Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

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Christoph Gerber
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Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Christoph Gerber » 29. Sep 2015, 20:15

29.09.2015 - Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

VENUS und ein SATELLIT(!?)
Am klaren Morgenhimmel sollte Venus wieder hell und "unübersehbar" vor sich hin strahlen. Allerdings hat es einige Zeit und mehrere Versuche gedauert, bis ich sie hatte (ständiger Ortswechsel, da ich unterwegs war). Aber auf der Suche nach ihr hat mich ein anderes Objekt genarrt: Als ich endlich glaubte, sie erfasst zu haben, musste ich feststellen, dass sie sich bewegte! Die Bewegung war gleichmäßig und entsprach der eines eher langsamen Satelliten, die Helligkeit blieb konstant. Ich habe das Objekt auf einer Strecke von etwa 10-15° verfolgen können, ehe es hinter einem Hausdach verschwand (um 9:56 MESZ). Ein deja-vu: bereits in meiner Jugend hatte mich ein vergleichbares Objekt bei der Suche nach der Venus genarrt. Beide bewegten sich von Ost nach West, was eigentlich gegen einen Satelliten spricht. Ein Flugzeug als Verursacher schließe ich aus - dafür war das Objekt zu klein (sternförmig) und die Helligkeit zu konstant. Es könnte sich evtl. um einen Wetterballon handeln, aber dazu waren mir die Geschwindigkeit und Richtung zu schnell und konstant. Bliebe also doch ein Satellit - und Satelliten mit retrograden Bahnen gib es ja.

Als ich kurze Zeit später endlich die Venus hatte (um 9:59 MESZ), konnte ich vergleichen: Helligkeit etwa 2 mag schwächer als Venus (also wohl -2.5 mag), und Ort der Erstsichtung etwa 10-15° rechts unterhalb der Venus. Eine Recherche nach einem möglichen Satelliten bei CalSky blieb jedoch ergebnislos.
Venus erscheint so unglaublich hell, dass sie ohne Schwierigkeiten auch auf Digiknispen-Bildern erscheint - und zwar im Zoom sogar als heller fetter Fleck!

Abb.1: Venus am Tageshimmel - sie muss gar nicht weiter gekennzeichnet werden, so auffällig ist sie!
[attachment=2]150929 1034_5318#.jpg[/attachment]




JUPITER
Nachdem der Himmel hier am Kaiserstuhl weiterhin sehr klar ist - trotz einiger niedrieger Wolken - fällt mir das Auffinden der Venus inzwischen so leicht und sie erscheint so hell, dass eigentlich auch Jupiter zu sehen sein müsste. Daher habe ich mich heute auf die Suche nach ihm gemacht - mit Venus als Ausgangs- bzw. Anhaltspunkt. Stellarium wies mir den Weg: 18° von Venus Richtung Sonne und dann noch 4° oberhalb. Ich habe mich im Garten so platziert, dass sich der Bereich, in dem Jupiter sein sollte, über dem Giebel des Nachbarhauses befand. Und tatsächlich: bald hatte ich ihn! Zwar sehr schwach und nur knapp über der Sichtbarkeitsgrenze, aber meiner Meinung nach eindeutig. Eine zeitlang lang konnte ich ihn "halten" - und traute gleichzeitig meinen Augen nicht so recht: War das wirklich Jupiter? Das Wiederfinden war nicht einfach - und wieder meinte ich, ihn erspäht zu haben. Von der Helligkeit stimmte es auch: etwa 1-2 mag. schwächer als der "Satellit" vorhin, also ca. -1.5 mag - die Jupiter zur Zeit tatsächlich hat (nach stellarium). Ich hatte leider kein Fernglas dabei, um die Sichtung zu verifizieren. Es bleibt daher zumindest der Verdacht, dass ich mir das vielleicht doch nur eingebildet haben könnte. Eine solche Jupiterbeobachtung weitab von der Venus hatte ich bereits im Frühjahr (eine zweite Beobachtungsserie) gemacht (15.05.2015) - auch hier ohne die Möglichkeit, die Sichtung verifizieren zu können. Aber ich hatte ja meine kleine Digiknipse dabei. Wenn vorhin die Venus einen so fetten Flecken auf dem Chip hinterlassen hat, sollte Jupiter zumindest eine erkennbare Spur erzeugen. Ich habe verschiedene Aufnahmen gemacht - aus der Erfahrung, dass hier der Zufall eine große Rolle spielt, ob der "Stern" abgebildet wird oder nicht. Und siehe da: auf mindestens einer Aufnahme ist er eindeutig da - und zwar an der Stelle, an der ich ihn zu sehen glaubte. Das ist unglaublich: Wenn man weiß wo (und sowohl das Wetter wie auch das eigene Auge mitspielen!), kann man Jupiter nicht nur freisichtig sehen, sondern auch sogar auffinden - lediglich mit Hilfe von Sonne und Venus.

Abb. 2: Selbst mit einer kleinen Kompaktkamera lässt sich Jupiter am Taghimmel erfassen!
[attachment=1]150929 1110_5323#mark.jpg[/attachment]

Das sehe ich jetzt doch schon als Beweis an, dass die Tagessichtbarkeit von Gestirnen nicht so sehr von deren Helligkeit abhängt, sondern von der Fähigkeit des Auges, richtig zu Fokussieren! Die Fokussierungsproblematik (Venus am Tageshimmel: Das Fokussierungsproblem) hatte ich bereits gestern thematisiert - und inzwischen halte ich sie für die zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Tagesbeobachtungen. Das war mir bisher noch nie so bewußt gewesen. Es scheint eine Fähigkeit zu sein, die man durch Übung erreichen kann - mit Ergebnissen, die kaum für Möglich gehalten werden!
Die heutige erfolgreiche Auffindung des Jupiter ganz ohne optische Hilfsmittel hätte ich selber noch vor kurzem für nicht möglich gehalten!

Ich hatte in meiner Jugend den Höhepunkt der Tagesbeobachtung mit bloßem Auge mit der Sichtung von Sirius zur Mittagszeit im Zenit (s. Sterne&Weltraum 3/1998, 281). Der heutige Tag mit einem Tages-Satelliten (-2.5 mag) UND dem Auffinden von Jupiter (-1.5 mag) ganz ohne optische Hilfmittel in halber Zenithöhe hat dies nach so vielen Jahren doch noch getoppt!

Hier nochmals die Daten (s. Abbildung 3)
Sonnenhöhe: 31°
Jupiter: Höhe: 48°, Elongation: 25°
Venus: Höhe: 51°, Elongation: 43°
Abstand Venus - Jupiter: 18°

Abb. 3: Die Verhältnisse nach stellarium.
[attachment=0]150929 1102 V+J.png[/attachment]


Verwendete Kamera: Nikon Coolpix 2800, Einstellung: "Landschaft"

mit Hochachtung vor dem Wunder "menschliches Auge",
Christoph


Ps: von den 11 Aufnahmen zeigt lediglich eine(!) den Jupiter - ich vermute, dass er wegen des geringen Kontrastes in der Regel beim automatischen Komprimieren (JPGsieren der Kamera-Software) bereits verschwindet. Daher ist es angebracht, in solch einem Fall möglichst viele Bilder zu machen - oder aber mit einer "gescheiten" Kamera zu arbeiten!
Dateianhänge
Abb. 3: Die Verhältnisse (nach: stellarium).
Abb. 3: Die Verhältnisse (nach: stellarium).
Abb. 2: Selbst mit einer kleinen Kompaktkamera lässt sich Jupiter am Taghimmel erfassen!
Abb. 2: Selbst mit einer kleinen Kompaktkamera lässt sich Jupiter am Taghimmel erfassen!
Abb.1: Venus am Tageshimmel - sie muss gar nicht weiter gekennzeichnet werden, so auffällig ist sie!
Abb.1: Venus am Tageshimmel - sie muss gar nicht weiter gekennzeichnet werden, so auffällig ist sie!

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Laura Kranich
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Laura Kranich » 30. Sep 2015, 10:30

Hallo Christoph!

Danke für deinen interessanten Bericht! Du hast mich motiviert, auch mal nach der Venus zu suchen.
Zuerst konnte ich sie partout nicht finden, auch nicht mit Stellariums Hilfe. Als ich allerdings durch den Kamerasucher blickte war sie plötzlich einfach da.
Mit bloßem Auge hat es trotzdem eine Weile gedauert, bis ich sie hatte. Vielleicht war es tatsächlich das Fokussierungsproblem, allerdings fange ich auch nach ca. 10 Sekunden an zu halluzinieren und überall kleine weiße aufblitzende Punkte zu sehen..
Es fiel mir dann auch leicht, sie zu halten, sogar etwas weiter vom Sehzentrum weg, aber ganz neu finden.. sehr schwierig!
Wenn man sie erst einmal hat, ist sie sehr deutlich zu sehen. Mit Jupiter hab ich es aber aufgegeben.

Hier ein Bild von eben, 12:05 MESZ, mit Venus auf ca. 211° Azimut und 43° Höhe bei 250mm.
Bild

Edit:
Im Tele erkennt man sogar ansatzweise ihre Sichelform.
Auf dem Bild sieht es im 100% Auschnitt so aus:
Bild
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

http://www.lk-photo-film.de

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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Rico Hickmann » 2. Okt 2015, 13:21

Habe das heute morgen auch probiert. Es war genau zu Sonnenaufgang, die Sonne war durch ein Haus verdeckt. Zunächst habe ich die Venus überhaupt nicht finden können. Ich bin dann immer etwas weiter gelaufen. Auf einmal habe ich die Venus neben einem Baum entdeckt. Dadurch, dass mein Auge den Baum fixieren konnte, konnte es dann auch die Venus fixieren. Es scheint also tatsächlich einfach Übungssache zu sein, ein Objekt gegen den blauen Himmel fixieren und fikussieren zu können.

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Elmar Schmidt
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Elmar Schmidt » 3. Okt 2015, 12:36

Hallo Christoph,

ein herausforderndes Projekt mit schönen Ergebnissen legst Du uns da wieder mal vor.

Einer Beobachtergruppe auf einer Konferenz in Montana hatte Rick Sampson 2007 mal spätnachmittags den Jupiter gezeigt, als er an einer bekannten Stelle aufging. Ich habe keine positive Erinnerung, vielleicht aber Claudia, die glaube auch dabei war. Sampson und seine Studenten sahen Jupiter einige Jahre früher (mit -1,7 m) vormittags bis zu Sonnenhöhen von 42 Grad, allerdings in einer Konjunktion mit dem abnehmenden Halbmond, vgl. [mit diesem Zitattext ist die Ausgabe als PDF zu ergoogeln]:

Sampson, R. D. (2003) The Visibility of Jupiter During the Day, Journal of the Royal Astronomical Society of Canada, June 2003, p. 144

Einfach ist es also nicht, aber daß Jupiter unter den von Dir genannten Voraussetzungen* am Taghimmel sichtbar ist, habe ich mir mal in etwa so klar gemacht. (Hinweis vorweg: mit Magnituden immer schön logarithmisch zur Basis 2,512 rechnen...)

Die Blauhimmelshelligkeit liegt am Tag in der Gegend von einem Stern 5. Größe (+5 mvis) pro Quadratbogensekunde. In ein Scheibchen von einer Bogenminute Durchmesser (das löst ein gutes Auge auf) fällt also das 2800-fache davon, das macht dann (+5 - 8.6) mvis also -3.6 mvis. Ein sich dort (nahe seiner Maximalhelligkeit, also -2.6 mvis) aufhaltender Jupiter würde also mit einem Signal/Untergrund-Verhältnis von 1:4 erscheinen. Also nichts für den Gelegenheitsbeobachter, der eher 1:1 benötigt.

Spektakulär und wohl durch die geniale Klarheit der letzten Tage bedingt - welche fast, aber nicht ganz (da poste ich noch was) an die meinige von Izana am 27.09. ran kam, bei Deiner Sichtung war es, daß Jupiter im Moment (laut EasySky) auch wieder nur -1,7 m hell ist. Das verringert das o.a. S/N auf 1:6, also nicht mehr viel besser als Sirius (s.u.). In solchen Fällen ist es ratsam, unabhängige Beobachter mit hinzuzuziehen. Insbesondere Kinder und Jugendliche mit ihren i.a. besseren Augen sind dafür nützlich; es haben schon welche (natürlich abends) den Ganymed identifiziert!

*Einstellen bzw. verbessern lassen sich die Verhältnisse für einen Erfolg durch

- größere Sonnenabstände
- Standorte in großen Höhen
- bessere Auflösung ("beste" Augen schaffen 0,7 Bogenminuten)

und subjektiv durch Aufsuchen und/oder Scharfstellen mit

- "Landmarken" wie Bäumen, Gebäudekanten, Schornsteinen
- Mond, Venus nahebei
- Ferngläsern

Sirius ist dann aber doch ein "anderes Kaliber", firmiert unter den o.g. Bedingungen 7-mal schwächer als die Lichtstärke im Auflösungsscheibchen (S/N: 1:7). Es sind aber einige (wenige) positive Taghimmelssichtungen bekannt, und es gibt dazu auch eine Untersuchung [im u.a. Link als PDF runterzuladen], allerdings aus 2370 m Höhe in La Palma, wo zudem behauptet wird, es könne in solchen Lagen vielleicht sogar Canopus am Taghimmel sichtbar werden, aber da bin ich doch sehr skeptisch (da S/N unter 1:10):

http://www.guntherkonnen.com/articles/304

Dazu in einen Brunnen oder Schornstein zu steigen und auf einen Zenitdurchgang zu warten, ist indessen ein Mythos, vgl.

http://www.astronomycafe.net/qadir/q241.html

Gruß, Elmar

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Christoph Gerber
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Christoph Gerber » 5. Okt 2015, 19:41

Hallo Elmar (und alle anderen am Thema Interessierten),

vielen Dank für deine zusätzlichen Informationen. Es ist interessant, z.B. das Signal/Untergrund-Verhältnis mal rechnerisch vorgeführt zu bekommen - aber für mich ist das alles zu theoretisch und abstrakt. Was fange ich (als Beobachter) mit einem Verhältnis 1:4 oder 1:1 oder 1:6 an? Welches Signal/Untergrund-Verhältnis haben denn Sterne +1 mag, +2 mag, +3 mag usw. am Nachthimmel (bei zB Grenzgröße +6.3 mag)? Und wie steht dies im Verhältnis zu den (theoretischen) Verhältnissen am Tageshimmel?
Für mich lässt sich das Verhältnis am besten in "Auffälligkeit" aussdrücken, wobei ich als "Auffälligkeit" die "Helligkeit" definiere, mit der mir Venus vor dem Tageshimmel im Vergleich zu einem Stern am Nachthimmel erscheint. In den vergangenen Tagen habe ich zu verschiedenen Tageszeiten die "Auffälligkeit" der Venus geschätzt. Vormittags (etwa 9-11 Uhr) komme ich auf Werte um +2.0/+2.5 mag, und mit abnehmender Höhe wird sie entsprechend schwächer: etwa 12-14 Uhr +3 mag, und gegen 15:00-15:30, wenn sie schon recht tief steht, nur noch +4.5/+5.0 mag bzw. da ist sie schon nicht mehr auffindbar bzw. unsichtbar.

Diese Helligkeiten bzw. Auffälligkeiten mögen überraschen - aber Venus ist tatsächlich so auffällig am Himmel. Es wird immer behauptet, es sei die Helligkeit des Tageshimmels, die Venus so schwer sichtbar/auffindbar macht - das entnehme ich (zwischen den Zeilen) auch deinen Ausführungen zum Signal/Untergrund-Verhältnis. Seit etwa einer Woche bin ich jedoch überzeugt, dass es das Fokussierungsproblem des Auges ist. Sollte es wirklich die Helligkeit des Himmels sein, dürfte Venus nicht heller als etwa +5mag erscheinen, also knapp oberhalb der Sichtbarkeitsgrenze. Oder liege ich da falsch? Die Auffälligkeit von Jupiter am Vormittag des 29. würde ich mit der des Uranus während der Mondfinsternis am Tag zuvor vergleichen (vielleicht noch 0.1–0.2 mag schwächer) - um das mal in irgend ein (nachvollziehbares) Verhältnis zu setzen. Die Beobachtungen von Venus und Jupiter zusammengenommen, komme ich auf einen "Helligkeitsunterschied" zwischen Tag- und Nachthimmel von etwa 7 Größenklassen. Wie hell ist eigentlich der Nachthimmel pro Quadratbogensekunde (bei einer Grenzgröße von z.B. +6.0 bzw. +6.5 mag)?

Die "Auffälligkeit" ist natürlich kein belastbarer Meßwert, sondern eher ein Richtwert. Sie geht auf die "Erinnerung" der Beobachtungen am Nachthimmel zurück. Früher habe ich sehr intensiv veränderliche Sterne beobachtet - v.a. mit bloßem Auge. Heute ist es praktisch nur noch ein Stern, den ich regelmäßig beobachte - im Bereich +2.0 – +3.0 mag: also genau in dem Bereich, in dem Venus am Tageshimmel erschient. Aber auch durch die Meteorbeobachtung bin ich mit Sternhelligkeiten vertraut. Und nebenbei bemerkt: Entfernungsschätzungen kommen durch die regelmäßige Halobeobachtungen. Den üblichen "Handspannenabstand" von 22° - den jeder regelmäßiger Halobeobachter bald "verinnerlicht" hat, so dass er nicht mehr "messen" muss! - kann ich fast schon automatisch projezieren. Da ich bei der Meteorbeobachtung i.d.R. auch die Bahnlängen schätze, bin ich auch in dieser Hinsicht sehr geübt, so dass ich zB 15° oder 18° mit den "Handmaßen" gut abschätzen kann - anders hätte ich gar keine Chance gehabt, den Jupiter frei zu finden! Es kommt also eine Menge Erfahrung zusammen, um solch eine erfolgreiche Beobachtung machen zu können - bzw. um überhaupt auf den Gedanken zu kommen, z.B. den Jupiter einfach so frei aufzusuchen! Und nicht zu vergessen: ohne das tolle und frei herunterladbare Programm stellarium wäre mir das ganze überhaupt nicht möglich!

Ich möchte durch den Erfolg meiner Beobachtungen einfach anregen, mal nach der Venus am Tage zu schauen - und freue mich, dass Chris und Rico diesen Ball schon aufgenommen haben. Und wenn jemand regelmäßigen Erfolg mit Venus hat, kann er sich ja dann mal bei günstiger Gelegenheit an Jupiter versuchen (zB bei enger Konjunktion mit dem Mond oder der Venus).
Die Tagessichtbarkeit von Gestirnen ist immer noch viel zu wenig bekannt. Ich habe damals (noch in Argentinien) auch meine Tagesbeobachtungen angefangen, nachdem ich irgendwo gelesen hatte, dass Jupiter und Sirius auch am Tageshimmel zu sehen seien. In 30 Jahren hat sich da -trotz internet- offenbar nicht viel verändert (vgl. den Können-Artikel). Sirius am Tageshimmel! In Buenos Aires steht er bei der Kulmination nahe des Zenits. Was lag also näher, das mal auszuprobieren! Das musste natürlich langfristig vorbereitet werden. Als Sirius in der Dämmerung hoch oben stand, hatte ich mir einen Platz im Garten gesucht, von dem aus der Sirius über eine bestimmte Kante am Dach des Nachbarhauses bequem zu sehen war - und mir die Zeit notiert. Ein viertel Jahr später stand er dort zur Mittagszeit. Bei günstiger Witterung habe ich ihn dann zur richtigen Zeit zunächst mit dem Fernglas aufgesucht und gefunden, und dann mit dem bloßen Auge (s. den bereits zitierten Beobachtungsbeitrag in SuW 3/1998). Und das ganze auf Meereshöhe - insofern kann ich die Aussage von G. Können aus eigener Erfahrung bestätigen: >This implies that Sirius can be visible from sea level in broad daylight assuming clear skies with Sirius positioned overhead, even if the culmination of Sirius takes place at solar noon.< Eine entsprechende Tagessichtbarkeit von Kanopus könnte ich mir auch vorstellen - aber bei 52° Süd ist dies (mit festem Boden unter den Füßen) leider nur von der äußersten Südspitze Südamerikas aus möglich.

Unter den Kandidaten für die Freisichtigkeit am Tageshimmel wird gelegentlich auch Mars genannt, da er unter günstigen Umständen (Perihel-Opposition) heller als Jupiter werden kann. Das Problem dabei ist allerdings, dass Mars dann in bzw. nahe seiner Opposition steht und nicht (hoch) am Tageshimmel beobachtet werden kann. Er kann also nur kurz vor Sonnenuntergang bzw. nach Sonnenaufgang gesichtet werden. So habe ich ihn am 12.10.2003 bereits 2 min vor Sonnenuntergang sicher sehen können (das war in der Türkei) (Helligkeit: -1.8 mag). Mars gelangte am 28.08.2003 in Opposition - gerade 2 Tage(!) vor seinem Perihel - und wurde -2.7 mag hell. Aber zu dem Zeitpunkt war eine Tagessichtbarkeit natürlich ausgeschlossen.

Bei uns steht die Wega (+0.0) bei der Kulmination nahe des Zenits. Theoretisch unsichtbar mit bloßem Auge am Tageshimmel. Aber wie ist es bei ausnahmsweise idealen Bedingungen, wie wir sie zB in den vergangenen Tagen hatten? Ich erinnere mich noch an den einen Abend im März 1996, als der Komet Hyakutake seinen Schweif in größter Länge zeigte: da stand der Halbmond am Himmel - aber er hellte ihn überhaupt nicht auf. Die Luft war so extrem klar, dass ich den Schweif auf unvorstellbare 55° Länge erkennen konnte - trotz Mond! Es gibt also hin und wieder Ausnahmesituationen, die man nutzen könnte... Wega steht zur Zeit bei Sonnenuntergang genau im Meridian (10° südlich des Zenits) - also gerade noch zeitig, um es zumindest mal mit dem Fernglas zu versuchen.

Gruß vom Kaiserstuhl,
Christoph

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Laura Kranich
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Laura Kranich » 5. Okt 2015, 22:18

Hallo ihr,
danke für eure echt interessanten Beiträge! Ich werde demnächst mal schauen, wie einfach es ist, die Venus zu finden wenn man Hilfsmittel wie hohe Gebäude oder dergleichen benutzt.
Wenn das Wetter wieder entsprechend ist. Vielleicht klappt es ja dann sogar mal mit Jupiter.

Du hast jedenfalls absolut Recht, Christoph, die Luftqualität und Transparenz macht sehr viel aus. Der Himmel kann wolkenfrei sein, die Sicht trotzdem sehr bescheiden.
Das habe ich schon bei den unterschiedlichsten Beobachtungen festgestellt, sei es die Beobachtung der Alpen und Vogesen aus dem Nordschwarzwald, nachtleuchtende Wolken am Sommerhimmel, Polarlichter oder unsere kosmische Nachbarschaft, alles steht und fällt stark mit der Luftqualität. Insbesondere in Kiel sind mir zuletzt öfter extrem klare Sichtverhältnisse aufgefallen, mit stahlblauem Himmel bis ganz zum Horizont oder neulich auf Fehmarn während der Mondfinsternis ein Sternenhimmel, den ich so zuvor ungelogen noch nie erlebt habe, annähernd vielleicht (in Zenitnähe) auf den hohen Gipfeln des Schwarzwaldes.
Solche Sichtverhältnisse gehen nach meinen Beobachtungen fast immer auf Norwegenföhn oder Nordwestwind über das Meer zwischen Norwegen und Schottland zurück, worauf ich in Zukunft besonders achten und dies nutzen will. Ich hoffe auch auf eine baldige Wiederkehr, denn wie ich kürzlich festgestellt habe, lässt sich an der Ostsee - bei entsprechenden Bedingungen - hervorragend das herbstliche Zodiakallicht beobachten.

Viele Grüße aus Kiel,
Chris

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Elmar Schmidt
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Elmar Schmidt » 6. Okt 2015, 16:04

Lieber Christoph,

die Venus ist und bleibt ugf. ihre -4,3 m hell, auch am Taghimmel. Entscheidend ist halt m.E. wieviel Himmelslicht zusätzlich in das Auflösungsscheibchen des Auges paßt, in dem sie steht. Du mußt Dir dazu klar machen, daß das Molekular- und Aerosolstreulicht auch voll vor der Venus liegt. Natürlich sind wir uns einig, daß das Auge dazu scharf gestellt sein muß.

Es handelt sich beim zugemischten Streulicht unter guten Bedingungen um die von mir oben ausgerechneten -3 m (bei allerbesten Bedingungen vielleicht auch nur -2,5 m). Die Venus mit -4.3 liegt also dann um den Faktor 3 (bis 5) drüber. Das war mit S/N gemeint. Ein solcher Wert ist natürlich völlig unschwierig, wenn nicht das Fokussierungsproblem wäre. Ich erinnere die Bedeckung der Venus (ich glaube 2007 oder 2008) und da stand sie wie eine "Eins" klipp und klar neben dem Mond.

Und auch am Nachthimmel paßt es in etwa so: ein guter mondloser Himmel hat nur +19 bis 21 m an Helligkeit pro Quadratbogensekunde. Da die Auflösung des dunkeladaptierten Auges aber bis auf nur etwa 7 Bogenminuten(!) heruntergeht fallen in ein solches Scheibchen oder "Pixel" etwa das 50*3600=180.000-fache davon, das entspricht einem Stern 6. bis 8 und wiederum bei einem S/N von 1:1 der bekannten Grenzgröße. Analoge Überlegungen greifen übrigens auch an einem Vollmondhimmel, für den man dann Grenzgrößen von +3 bis +4 zu einem S/N von 1:1 abschätzen kann.

Außer mir stellt die aber anscheinend keiner an, was auch mit der Dreiteilung und mangelnden Kommunikation zwischen den Anwendern astronomischer, photometrischer (ich) und radiometrischer (die meisten Physiker sonst) Größen zu tun hat; vgl. mein AKM-Seminarvortrag von Hannover 2013 übers Auge als Instrument des Astronomen.

Natürlich hängen die tatsächlichen Grenzgrößen von der individuellen Seh- und Schärfeleistung ab. Es ist auch nicht gesagt, daß ein S/N von 1:1 eine harte Nachweisgrenze ist, obwohl es die obigen Ausführungen fürs Auge doch ganz gut bestätigen. Nur messend-integrierende Geräte detektieren noch Signale, die wenig bis winzig überm Untergrund liegen. Man denke z.B. an Exoplanetentransits oder die Fern-IR-Astronomie, bei der ja die Teleskope taghell "glühen".

Die Wega tags mit dem bloßen Auge zu sichten, halte ich für illusorisch (S/N ugf. 1:16). Man sollte sie vielleicht einfach mal hochstehend in der Morgendämmerung zu "behalten" versuchen, mit Teleskop, Fernglas/Sucher und dem Auge. Letzteres müßten dann aber m.E. "Nichteingeweihte" eindeutig bestätigen.

Beste Grüße

Elmar


PS: wenn die Venus am Taghimmel 5-mal überm Untergrund liegt, ist das analog zu einem Stern 4.5- bis 5.5-ter Größe an einem guten Nachthimmel. Insofern ist Deine "Aufmerksamkeitsskala" nicht verkehrt. Ich würde trotzdem davon abraten, die normalen Magnituden sind schon genug Voodoo, wenn man sie (wie ich) an lichttechnische Größen anschließen muß... :-)

Kevin Förster
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Kevin Förster » 1. Nov 2015, 12:16

Hallo zusammen,

dieser sehr interessante Beitrag hatte auch mich dazu animiert am Taghimmel nach der Venus Ausschau zu halten. Das erste Mal versuchte ich es am 5. Okt. Allerdings saß ich da grad in einem fahrenden Zug, was die ganze Sache nicht so einfach machte. Da mir da aber langweilig war, versuchte ich mein Glück. Für kurze Zeit fand ich die Venus auch, ein Wiederfinden war aber nicht möglich.

Daher unternahm ich gerade eben einen weiteren Versuch, die Venus am Taghimmel zu beobachten. Nach einiger erfolgloser Zeit, sie mit bloßem Auge zu finden, griff ich zunächst zum Fernglas. Auch hier hat es einiger Zeit gedauert, bis ich sie hatte. Als ich dann aber wusste, wo sie ist, ging es auch mit bloßem Auge. Das Wiederfinden ging ebenfalls mehrmals ohne Problem. Ich Fernglas zeigte sich auch die Sichelform sehr schön.
Als nächstes suchte ich im Fernglas den Jupiter, den ich aber absolutnicht gefunden hab. Mit bloßem Auge versuchte ich es deshalb gar nicht erst.

Für mich war es ganz spannend zu sehen, wie deutlich sie doch zu sehen ist. Es ist mir aber auch aufgefallen, dass die Deutlichkeit etwas schwankte, während ich sie (vermeintlich) fokussiert hab. Das liegt vielleicht daran, dass die Fokussierung leicht nachlässt. Denn ich musste mich erst wieder stark auf die Venus konzentrieren, damit sie wieder richtig deutlich wurde.

Wenn das Wetter passt und ich ein wenig Zeit habe, versuch ich morgen sie wiederzufinden. Mal sehen, wie gut das klappt.

Viele Grüße Kevin

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Stefan Schwager
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Re: Beobachtungen am Tageshimmel (ohne optische Hilfsmittel)

Beitrag von Stefan Schwager » 1. Nov 2015, 19:23

Hallöchen :P

toller Bericht und Versuch. Seit Jahren schon gelingt es mir in nahezu jedem Freiversuch, die Venus am Tageshimmel zu finden. Dazu bedarf es viel Übung, keine Frage, doch vor allem nach der Venusbedeckung am Tageshimmel durch den Mond von 2007 habe ich es immer wieder versucht und gezielt geübt.

Bild

Damals war die so hell neben dem Mond zu sehen, dass wir uns die Frage stellte, ob dies nicht auch sonst immer möglich ist und so begann es. An diesem Junitag stand die Venus noch hoch über dem Horizont und es war noch Stunden bis zum Sonnenuntergang, so dass es taghell war.
Sogar mit Gästen haben wir den effekt regelmäßig überprüft und vom Kind bis zum Rentner konnten wir mittels einfacher Positionsbeschreibung den Gästen einen "Stern" am Tageshimmel zeigen. Die Gäste waren/ sind immer begeistert wenn sie die Venus entdecken.

Gleiches ist nach Bedeckungen des Mondes von Mars, Aldebaran, Regulus und Jupiter zu sagen. Durch den Referenzpunkt Mond in der zeitlichen Nähe einer Begegnung/ Bedeckung hat man die Chance zu testen, ob man mit bloßem Auge den Stern/ Planeten in der Nähe erkennen kann. Jedes Mal waren wir erstaunt, dass dies gelang, WENN denn das Wetter auch passte. Selbst Regulus war bei einer Bedeckung in der Nähe des Mondes erkennbar, aber schon 4h nach der Bedeckung war es schwierig ihn auf Anhieb zu finden. Die Referenz am Mond in der Nähe hilft dem Auge zu fokusieren.

Der Versuch lohnt sich also immer und wer es gut geübt hat, kann jederzeit die Venus am Tageshimmel aufspüren und beobachten. Mit der Zeit bekommt man auch ein Gespür über die mögliche Position, sobald man an gewohnten Orten den Verlauf der Ekliptik am Himmel ungefähr abschätzen kann. Wenn dann Mond, Sonne und Venus am Tageshimmel bekannt sind, kann man sich an die anderen Planeten wagen und wird erstaunt sein. Ich kann bis zum Jupiter mehrfache visuelle Bestätigung der Tagessichtbarkeit jeweils am Vormittag - frühen Nachmittag machen und habe es mehrfach, auch mit Gästen und Kollegen versucht.
Aufpassen sollte man aber bitte immer bei entsprechender Sonnennähe, denn da ist es sehr schwierig und vor allem für die Augen riskant, die Venus suchen zu wollen.
Als ich mal mit einem sehr alten Astronomielehrer unterwegs war und es sich anbot, konnte ich ihm erstmals die Venus mit bloßem Auge am Tageshimmel zeigen. Dieser glaubte es kaum und fragte sich, warum er es vorher noch nie selbst mal probiert hatte. Mit Tränen in den Augen genoss er förmlich diesen Moment. Ein sehr bewegendes Ereignis.

An idealen Sommertagen ist Sirius im Südhimmel sehr gut zu finden - auch wenn Geduld hierbei unabdingbar ist. Sollte man probieren.
Wenn man sowas gut eingeübt hat, so fällt es einem auch sehr viel leichter z.B. mal den Merkur in der Dämmerung ausfindig zu machen, wenn dieser signifikante Sichtbarkeitszeiten hat. Durch das Üben der Augen, im Streulicht der Sonnenstrahlen schwächste Sternlichter ausfindig zu machen, kann man sich auf solche Ereignisse vorbereiten.

Ein tolles Experiment am Tage und eine tägliche Herausforderung die Augen zu testen :shock:

Viel Spaß allen weiterhin beim Testen

Stefan :P

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