Hallo,
ich war gestern Abend gegen 23:20 MEZ auf einem Feldweg nördlich von Sellstedt bei Bremerhaven. Also noch rechtzeitig zu der "helleren" Phase des Polarlichts. Immerhin war die Sicht recht gut. Das PL war auch bei mir rein fotografisch. Nah am Horizont die bewegten Beamer, aber alles recht schwach. Darüber ein diffuser, roter Bogen. Zum letzteren mehr unten. Das PL flaute dann ja langsam ab. Da die Sonnenwindwerte auch nicht wirklich berauschend waren, brach ich die Beobachtung gegen Mitternacht ab. Da war der rote Bogen immer noch gut im Foto zu erkennen. Laut meinen Spektrografenmessungen nahm die Helligkeit des roten Bogens nach Mitternacht ebenfalls schnell ab (siehe unten).
Hier ein Bild von 23:32 MEZ. Astromodifizierte Canon 6D, Walimex 24mm@f/2.5, ISO 6400, t=10s, Didymfilter.
Oben in grau: Bewölkung. Mitte: rotes Polarlicht (630 nm). Unten: Grünes Polarlicht/grüner Airglow (558 nm).
Zu dem roten Bogen. Dazu gab es ja im Laufe der Jahre ja alle möglichen Spekulationen, was das eigentlich ist. Also was dieser vom normalen PL abgelöste, höher stehende, diffuse, rote Bogen ist. Bei einigen der hier gezeigten Bilder ist der ja auch ganz gut erkennbar. Inzwischen weiß ich, dass das mit Sicherheit ein "SAR arc" ist, so nennt sich der in der Fachliteratur. Es ist an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
kein "Protonenbogen". SAR bedeutet "stable auroral red", also beständiges Polarlichtrot. Ein "beständiger Polarlichtrotbogen" tritt recht regelmäßig während geomagnetischer Aktivität auf und hat normalerweise etwa 1/10 der Helligkeit eines mit dem bloßen Auge sichtbaren Polarlichts. Fotografisch also problemlos zu dokumentieren. Auf nun schon 30-jährigen Allsky-Kamera-Beobachtungen der Uni Boston im Nordosten der USA, kommt der SAR-Bogen (außer im solaren Aktivitätsminimum) in etwa 10-20 Polarlichtnächten jährlich vor.
Der SAR-Bogen tritt in Höhen von etwa 400 km über dem Boden auf und befindet sich auf der Äquatorseite des normalen Polarlichts. Er entsteht während geomagnetischer Stürme durch Wechselwirkung zwischen der Magnetospäre und der Ionosphäre. Praktisch ein Reibungseffekt zwischen dem inneren Bereich des Ringstroms in der Magnetosphäre und den äußeren Bereichen der Lufthülle der Erde. Die Elektronen des Ringstroms erzeugen beim Stoßen auf Sauerstoffatome das Polarlichtrot. Und zwar ausschließlich 630-nm-rot, keinerlei andere PL-Wellenlängen. Das erklärt auch gut die tiefrote Farbe dieses Bogens, die uns ja schon öfter aufgefallen ist. Es mischt sich halt gar kein grün hinein! Beim normalen PL ist durch den immer vorhanden Grünanteil das rot Richtung gelb verschoben und somit nicht so intensiv.
Der Ringstrom ist während geomagnetischer Stürme erheblich verstärkt und sehr stabil. Deswegen ändert sich auch der rote Bogen dann kaum.
Warum ist sonst ein Protonenbogen auszuschließen (den gibt es auch)? Der ist viel zu schwach, selbst für Kameras und kann nur im Ausnahmefall indirekt ein sichtbares Leuchten erzeugen. Er hätte Wellenlängen von 656 nm und 486 nm (H-alpha und H-beta). Da der Bogen von gestern Abend aber problemlos in meinem roten Spektrografendiagramm zu erkennen ist, muss er bei einer Wellenlänge von 630 nm geleuchtet haben. Denn nur die Linien 630 nm (rot) und 558 nm (grün) vermesse ich für das Diagramm.
Insofern: sollten wir so etwas in Zukunft nochmal sehen - es ist ein SAR-Bogen
Links dazu:
https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com ... 15JA021722
https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com ... 16JA023258
Viele Grüße,
Michael