aber dann sollte es unbedingt dazu geschrieben werden, um keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Denn was nutzen einem Laien, der noch nie Halos gesehen hat, Bilder, die in den schönsten Farben erstrahlen, die so in der Natur nie vorkommen.

Und was die "Schönheit" der Bilder betrifft ... sind wir doch mal ehrlich, Werners Bild ist in seiner Natürlichkeit und Klarheit tausendmal schöner, als jedes megabearbeitetes vollkommen künstlich wirkende Produkt übertriebener Bildbearbeitung, oder???

Viele Grüße
Claudia

Alexander Wünsche
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Re: Bildbearbeitung

Beitrag von Alexander Wünsche » 5. Feb 2006, 11:40

Hallo Claudia,
Claudia Hinz hat geschrieben: Und was die "Schönheit" der Bilder betrifft ... sind wir doch mal ehrlich, Werners Bild ist in seiner Natürlichkeit und Klarheit tausendmal schöner, als jedes megabearbeitetes vollkommen künstlich wirkende Produkt übertriebener Bildbearbeitung, oder???
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten!!! Es ist deine Auffassung von "Schönheit". Ein Anderer kann ganz andere ästhetische Richtungen bevorzugen. Soll man ihm dann seinen Schönheitsbegriff absprechen?

Im übrigen denke ich, dass gänzlich unbearbeitete Bilder - egeal ob analog oder digital - auch keine objektive Wahrheit darstellen. Da wird durch Emulsion, Entwicklungsprozess bzw. Chip, Dynamikumfang, interne Bildverarbeitung, Kompression etc. soviel am Bild manipuliert, dass man nicht wirklich "natürliche" Eindrücke der festgehaltenen Erscheinungen speichern kann.

Aber wie gesagt, die Diskussion hatten wir ja schon einmal. Es kann doch jeder machen wie er will. Nur soll er eben dazuschreiben, ob er eventuell Bildbearbeitung angewandt hat. Dann kann man die "Oohhhhs" und "Aahhhs" vom ersten Anblick eines Bildes wieder relativieren.

Viele Grüße
Alexander

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