Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Forum für Polarlichter, Spaceweather, Astronomie und Raumfahrt.

Moderator: StefanK

Antworten
Benutzeravatar
Andreas Möller
Administrator
Beiträge: 2966
Registriert: 1. Mai 2011, 20:47
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Andreas Möller » 11. Nov 2016, 13:23

Aus dem Chat

Marcus Speckmann:
Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht. Ist Polarlicht auch Gasentladung wie in eine Neonröhre?Das wollte Ich noch wissen. MfG Marcus
Jonas Heinzel:
Wenn ich mich nicht irre, kann mans in etwa so erklären: Polarlicht ist Energie, in Form von Licht, das von Teilchen emittiert wird, die in der Atmosphäre durch Partikel von der Sonne auf ein anderes Energie-Niveau gedrängt werden (je nach Farbe des Polarlichtes werden unterschiedliche Elemente stärker / schwächer angeregt). Die frei werdende Energie nehmen wir halt als Licht wahr. Ich hoffe, dass dir das hilft :)
Chris Kranich:
Also das Polarlicht selbst hat natürlich keine Temperatur, denn nur Massen können eine Temperatur haben, Photonen aber meines Wissens nicht.. Die Teilchen, an denen das Polarlicht erzeugt wird, haben natürlich eine Temperatur, die ist in der Ionosphäre aber ziemlich variabel (von ca. -100°C bis mehrere 100°C, mit der Höhe zunehmend). Der "Sonnenwind", also die Protonen und Elektronen, Alphateilchen usw. haben dann auch noch eine Temperatur, die am ACE auch gemessen wird. Die liegt laut ACE-Daten so zwischen zehntausend und einer Million Grad bzw. Kelvin. Aber das beschreibt eigentlich nur noch die kinetische Energie der Teilchen, es ist keine fühlbare Temperatur im irdischen Sinn, dafür ist die Dichte viel zu gering. Noch ein verrücktes Gedankenexperiment: Wenn man annähme, dass das Polarlicht von einem schwarzen Körper emittiert würde (und vernachlässigt, dass es nur ein paar Spektrallinien sind anstatt eines breiten Spektrums), wäre dies wohl ein sehr, sehr kalter Körper, da Polarlicht im Vergleich zu anderen Lichtquellen ja nicht sehr hell ist. Also eher ein "kaltes Licht" in einer sehr heißen Umgebung, von der man (fast) nichts merkt, wenn man dort ist. :D Physik ist echt verrückt..^^
Jörg Kaufmann:
Unterschied PL vs. Gasentladung: Beim Polarlicht werden einzelne Elektronen (meist die äußeren)in der Atomhülle angeregt (Energieaufnahme). Die Elektronen werden gezwungen eine weiter vom Atomkern (?höhere?) Bahn um den Atomkern zu nehmen. Sie verlassen dabei aber nicht die Elektronenhülle des Atom oder Moleküls oder der Ionenbindung. Das ist das gleiche Prinzip wie im Chemieunterricht 9.Kl Bestimmung Metallsalz über Flammenfärbung. Die Energieabgabe erfolgt dann durch thermisch durch Teilchen-Kollision, oder wie in Höhen beim Polarlicht durch Lumineszenz (Fluoreszenz durch Photonenabgabe t=10- 9s und/oder Phosphoreszenz > 10- 4 s. Gasentladungslampe ist ein techn. Oberbegriff für verschiedene andere Mechanismen, oft Ionisation (Entfernung eines Elektrons aus der Atomhülle) oder Elektronen als Plasma.
Robert Wagner:
Schnell bisserl Physik dazu: Um einer Wellenlänge eine Temperatur zuzuordnen, muss die Strahlung thermischen Ursprungs sein. Idealisiert wird das durch Schwarzkörperstrahlung. Diese hat ein ("thermisches") Spektrum und man kann der Wellenlänge mit der intensivsten Strahlung eine Temperatur zuordnen. Z.B. Sonne 5400K = gelb. PL entsteht durch "nichtthermische" Strahlung = disktrete Wellenlängen. Ohne Spektrum klappt die Zuordnung einer Temperatur nicht. ABER: Die Teilchen, die die PL-Emission erzeugen, können sehr wohl ein Energie-Spektrum besitzen, dass dann thermischen Ursprungs sein kann. Z.B. Plasmen, die angesprochen wurden, besitzen durchaus Temperaturen.

Ach ja, eine kurze Bemerkung noch zum "kalten" PL - das kann ich nicht nachvollziehen, grade bei Schwarzkörperstrahlern ist die Temperatur (via Wien'schem Verschiebungsgesetz) abhängig von der Wellenlänge des Strahlungsmaximums, und nicht von der Intensität der Strahlung, deswegen aus einem vergleich zu anderen Lichtquellen (welchen überhaupt?) anzunehmen (a) PL sei nicht hell (üblicherweise liegen wir im Gigawattbereich) oder (b) kalt, ergibt sich so nicht direkt aus der Physik, die ich gelernt habe ;)

Dennis Pelzer
Beiträge: 87
Registriert: 9. Jan 2004, 19:25
Wohnort: Bad Iburg

Re: Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Dennis Pelzer » 11. Nov 2016, 18:30

Meiner Meinung nach ist Polarlicht ganz klar ein kaltes Licht. Es wird nicht thermisch erzeugt, sondern durch Anregung der Gasatome in der Atmosphäre. Damit ist die Lichterzeugung tatsächlich sehr ähnlich zu einer Gasentladungslampe. Das entstehende Licht besteht nicht aus einem kontinuierlichem Spektrum wie das Sonnenlicht, sondern aus diskreten Linien.

Benutzeravatar
Laura Kranich
Beiträge: 1530
Registriert: 4. Jun 2013, 15:08
Wohnort: ex. Kiel, now Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Laura Kranich » 11. Nov 2016, 22:02

@ Robert: Abgesehen davon, dass der Bezug zum Schwarzen Körper nicht wirklich vorhanden ist und nur ein etwas weit hergeholter Vergleich...
Bringst du da nicht einiges durcheinander?
Nicht die Temperatur ist von der Strahlung abhängig, sondern die Temperatur eines Körpers hat eine bestimmte Abstrahlung und Frequenzverteilung zur Folge. Und die Intensität der Strahlung ist sehr wohl ebenfalls von der Temperatur abhängig und zwar sogar ~T^4 !!, das beschreibt das Stefan-Boltzmann-Gesetz. ;)
Und wenn wir schon dabei sind: Die Strahlungsleistung des PL-Ovals ist (relativ) mickrig.
Schon die Erde ist mit einer Strahlungstemperatur von 255K ja nicht besonders heiß, aber man kann die Gesamtleistung der Schwarzkörperstrahlung der Erde leicht berechnen: Bei einer Ausstrahlung von 239 W/m² hat sie über ihre Gesamtfläche von 5,1*10^14m² eine Gesamtausstrahlung von 121,9 Petawatt, wogegen ein paar Gigawatt Peanuts sind (Ein Unterschied von ca. sieben Zehnerpotenzen..). Selbst wenn man die Fläche auf die des PL-Ovals reduzierte, wäre es immer noch ein Unterschied von mehreren Größenordnungen..
Aber da PL sowieso keine Schwarzkörperstrahlung ist, ist das alles natürlich sowieso ein bisschen absurd, ich hab es ja auch als "verrückt" angekündigt.. ;D

Am besten und einfachsten hat es Dennis zusammengefasst, wie ich finde.
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

http://www.lk-photo-film.de

Benutzeravatar
Laura Kranich
Beiträge: 1530
Registriert: 4. Jun 2013, 15:08
Wohnort: ex. Kiel, now Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Laura Kranich » 11. Nov 2016, 23:43

Was ich noch vergaß: PL ist hat zwar auch Linien im Infrarot, aber eben auch einige im sichtbaren und das spräche wiederum für einen heißen Emittenten, da relativ kalte Körper nicht so kurzwellig strahlen. Also mein Vergleich mit einem Schwarzen Körper ist wirklich mehr als weit hergeholt.. :lol:
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

http://www.lk-photo-film.de

Benutzeravatar
Elmar Schmidt
Beiträge: 2268
Registriert: 23. Feb 2010, 20:43
Wohnort: Bad Schönborn (8o39'51"O 49o13'21"N 130 m ü.N.N.)

Re: Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Elmar Schmidt » 12. Nov 2016, 10:41

Hallo Forum,

die Temperatur tritt in vielen physikalischen Gesetzen auf und kann daher ebenso oft aus denen invertiert werden. Analogien mit thermischen Strahlern sind natürlich für jedes Spektrum machbar, notfalls über die dominante Wellenlänge, können hier aber in die Irre führen. Mikroskopisch könnte man z.B. für die Leuchtatome/-moleküle(?) die "Boltzmann-Temperatur" überlegen, die mit der Besetzung von angeregtem und Grundzustand über (n2/n1) =C*exp(-deltaE/kT) verknüpft ist (und in Lasermaterialien und anderen Quantensystemen sogar negativ wird!).

Im Makroskopischen macht der Begriff Temperatur nur über das thermodynamische Gleichgewicht in größeren Ensembles Sinn, und da ist sie, wie ja auch oben gesagt wurde, proportional zur mittl. kinetischen Energie der Teilchen. Diese folgt der Beziehung (k ist wieder die Boltzmann-Konstante)

<E>=f/2*kT ,

in der f die Freiheitsgrade der Teilchen sind. Für Atome und Elektronen sind das normalerweise nur die drei translatorischen, für zweiatomige Moleküle kommen noch je zwei für Rotation und Schwingung hinzu. Hier steht mal eine MESSUNG der ELEKTRONEN-Temperatur in einem Polarlicht,

http://www.nrcresearchpress.com/doi/abs ... Cbp6TMtt5p ,

welche dabei zwischen 100 bis 168 km Höhe zwischen 500 und 1400 K lag, also bei ca. 200 bis 1100 Grad Celsius, an denen sich aber keiner verbrennen würde; denn daß die Temperatur sich gleichgewichtsmäßig auf das ganze und ohnehin "vakuumdünne" Gas überträgt, ist unwahrscheinlich. Es dürfte sich an der o.g. ionosphärischen Grundtemperatur daher in Polarlichtern wenig ändern.

Gruß, Elmar

Benutzeravatar
Marcus Speckmann
Beiträge: 401
Registriert: 23. Jul 2012, 16:55
Wohnort: Oldenburg

Re: Ist Polarlicht heiß oder ist Polarlicht ein kaltes Licht?

Beitrag von Marcus Speckmann » 12. Nov 2016, 16:00

Noch ein paar Fragen

Würde man auch ein Stromschlag bekommen wenn Man ins Polarlicht fassen würden?

Könnte man Polarlicht auch riechen? wegen eventuelle Chemische Reaktionen.

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Manz und 23 Gäste