Tunguska, NLCs und ein Shuttle Start

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Moderator: StefanK

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Jan Hattenbach
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Tunguska, NLCs und ein Shuttle Start

Beitrag von Jan Hattenbach » 27. Jun 2009, 19:08

Hallo zusammen,

auf folgende Pressemeldung bin ich gestoßen:

http://www.eurekalert.org/pub_releases/ ... 062409.php

auf Spiegel Online stand es auch schon:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/welt ... 92,00.html

und http://www.wissenschaft.de/wissenschaft ... 04738.html

In Kürze: Das Tunguska-Ereignis 1908 sei durch einen Kometen verursacht, der große Mengen Wasserdampf in die obere Atmosphäre eingebracht hat, als er explodierte. Dieses habe dann NLCs ausgelöst, die für die in den Tagen nach dem Ereignis in Europa und Amerika sichtbaren Leuchterscheinungen am Himmel verantwortlich waren. Inspiriert zu dieser Erkenntnis wurden die Autoren der Studie, als kurz nach einem Shuttlestart 2007 ebenfalls NLCs sichtbar wurden. Denn das Shuttle bringe genauso Wasserdampf in die Atmosphäre ein wie seinerzeit der Tunguska-Komet.

Ist das nicht ein wenig viel Spekulation? Meiner Meinung nach müssten erst einmal die Frage geklärt sein, ob die Leuchterscheinungen, von denen 1908 berichtet wurde, tatsächlich NLCs waren. Und erscheinen NLCs nichjt auch ohne Shuttle Start? Mir kommt es ein bisschen so vor, als würde hier ein Zusammenhang konstruiert, der nicht unbedingt gegeben ist. Leider komme ich an die Originalveröffentlichung nicht heran.

Eure Meinung dazu täte mich sehr interessieren!

Viele Grüße, Jan

RainerKracht
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Beitrag von RainerKracht » 27. Jun 2009, 19:54

Hallo Jan,

der Artikel in Spiegel-online hat mich auch nicht überzeugt.
WENN da ein wasserreicher Körper über der Tunguska explodiert ist,
dann KANN das vielleicht NLCs verursacht haben.
Mehr ist da wohl nicht dran.

Die Beschreibungen der Himmelsphänomene aus jener Zeit,
die ich kenne, lassen eher große Staubmengen als ihre Ursachen
vermuten.

Gruß, Rainer

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Matthias Juchert
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NLC Entstehung

Beitrag von Matthias Juchert » 27. Jun 2009, 21:09

Hallo Jan,

Ich sehe das genau wie Rainer.
Für die Entstehung von NLCs sind neben niedrigen Temperaturen
vor allem Staubkerne als Grundlage für die Kristalisation notwendig.
Und dieser Staub kann sowohl durch extraterrestrische Einflüße (Meteoriten)
als auch durch irdische Faktoren (z.B. Vulkanausbrüche) in die Athmosphäre
gelangen.

Viele Grüße,
Matthias
http://www.serifone.de/nlc.html - meine aktuellen NLC-Beobachtungen

Bernt Hoffmann
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(Dumme?) Frage dazu ...

Beitrag von Bernt Hoffmann » 27. Jun 2009, 21:35

Hallo zusammen,

von Raketen- oder Shuttle-Starts verstehe ich zu wenig, um hier mitreden zu können. Was mich bei Spiegel-online allerdings wundert, ist der Hinweis, dass das Space-Shuttle mit der "Abgasfahne (...) Wasserdampf in die Atmosphäre bläst".

Wirklich Wasserdampf ??

In der weiteren Ableitung Richtung NLC könnte ich mir (laienhaft) wohl noch vorstellen, dass Rußpartikel aus den Raketentriebwerken die besagten Kondensationskerne in höhere Atmosphärenschichten bringen ...
Oder ist das jetzt zu kurz gedacht ???

VG, Bernt

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Michael Theusner
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Re: (Dumme?) Frage dazu ...

Beitrag von Michael Theusner » 27. Jun 2009, 23:51

Bernt H. hat geschrieben:Hallo zusammen,
von Raketen- oder Shuttle-Starts verstehe ich zu wenig, um hier mitreden zu können. Was mich bei Spiegel-online allerdings wundert, ist der Hinweis, dass das Space-Shuttle mit der "Abgasfahne (...) Wasserdampf in die Atmosphäre bläst".

Wirklich Wasserdampf ??
Ja, denn im Haupttank (dem großen roten) befinden sich Wasserstoff und Sauerstoff, durch deren Reaktion zu Wasser der Schub erzeugt wird (Knallgasreaktion). Das Abgas besteht, wie ich mal gelesen habe, entsprechend zu fast 100% aus Wasserdampf. Das ist alles korrekt.

Und in der Höhe, bei einem Taupunkt von -140°C, kann man mit extrem wenig Wasserdampf sehr viel Wolken erzeugen.
In der weiteren Ableitung Richtung NLC könnte ich mir (laienhaft) wohl noch vorstellen, dass Rußpartikel aus den Raketentriebwerken die besagten Kondensationskerne in höhere Atmosphärenschichten bringen ...
Oder ist das jetzt zu kurz gedacht ???

VG, Bernt
Wie gesagt, Ruß ensteht aus Wasser- und Sauerstoff nicht. Du denkst da vielleicht an die SRBs, die seitlich montierten Feststoffraketen. Die werden aber schon unterhalb von 70 km abgesprengt und gelangen gar nicht in die Höhe, in der die NLCs enstehen.

Ach, da habe ich auch gerade noch den entsprechenden alten NASA Artikel wiedergefunden:
http://www.nasa.gov/centers/goddard/new ... shine.html

Viele Grüße,
Michael

wolfgang hamburg
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Re: NLC Entstehung

Beitrag von wolfgang hamburg » 28. Jun 2009, 08:49

Moin Matthias,
Matthias Juchert hat geschrieben:Und dieser Staub kann sowohl durch extraterrestrische Einflüße (Meteoriten)
als auch durch irdische Faktoren (z.B. Vulkanausbrüche) in die Athmosphäre
gelangen.
also Vulkanasche ist in den letzten 200 Jahren niemals bis in 80km Höhe gelangt. Ich bezweifele auch, das das ein Supervulkan schafft. Das Vulkanasche bei stratosphärischen Wolken eine Rolle spielt ist klar, die sind auch nur ein Drittel so hoch wie NLC.

Grüße wolfgang

Bernt Hoffmann
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@ Michael: Vielen Dank ... + Frage an Wolfgang ...

Beitrag von Bernt Hoffmann » 28. Jun 2009, 10:31

@ Michael:
DANKE für Deine ausführliche Erklärung. Klasse! Wieder was dazu gelernt.

@Wolfgang:
Ehrlich gesagt wusste ich das bisher auch nicht, das Vulkanasche gar nicht in die NLC-Höhe steigen kann. Im Umkehrschluss bedeutet das dann aber doch ziemlich gesichert, dass der "Staub" in 80 km oder höher von außen, sprich aus dem Weltall, kommen muss. Oder??

Herzlich, Bernt

wolfgang hamburg
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Beitrag von wolfgang hamburg » 28. Jun 2009, 12:11

Moin Bernt,

ich bin kein Fachmann, aber ich lese ziemlich viel darüber. Die maximale Höhe die mir bisher untergekommen ist, war da 42km. Der Pinatubo kam 1991 auf 30km. Die Lacher See Eruption vor ca. 14000Jahren wird auf 35km geschätzt. Eine Grafik zu Explosionstypen zeigt max. <55km. Also immer noch mind. 25km zu wenig:
Bild
aus http://volcanoes.usgs.gov/ash/properties.html
Die meisten Modelle zur Ascheverteilung rechnen bis auf die barometrische Höhe von 10hPa, das ist ca. 30km hoch.

Für mich bleiben da als Kristallisationskeime nur festes außerirdisches Material und eventuell ionisierende Strahlung(auch von außen; wie in der Nebelkammer; Ob ionisierte Gasteilchen auch als Kristallisationskeime wirken können?) über.

Grüße wolfgang

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Jan Hattenbach
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Beitrag von Jan Hattenbach » 30. Jun 2009, 18:06

Hallo nochmals,

nachdem ich mir die Veröffentlichung durchgelesen habe, finde ich die ganze Sache zwar immer noch etwas spekulativ, aber doch einleuchtend. Die Erklärung macht schon Sinn, immerhin mehr Sinn als so manch andere Spekulation zu Tunguska....

Ich habe das Papier hier einmal mit eigenen Worten zusammengefasst.

VG, Jan

RainerKracht
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Beitrag von RainerKracht » 30. Jun 2009, 21:14

"etwas spekulativ" heißt doch: das muß man nicht ernstnehmen.

Augenzeugen-Berichte gibt es ja viele, mal als Beispiel den von
Spencer Russell im Royal Meteorological Society Quarterly Journal
für die Nächte des 30. Juni und 1. Juli 1908:

"Ein stark ausgeprägtes orange-gelbes Licht wurde im Norden und
Nordosten erkennbar ... und verursachte eine ungewöhnliche
Verlängerung des Zwielichts bei Tagesanbruch des 1. Juli, während
der Osthimmel von einem intensiven grünen bis goldgelben Schimmer
überzogen war... In diesen beiden Nächten war der ganze Nordhimmel,
vom Horizont bis zu einem Winkel von 40 Grad, rötlich eingefärbt,
angefangen von Rosa bis zu Purpur. Irgendein Flimmern oder Flackern
war nicht erkennbar, auch keine Bildung von Lichtstreifen oder
hellen Bögen, wie das sonst bei Nordlichterscheinungen charakteristisch
ist..."

Das klingt nun wirklich nicht nach Leuchtenden Nachtwolken


Gruß, Rainer

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Jan Hattenbach
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Beitrag von Jan Hattenbach » 1. Jul 2009, 05:51

Hallo Rainer,
"etwas spekulativ" heißt doch: das muß man nicht ernstnehmen.
Nein, mit "spekulativ" meine ich, dass die Autoren Schlüsse aus Annahmen ziehen, die erst noch belegt werden müssen.

Das Zitat, das du genannt hast, klingt in der Tat nicht nach NLC. In ihrem Artikel zitieren die Autoren einen Zeugen mit
suddenly, after 10pm, a sheet of cirrostratus appeared in the NNW, making it seem, by the sun's reflection, almost as bright as daylight
Das könnten vielleicht NLC gewesen sein, die für Cirruswolken gehalten wurden.

VG, Jan

Wolfgang Dzieran
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Aufklärung

Beitrag von Wolfgang Dzieran » 3. Jul 2009, 13:10

Hallo,

im neuesten Interstellarum-Newsletter gibt es zu diesem Thema einen sehr interessanten Artikel:

http://www.oculum.de/newsletter/astro/0 ... .dn3bb.htm

So wie es jetzt dargestellt war, dürfte das Ereignis wohl doch nicht gewesen sein, aber: nur selber lesen macht schlau :-)

Clear Skies

Wolfgang
aus Bad Lippspringe

Ulrich Sperberg
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Beitrag von Ulrich Sperberg » 4. Jul 2009, 15:55

Hallo,
die Originalarbeit gibts hier: http://www.agu.org/journals/gl/papersinpress.shtml

Grüße
Ulrich, der schon ewig nicht im Forum war

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