Hallo zusammen,
die Verwechslungsgefahr von Cirrus und Cirrostratus mit Leuchtenden Nachtwolken war in den letzten Wochen mehrfach Thema im Forum. Es gab zudem mindestens einen größeren Verwechslungsfall (viewtopic.php?t=9715#p45771), ebenso in der Saison 2012 (viewtopic.php?f=2&t=10503). Nebenbei sei erwähnt, dass auch bereits – vom Autor dieser Zeilen – NLCs für Zirren gehalten wurden, was sich dann aber dank der Forumsmitglieder rasch klärte (viewtopic.php?p=28342#p28337 sowie die beiden nachfolgenden Postings).
Ich habe mich daher, vor allem an Hand von Fotos aus der laufenden Saison 2013, noch einmal etwas eingehender mit dem Thema beschäftigt, obwohl Olaf Squarra dazu bereits vor vielen Jahren eine ausgiebige Abhandlung geschrieben hat: http://3sky.de/NLC/NLC_CIRRUS/NLC_CIRRUS.html
Die Hauptursache für Verwechslungen liegt wohl darin, dass sowohl NLCs als auch Zirren aus Wassereis-Kristallen bestehen und (u.a. auf Grund der Wirkung atmosphärischer Wellen) sehr ähnliche Strukturen aufweisen können.
Klassische Kriterien zur Unterscheidung
- Zirren verblassen mit zunehmender Dämmerung, NLCs werden heller
- NLCs ziehen meistens von NE nach SW (s. Abb. 1)
- Die Sichtbarkeit von NLCs hängt strikt von ihrer Elevation und der Sonnendepression zum Beobachtungszeitpunkt ab. NLCs im Erdschatten sind grundsätzlich – anders als Zirren – nicht sichtbar (s. Abb. 2)
Abb. 1 aus: Fogle, B. & Haurwitz, B. (1966): Noctilucent Clouds. Space Science Reviews 6 (3), 279 – 340.
Abb. 2 aus: Fogle, B. & Haurwitz, B. (1966): Noctilucent Clouds. Space Science Reviews 6 (3), 279 – 340.
Probleme bei der Unterscheidung
- Kontrasteffekte zwischen Zirren und hellem Himmelshintergrund im Dämmerungsbogen können NLCs vortäuschen
- Mondbeschienene Zirren nehmen bisweilen eine weißlich-silbrige Färbung an
- Zirren können ebenso nach Westen ziehen wie NLCs (in seltenen Fällen) nach Osten
- Unterschiedliche Zugrichtung von Zirren und tieferen Wolken bzw. Zirren in verschiedenen Höhenschichten der Troposphäre können NLCs vortäuschen
Zusätzliche Kriterien zur Unterscheidung
- Zugrichtung verdächtiger Wolken im Vergleich zu tieferen Wolken
- Die Färbung von Zirren ist – auch im Mondlicht – niemals so „elektrisierend“ bläulich wie die von NLCs
- Wurden anderswo eindeutige NLCs beobachtet, die sich in Form/Struktur/Höhe an eigene Beobachtungen anschließen lassen?
Zwei Frames der IAP-Cam in Juliusruh vom 17.07.2013 (Abb. 3 & 4) zeigen deutlich die unterschiedliche Färbung und Zugrichtung von gleichzeitig auftretenden NLCs und Zirren.
Abb. 3 & 4
Aktuelle Fallbeispiele aus Bonn
15.06.13: Hier besteht auf den ersten Blick kein Zweifel, dass es sich um niedrige Wolken handelt.
Abb. 5: 15.06.2013, 22:59 MESZ
29.06.13: Auch dieses Foto (Abb. 6: 29.06.2013, 23:24 MESZ) zeigt eindeutige Zirren
Abb. 6: 29.06.2013, 23:24 MESZ
17.07.13: Hier könnte man leichte Zweifel haben, doch die Zugrichtung nach Osten spricht ebenso für Zirren wie die Tatsache, dass etwaige NLCs bei der beobachteten Horizonthöhe bereits unsichtbar im Erdschatten stehen würden.
Abb. 7 & 8: 17.07.13, 23:04 & 23:06 MESZ)
18.06.13: Ein etwas schwierigerer Fall. Die Zugrichtung mit den tieferen Wolken nach Osten (visuell beobachtet) und die Tatsache, dass an diesem Abend nirgendwo in Mitteleuropa NLCs beobachtet wurden, führte zur Einstufung als Zirren. Zudem hätten NLCs in dieser Horizonthöhe bereits im Erdschatten gestanden.
Abb. 9: 18.06.2013, 23:40 MESZ
21.07.13: Ebenfalls nicht so ganz einfach, insbesondere mit bloßem Auge. Genaues Betrachten des Fotos sowie Einsatz eines Fernglases zeigten jedoch, dass es sich lediglich um einen Kontrasteffekt handelt.
Abb. 10: 21.07.2013, 22:33 MESZ
08.07.13: Eine fast perfekte Täuschung. Ein einsames weißliches Wölkchen zieht eindeutig nach Westen (Abb. 11 & 12). Eine zweite Wolke, die horizontnäher ebenfalls nach Westen zog und die typische graue Zirrenfärbung zeigt, bringt dann die Identifizierung (Abb. 13). Hinzu kommt, dass das kleine hochstehende Wölkchen noch sichtbar war, als etwaige NLCs bereits im Erdschatten gestanden hätten.
Abb. 11 & 12: 08.07.2013, 22:58 & 23:00 MESZ
Abb. 13: 08.07.2013, 23:13 MESZ
19.06.13: Weißliche Wolken, die zwar nach Osten ziehen, aber in der Morgendämmerung mehr und mehr verblassen (Abb. 14 & 15). Des Rätsels Lösung: Zirren, die sich allmählich auflösen. Auf dem dritten Foto (Abb. 16) sieht man dann einen Zirrenrest, der zaghaft im ersten Morgenrot aufleuchtet.
Abb. 14 & 15: 19.06.2013, 04:07 & 04:18 MESZ
Abb. 16: 19.06.2013, 04:26 MESZ
Vorgehen bei der Fallabklärung
- Im Zweifelsfall erst einmal alle oben erwähnten Kriterien abklopfen
- Wenn dann immer noch keine Klarheit besteht, im Forum zur Diskussion stellen
- Erst in Liste melden, wenn im Forum Konsens, dass eindeutig NLCs vorliegen
Einige im Forum diskutierte Fälle
- Geklärter Fall (Zirren): viewtopic.php?f=2&t=10474
- Geklärter Fall (Zirren): viewtopic.php?f=2&t=10503
- Geklärter Fall (Kontrasteffekt): viewtopic.php?f=2&t=10571
- Geklärter Fall (Kontrasteffekt): viewtopic.php?f=2&t=10579
- Ungeklärter Fall (evt. Kondensstreifen): viewtopic.php?f=2&t=10445
- Ungeklärter Fall (evt. Kondensstreifen): viewtopic.php?f=2&t=10580
Viele Grüße aus Bonn,
Stefan
Leuchtende Nachtwolken und Täuschende Zirren
Moderator: StefanK
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