Hallo Manfred,
da ist dir ein sehr interessantes Bild gelungen. Da zwei ganz verschiedene Arten von Schatten zu sehen sind, wirkt ihr Zusammenspiel etwas verwirrend auf den Betrachter. Die Verwirrung wird noch dadurch gesteigert, dass das menschliche Hirn dazu neigt, den relativ scharf definierten Kondensstreifen mit dem Schlagschatten in Verbindung zu bringen - und dann fängt das Rätselraten an. Es sind folgende zwei Schattenarten zu sehen:
1. Ein Kondenstreifen (im Folgenden KS) und sein auf eine daruntergelegene Wolke projezierter Schatten. Dieser Schatten ist rechts neben dem verursachenden Kondensstreifen zu sehen. Er ist aus perspektivischen Gründen nicht ganz parallel zum KS.
Im diesem Fall ist der Abstand zwischen Kondensstreifen und Wolke so, daß der KS von der Wolke aus gesehen die Sonne vollständig bedeckt und ein Kernschatten entseht. Die Projektion dieses Kernschattens ist unabhängig vom Standort des Beobachters zu sehen. Dieser Schatten ist also "real". Diese "Realität" ist auf deinem Foto sogar noch dadurch dokumentiert, dass -wenn ich mich nicht irre- sogar das Spiegelbild der Wolke mit dem Schatten im See (!) zu erkennen ist.
(Ich habe mir erlaubt, in deinem Bild die entsprechenden Beschriftungen einzutragen):

2. Der andere Schatten ist der Schlagschatten eines weiteren Kondensstreifens. Er durchquert das Bild und ist sehr auffällig. Dies ist im Gegensatz zum ersten Schatten kein Schattenwurf auf eine Wolke, sondern in den atmosphärischen Dunst über der Erdoberfläche. Diese Schlagschatten entstehen, wenn sich für den Beobachter ein ausreichend dichter Kondensstreifen vor die Sonne schiebt. Für den Beobachter liegt in diesem Moment die Sonne genau in dem Großkreis, den der Kondensstreifen bildet. Der gesamte Schatten, den dieser KS in der unteren Atmosphäre bildet, verdichtet sich dann auf diese eine Sichtlinie. Diese Schattenlinie ist gewissermaßen "virtuell", da sie allein von der Geometrie Kondensstreifen-Beobachter-Sonne abhängt und somit ein räumliche Erscheinung ist, die der Beobachter nur dann sehen kann, wenn er sich selbst im Schatten befindet. Der "reale" Teil des Schattens wäre seine Projektion auf den Erdboden, den er aber meistens nur noch als "Halbschatten" erreicht. Deshalb verschwindet er vom Boden aus gesehen noch oberhalb des Horizontes. Siehe (
Kondensstreifen-Schattenwurf mit 3D-Effekt) und:

Je länger der (gerade) Kondensstreifen ist, desto weiter reicht auch sein Schattenwurf, d.h. umso mehr Luft wird "verfinstert" und um so auffälliger wird er. Im Idealfall schneidet dann ein auffällig dunkler Schattenstreifen den Himmel in zwei Hälften. Da für seine Sichtbarkeit eine bestimmte geometrische Konstellation notwendig ist, kann er sich auch nicht im See spiegeln: Dies ist ein weiterer Hinweis auf den Unterschied der beiden Schattenwürfe.
Da du gewissermaßen "von oben" herunterschaust, verdichtet sich der Schatten auf deiner Aufnahme auch noch unterhalb des Horizontes. Vor dem Berg und über dem See ist der Schatten so schwach, dass er sich nicht mehr abzeichnet. Hier fehlt einfach die räumliche Tiefe, um den Schattenwurf bis zur Sichtbarkeit zu addieren, bzw. hier fehlt der Kernschatten.
Ich nutze gleich die Gelegenheit, um auf ein anderes Bild zu verweisen, das ebenfalls beide Schattenarten enthält. Es stammt von Richard Henkes (s. Peter Krämer und Claudia Hinz
Double Contrail Shadows). Mein Erklärungsversuch zu diesem Bild:
(hier ein in dem Blog verlinktes Bild mit zusätzlicher Beschriftung zum besseren Verständnis):
1. Die "realen" Schatten sind die fünf (oder gar sechs) Schatten der KS auf dem Wolkenstreifen. Das "V" sollte zu den beiden sich am rechten oberen Rand des Bildes sich kreuzenden KS stammen. Rechts daneben sind zwei (evtl. drei) weitere parallele Schatten zu sehen; sie dürften von den hellen KS am rechten oberen Bildrand stammen. Dann ist noch ein weiterer Schatten links, parallel zum linken des "V"s. Soweit die Schatten der KS auf der Wolke.
2. Dann sind die beiden Schatten in der Atmosphäre zu sehen (am auffälligsten auf dem oben verlinkten Bild im Blog): es sind die üblichen Schlagschatten, wenn ein KS vom Beobachter aus gesehen die Sonne kreuzt. Daher sind die Schlagschatten auf den beiden Bildern auch unterschiedlich ausgebildet (räumliche Veränderung in Bezug auf den Beobachter). Der Schlagschatten (KS1) geht von dem KS aus, der die linke Seite des "V"s bildet: er bildet die Fortsetzung dieses KS und verläuft etwas oberhalb des Schattens des selben KS auf der Wolke (vgl. gelben Pfeil). Die Tatsache, daß gleich zwei Schlagschatten zu sehen sind, heißt, dass sich im Moment der Aufnahme KS1 und KS6 direkt vor der Sonne kreuzten! Beide Male sind die "atmosphärischen" Schattenstrahlen gegenüber den Schatten auf der Wolke knapp nach links versetzt, was der Perspektive verschuldet ist.
Ich hoffe, hiermit die Erscheinung etwas verständlicher zu machen.
Viele Grüße,
Christoph