Mondhelligkeitsmodell

Forum für Polarlichter, Spaceweather, Astronomie und Raumfahrt.

Moderator: StefanK

Antworten
Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2093
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Mondhelligkeitsmodell

Beitrag von Elmar Schmidt » 13. Mär 2021, 21:50

Hallo,

auf Wunsch von Sabine Wächter beim heutigen Zoom-Seminar hier meine gemessenen und modellierten Mondhelligkeiten in Abhängigkeit des Phasenwinkels alpha. Der Zusammenhang mit dem (linear) beleuchteten Teil ergibt sich wie folgt:

Bel. Teil = 0,5*( 1 + cos(alpha)) bzw. umgekehrt alpha = arccos (2*Bel. Teil - 1)

Wie üblich sind die Helligkeiten auf Luftmasse 1 (Mond im Zenit über Meereshöhe) reduziert. Die Schwächung erreicht aber bei klarer Sicht erst in 30 Grad Höhe 10% (bzw. +0,1 mag Extinktion) und käme auf nahestehende Sterne und Planeten gleichermaßen zur Anwendung.

Bild

Aber ACHTUNG: die Helligkeit im Diagramm ist auf mittl. Mondabstände von Sonne und Erde standardisiert. Es können bei anderer Geometrie in der scheinbaren Helligkeit noch max. +/-0,3 m Abweichungen auftreten. Korrekt modellierte scheinbare Helligkeiten sind Andreas Möllers Seite

https://www.sky-calc.com/moon/data/

zu entnehmen. Die Mondhelligkeiten für Phasenwinkelbeträge größer 140 Grad (schmale Mondsicheln) sind noch nicht völlig belastbar, weil es an genügend vielen und zuverlässigen Messungen mangelt, die in dem Bereich nicht einfach sind.

Gruß, Elmar
Zuletzt geändert von Elmar Schmidt am 15. Mai 2021, 08:18, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Sabine Wächter
Beiträge: 89
Registriert: 14. Feb 2012, 19:21
Wohnort: Radebeul

Re: Mondhelligkeitsmodell

Beitrag von Sabine Wächter » 14. Mär 2021, 19:07

Hallo Elmar,

vielen Dank für die Veröffentllichung der Übersicht.
Ich finde sie sehr interessant und könnte mir deren Einsatz zur Ermittlung der Helligkeit von außergewöhnlichen Feuerkugeln vorstellen.
Mir ist dabei klar, dass man die Flächenhelligkeit nicht mit der Helligkeit einer Punktquelle direkt vergleichen kann.
Aber Helligkeitsschätzungen sind ja bekannterweise sehr subjektiver Natur.

Viele Grüße Sabine

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2093
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Mondhelligkeitsmodell

Beitrag von Elmar Schmidt » 15. Mai 2021, 09:02

Hallo Lunatiker,

habe soeben das Bild im ersten Eintrag upgedatet, weil ich zwei "neue Vollmonde", vor allem aber schmale Sicheln photometrieren konnte, womit der Bereich abgedeckter Phasenwinkel von -158,6 bis +155,1 Grad reicht, das sind 87% aller überhaupt möglichen. Nachdem ich eine so lange Serie von fast Meereshöhe "fuhr", aber auch schon (zu acht Mondfinsternissen) an astronomischen Spitzenstandorten war, möchte ich folgendes Resümee ziehen:

1. "Mein mittlerer Mond" (was Erd- und Sonnenabstände und Luftmassenkorrektur angeht) wird maximal -12,86 mvis hell, und dann als Supermond bis zu -13,0.
-> meine besten Messungen in Hawai'i zeigten ihn aber bei -13,2; die Ursache dürfte im hiesigen Restaerosol liegen, das unter der sog. atmosphärischen Grenzschicht, also im Tiefland, selbst einen scheinbar idealen Blauhimmel beeinträchtigt.

2. Die schmalen Mondsicheln (Phasenwinkelbeträge größer 150 Grad) konnte ich nur durch 4 bis 9 Luftmassen messen, was selbst mit Rayleigh schon Helligkeitskorrekturen von linear 1,4 bis 2,2 einführt, also um die 100%. Hinzu kommt noch der Umstand, daß die Dämmerung für 80-90% Untergrund im Meßsignal sorgt, der abgezogen werden muß.
-> von daher erwarte ich in Bezug auf das Aerosol, daß der Mond in dem Bereich "objektiv" eher mindestens -0,5 mvis heller ist; das würde das Diagramm im Sockelbereich noch etwas breiter und steiler machen.

3. Der zunehmende Mond erscheint jetzt durchwegs 3 bis 17% heller ist als der abnehmende, da eine gegenteilige Anomalie meiner Fits bei 150 Grad Phasenwinkel durch die neuen Messungen beseitigt wurde, sei es auch noch mit den unter 2. genannten Unsicherheiten. Dies wird zwanglos mit der höheren Albedo der landkartenmäßig östlichen (auf der irdischen Nordhalbkugel "rechten") Mondhälfte erklärt.

Wie geht es weiter? Nun

a) wie immer mit Messungen zu jeder günstigen Gelegenheit; vor allem muß die Meßpunktdichte für den abnehmenden Mond erhöht werden.

b) eine wissenschaftliche Publikation ist auch endlich angebracht; denn bei aller gebotenen Bescheidenheit in dem hobbymäßigen Einmannprojekt gibt es für mich terrestrisch aktuell wenig Konkurrenz

c) und dann müßte ein Mondphotometer wie meines eigentlich kontinuierlich (und robotisch) an Spitzenstandorten weiter betrieben werden, um die o.g. Punkte 1. und 2. auszuräumen.

Im Zusammenhang mit c) wies mich der Kollege John Barnes, der mich 2007 erstmals in Hawai'i tätig werden ließ, darauf hin, daß es neuerdings ein vermehrtes Interesse daran gibt, den Mond als Standard für Aerosolgehaltsbestimmungen (speziell in der Polarnacht, wenn die Sonne dafür nicht zur Verfügung steht) sowie weiterhin zur Kalibration von Satellitensensoren zu verwenden. Letzteres war das Ziel des (ausgelaufenen) USGS/NASA-Projekts ROLO (RObotic Lunar Observatory) in Flagstaff, das für die besten ergebundenen Albedobestimmungen des Mondes sorgte.

https://astrogeology.usgs.gov/moon-cal/ ... vatory.php

Eine gewisse Relevanz meiner Messungen zum Projekt "Earth Shine" ist übrigens auch gegeben. Bei dem versucht man durch die Verhältnisbildung zwischen Erd- und Sonnenlicht auf dem Mond die klimarelevante Erdalbedo zu verfolgen. Solche Messungen sind aber gleich doppelt (und gegenläufig) von Phasenhelligkeitseffekten auf dem Mond beeinträchtigt, und zusätzlich vor allem von dessen topographisch variabler Albedo.

https://www.bbso.njit.edu/Research/EarthShine/
https://wattsupwiththat.com/2016/05/19/ ... -16-years/

(Disclaimer: im zweiten Link werden dessen Ergebnisse, allerdings von einem sehr erfahrenen Meteorologen, "klimaskeptisch" interpretiert, was ich persönlich für zulässig und angebracht halte, insofern die Forschungsgelder hier sonst fast nur "den Berg hoch rollen"...)

Werde mal versuchen, einen Fuß in diese Tür zu kriegen. Ein Doppel meines Konica-Minolta-Photometers "piggyback" an ein Teleskop in einer der vielen Robotikkuppeln zu hängen, müßte für unter 10 Mille und mit 1-2 Bachelor- oder Master-Studies machbar sein. Ein Meßpunkt mit Untergrund wäre in 10-15 s genommen und mehr als 20 davon pro Nacht bräuchte es nicht.

Die hier Mitlesenden in oder mit Anschluß an wissenschaftliche Institute im Bereich der Aerosol- und Klimaforschung werden gebeten, mir evtl. Kontakte mitzuteilen.

Gruß, Elmar

PS: Andreas Möller wird die neuen Helligkeitsprognosen aus meinen Fits in seine Webseite https://www.sky-calc.com/moon/data/ einbauen.

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 39 Gäste