Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

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StefanK
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Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von StefanK » 20. Jun 2016, 17:35

Vergleich MSEs und NLCs
In einer Tabelle (Download als pdf, 526 kb) wurde an Hand von archivierten OSWIN-Plots des IAP und der NLC-Chronik jeweils für die Monate Juni und Juli der Jahre 2007 bis 2016 das Auftreten von MSEs am Tag und von NLCs in der darauf folgenden Nacht gegenüber gestellt. Abzüglich mehrerer Zeitabschnitte, für die keine OSWIN-Daten zur Verfügung stehen, bleiben 511 auswertbare Tage, von denen 335 MSEs und 232 NLCs lieferten.
- 80% der NLC-Nächte gingen MSEs voraus
- 20% der NLC-Nächte gingen keine MSEs voraus
- 6% der beobachteten NLCS traten ohne vorhergehende oder nachfolgende Echos auf ("Isolierte NLCs")
- 30% der echofreien Tage folgten NLCs
- 52% der Tage mit MSEs folgten in der anschließenden Nacht visuell erfassbare NLCs
Letztgenannte Zahl ist per se keine sonderlich beeindruckende Quote. Zusammen mit der Erkenntnis, dass die meisten (80%) der NLC-Displays auf Tage mit MSEs folgen, lässt sich aber zunächst festhalten, dass die Erfolgschancen nach MSE-freien Tagen wesentlich geringer sind als nach Tagen mit MSEs.

Zu beachten ist, dass auf Grund großflächiger Bewölkung in manchen Nächten trotz der hohen Beobachterdichte (u.a. durch die automatischen Webcams des IAP) nirgendwo in Deutschland NLC-Sichtungen möglich waren, während OSWIN durch troposphärische Wolken nicht behindert wird. Demnach dürfte die tatsächliche Zahl von NLC-Nächten etwas höher und die Korrelation zwischen MSEs und NLCs etwas stärker sein, als hier angegeben.
Die Mehrzahl der NLC-Displays ist nur im Norden Deutschlands, oberhalb etwa des 52. Breitengrades sichtbar. Deshalb sind die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen MSEs und NLCs streng genommen auch nur dort gültig.


Späte Echos
Die nächste Frage ist, ob es eine Rolle spielt, wann am Tag Echos auftreten. Man sollte annehmen, dass die Chancen auf NLCs höher sind, wenn Echos kurz vor Sonnenuntergang produziert werden, da dann die Wahrscheinlichkeit einer zwischenzeitlichen Auflösung der Eiskristalle geringer sein dürfte. Schaut man sich gezielt die Tage an, an denen mindestens bis 20 Uhr MESZ (18 Uhr UT) MSEs registriert wurden ("Späte Echos"), ergibt sich:
- Nach 72% der Tage mit späten Echos wurden NLCs beobachtet
- Nach 77% der Tage mit kräftigen späten Echos wurden NLCs beobachtet
Hier ist der Vorhersagewert bereits recht hoch, allerdings auf einer wesentlich geringeren Datengrundlage (101 bzw. 39 Tage mit entsprechenden Echos).
Schließlich gab es in dem 10jährigen Referenzzeitraum 23 Tage, an denen Echos noch um 21 Uhr MESZ (= 19 Uhr UT) oder später auftraten ("Sehr späte Echos"). In 21 Fällen (91%) wurden anschließend NLCs beobachtet. Sehr späte Echos sind in aller Regel schwach, weil um diese Zeit bereits die Rekombination bei weitem stärker ist als die Neubildung von freien Elektronen. Andererseits sind solche Echos allein durch ihr Auftreten bereits ein Indiz für starke NLC-Aktivität.

Lange Echos
Schließlich bleibt noch zu klären, welchen Vorhersagewert langanhaltende Echos besitzen. Als "Lange Echos" seien solche definiert, welche über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden ununterbrochen oder aber mit Unterbrechungen von insgesamt höchstens 3 Stunden Dauer anhalten. Auf Grundlage der archivierten Datensätze ist hier nur eine Auswertung der Jahre 2007 - 2014 möglich. In diesem Zeitraum traten an 25 Tagen lange Echos auf, darunter 20 Tage mit zugleich späten oder sehr späten Echos. Das Ergebnis ist:
- Nach 68% der Tage mit langen Echos wurden NLCs beobachtet
- Nach 79% der Tage mit langen und zugleich späten bzw. sehr späten Echos wurden NLCs beobachtet
Offenbar ist die Wahrscheinlichkeit, dass NLCs auftreten, in Nächten nach langen Echos höher als in Nächten nach kürzeren Echos. Allerdings ist die Datengrundlage hier ebenfalls recht dünn.

Für den Zeitraum 2003 - 2010 liegen detaillierte Auswertungen von Olaf Squarra vor, welche sich vor allem auf späte und sehr späte OSWIN-Echos beziehen (s. nächsten Post).
Alles über Leuchtende Nachtwolken: http://www.leuchtende-nachtwolken.info/

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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von Dennis Hennig » 20. Jun 2016, 20:09

Vielen Dank für diese tolle Auswertung! :wow:

Eine Frage dazu: Der Beobachtungsbereich bezieht sich nur auf Sichtungsmeldungen aus Deutschland,
und hier schwerpunktmäßig auf Enthusiasten südlich, westlich bzw. in der Nähe des Kühlungsborner Radares?
Vielleicht kannste dazu noch einmal einen Satz schreiben. Dankeschön!

Grüße
Dennis

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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von OlafS » 20. Jun 2016, 21:17

Das ist ganz gut, Stefan, daß das mal nach "oben" kommt.

Na, dann möchte ich meine Auswertung und Betrachtung aus der Zeit von 2003 - 2010 auch wieder hervorkramen.
Soll irgendwann weiter fortgeführt werden... Die Daten dazu liegen immerhin auf Halde.

Meine Erkenntnis war bereits zu den Anfängen der Auswertung, daß MSE zwar generell immer spannend und interessant sind, der praktische Wert für uns (Nacht-)Beobachter aber grundsätzlich auf möglichst späten Echos beruht.

Ich zitiere von damals:
Ziel meiner Auflistung:

- ...ist zu zeigen, daß das Heranziehen von OSWIN-MSE-Daten für die Beobachtungsplanung durchaus sinnvoll ist.

- ...ist zu zeigen, daß OSWIN-MSE möglichst bis 19 UTC, besser über 19 UTC hinaus festgestellt werden sollten. Die Wahrscheinlichkeit für ~ hochreichende visuelle NLC bei ca. 54°N in D ist dann recht hoch (Abendhimmel). Somit ergibt sich auch die Gelegenheit von geringeren heimischen Breiten auf Beobachtungserfolg hoffen zu dürfen. Es lohnt sich also den Wecker zu stellen oder nicht zu früh zu Bett zu gehen :-)

- ...Aber: Das abendliche Ausbleiben von MSE ist nicht unbedingt ein Grund früh schlafen zu gehen. Weiter im Norden befindliche NLC bzw. auch erst heranziehende NLC mit entsprechend passenden MSE-Bedingungen können von OSWIN noch gar nicht erfaßt werden (Radarauffassung = zenitnah).


Tabellarischer Vergleich: Auftreten von (späten) M S E in Verbindung mit
Beobachtungen von N L C am ~Abendhimmel über ~Deutschland


http://3sky.de/NLC/PMSE/MSE_NLC/NLC_MSE.html


Die allgemeinere Info von damals ist auch noch nicht gänzlich ungültig:
L e u c h t e n d e N a c h t w o l k e n u n d „P M S E“

http://3sky.de/NLC/PMSE/pmse_nlc.html


Und zu vorerst guter Letzt:
Unabhängig von gerechneten Statistiken lohnt es sich in den entsprechenden Breiten im Sommer i-m-m-e-r nach NLC Ausschau zu halten!
Solange uns nicht großräumig weitere Echtzeitdaten zur Verfügung stehen ist die Chance quasi 50 / 50 ...!
Gerade auch, was die heutige Kameratechnik so her gibt...
https://3sky.de/NLC/Noctilucent_Clouds.html#REALTIME
Meine PL, NLC, PSC-Beobachtungen, Wetterlinks u.a.: https://3sky.de

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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von StefanK » 20. Jun 2016, 22:13

Hallo Dennis,

verglichen wurde, ob in Nächten nach OSWIN-Echos irgendwo in Mitteleuropa NLCs beobachtet wurden, ganz gleich wieweit die Beobachtungsorte von Kühlungsborn entfernt waren. Nun zeigt aber langjährige Erfahrung (s. Auswertungen unter http://www.leuchtende-nachtwolken.info/nlc.htm), dass der allergrößte Teil der NLC-Displays erst oberhalb von 52°N sichtbar ist. Daher gelten die angegebenen Wahrscheinlichkeiten eben auch nur für den Norden Deutschlands. Und dort sollte man bei klarem Wetter immer raus gehen, auch wenn an OSWIN nichts zu sehen war. Weiter südlich wird es vor allem dann besonders erfolgversprechend, wenn OSWIN späte Echos (bis mindestens 20 MESZ) zeigt.
Aber es geht hier auch nicht um eine detallierte statistische Auswertung, sondern um ein einfaches Vorhersagemodell, welches Anhaltspunkte für die Beobachtungssaussichten in der jeweils anstehenden Nacht gibt.

Viele Grüße aus Bonn,

Stefan
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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von StefanK » 2. Mai 2017, 07:30

Hallo zusammen,

nach Auswertung der Saison 2016 habe ich den Eingangsbeitrag aktualisiert. Neu ist ein Abschnitt zum Vorhersagewert lang anhaltender OSWIN-Echos.

Viele Grüße aus Bonn,

Stefan
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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von Silvia Kowollik » 2. Jul 2017, 20:56

Hi,

bin neu hier und verstehe die Fachbegriffe noch nicht. Konkret: was ist ein "OSWIN-Echo"? Was ist "MSEs" ausgeschrieben? Gibt es irgendwo ne Webseite, wo ich das nachlesen kann (am liebsten auf deutsch, weil Babbelfishübersetzung nicht so gut verständlich ist).

Grüße
Silvia

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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von StefanK » 2. Jul 2017, 21:00

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Re: Zusammenhang OSWIN-Echos & NLCs

Beitrag von StefanK » 6. Mai 2020, 20:24

Hallo zusammen,

nach 4 Jahren ist es Zeit für eine Aktualisierung:

Vergleich MSEs und NLCs
In einer Tabelle (Download als pdf, 196 kb) wurde an Hand von archivierten OSWIN-Plots des IAP und der NLC-Chronik jeweils für die Monate Juni und Juli der Jahre 2007 bis 2019 das Auftreten von MSEs am Tag und von NLCs in der darauf folgenden Nacht gegenüber gestellt. Abzüglich mehrerer Zeitabschnitte, für die keine OSWIN-Daten zur Verfügung stehen, bleiben 687 auswertbare Tage, von denen 499 MSEs und 356 NLCs lieferten.
- 80% der NLC-Nächte gingen MSEs voraus
- 18% der NLC-Nächte gingen keine MSEs voraus
- 4% der beobachteten NLCS traten ohne vorhergehende oder nachfolgende Echos auf ("Isolierte NLCs")
- 34% der echofreien Tage folgten NLCs
- 57% der Tage mit MSEs folgten in der anschließenden Nacht visuell erfassbare NLCs
Letztgenannte Zahl ist per se keine sonderlich beeindruckende Quote. Zusammen mit der Erkenntnis, dass die meisten (80%) der NLC-Displays auf Tage mit MSEs folgen, lässt sich aber zunächst festhalten, dass die Erfolgschancen nach MSE-freien Tagen wesentlich geringer sind als nach Tagen mit MSEs.

Zu beachten ist, dass auf Grund großflächiger Bewölkung in manchen Nächten trotz der hohen Beobachterdichte (u.a. durch zahlreiche automatische Webcams) nirgendwo in Deutschland NLC-Sichtungen möglich waren, während OSWIN durch troposphärische Wolken nicht behindert wird. Demnach dürfte die tatsächliche Zahl von NLC-Nächten etwas höher und die Korrelation zwischen MSEs und NLCs etwas stärker sein, als hier angegeben.
Etwa die Hälfte aller NLC-Displays ist nur im Norden Deutschlands, oberhalb des 52. Breitengrades sichtbar. Deshalb sind die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen MSEs und NLCs streng genommen auch nur dort gültig.


Späte Echos
Die nächste Frage ist, ob es eine Rolle spielt, wann am Tag Echos auftreten. Man sollte annehmen, dass die Chancen auf NLCs höher sind, wenn Echos kurz vor Sonnenuntergang produziert werden, da dann die Wahrscheinlichkeit einer zwischenzeitlichen Auflösung der Eiskristalle geringer sein dürfte. Schaut man sich gezielt die Tage an, an denen mindestens bis 20 Uhr MESZ (18 Uhr UT) MSEs registriert wurden ("Späte Echos"), ergibt sich:
- Nach 76% der Tage mit späten Echos wurden NLCs beobachtet
- Nach 83% der Tage mit kräftigen späten Echos wurden NLCs beobachtet
Hier ist der Vorhersagewert bereits ziemlich hoch, allerdings auf einer merklich geringeren Datengrundlage (151 bzw. 52 Tage mit entsprechenden Echos).
Schließlich gab es in dem 13jährigen Referenzzeitraum 53 Tage, an denen Echos noch um 21 Uhr MESZ (= 19 Uhr UT) oder später auftraten ("Sehr späte Echos"). In 48 Fällen (91%) wurden anschließend NLCs beobachtet. Sehr späte Echos sind in aller Regel schwach, weil um diese Zeit bereits die Rekombination bei weitem stärker ist als die Neubildung von freien Elektronen. Andererseits sind solche Echos allein durch ihr Auftreten bereits ein Indiz für starke NLC-Aktivität.

Lange Echos
Schließlich bleibt noch zu klären, welchen Vorhersagewert langanhaltende Echos besitzen. Als "Lange Echos" seien solche definiert, welche über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden ununterbrochen oder aber mit Unterbrechungen von insgesamt höchstens 3 Stunden Dauer anhalten. Auf Grundlage der archivierten Datensätze ist hier nur eine Auswertung der Jahre 2007 - 2014 sowie 2017 - 2019 möglich. In diesem Zeitraum traten an 38 Tagen lange Echos auf, darunter 31 Tage mit zugleich späten oder sehr späten Echos. Das Ergebnis ist:
- Nach 76% der Tage mit langen Echos wurden NLCs beobachtet
- Nach 83% der Tage mit langen und zugleich späten bzw. sehr späten Echos wurden NLCs beobachtet
Offenbar ist die Wahrscheinlichkeit, dass NLCs auftreten, in Nächten nach langen Echos höher als in Nächten nach kürzeren Echos. Allerdings ist die Datengrundlage hier ebenfalls recht dünn.


Viele Grüße aus Bonn,

Stefan
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