Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

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Laura Kranich
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Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Laura Kranich » 14. Dez 2022, 22:56

Moin zusammen,

hier ist mal wieder etwas aus der Stratosphäre.
Heute Nachmittag fiel mir beim Betrachten des Purpurlichtes, das wegen der wolkenfreien Zone bis nach England ja zu erwarten war, eine schwache, feine Struktur im Purpurlicht auf. Polare Stratosphärenwolken kommen trotz der Nähe des Zentrums des Polarwirbels zu Nordeuropa kaum infrage, da die Temperaturen gemäß der Soundings von Norddeutschland bis UK in der Stratosphäre (noch) nicht niedrig genug waren. Erst westlich Südnorwegens reichten die Temperaturen heute auf ca. 10 hPa/28 km bis 81°C herunter. Allerdings reicht erfahrungsgemäß die Nähe zum Kern des Polarwirbels aus, um solche Erscheinungen zu erklären, wegen der erhöhten Aerosolkonzentration und relativen Feuchte im Polarwirbel und neben den mittlerweile ja bekannten Einflüssen zunehmender sommerlicher Waldbrandaktivität in nördlichen Breiten ist es naheliegend, dass auch die Hunga-Tonga-Eruption trotz nur relativ niedriger Schwefelemissionen, dafür aber hohen Wasserdampfemissionen, in diesem Jahr einen Beitrag zu stratosphärischen Aerosolen auch auf der Nordhalbkugel leistet (die Hunga-Tonga-Aerosole haben nach CALIPSO-Daten bereits wenige Wochen nach der Eruption den Äquator nordwärts überquert, weil die Eruption (knapp) in den Tropen stattfand, inzwischen dürften sie global, obwohl nicht gleichmäßig, verteilt sein).
In den kommenden Tagen kann es aber kurzzeitig durchaus polare Stratosphärenwolken (Typ I) über Norddeutschland geben, da die Temperaturen da oben noch etwas fallen.

Purpurlicht mit schwachen Schattenstrahlen und Strukturen
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mit detailkontrastverstärktem Himmel
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Gegen Ende waren die Strukturen am besten zu erkennen
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Viele Grüße aus Berlin,
Laura

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Claudia Hinz
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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Claudia Hinz » 15. Dez 2022, 11:12

Sehr schöne Bilder! Aber Hunga Tonga würde ich ausschließen, die Aerosole wurden nur bis 30°N nachgewiesen.

Dagegen wird in SH in 10hPa Temperaturen bis -80°C berechnet. Das ist zwar nicht gemessen und der einzige Temp in Schleswig zeigt "nur" -76°C, aber da die intensive Dämmerung nur bei Dir zu sein scheint, halte ich PSC als die wahrscheinlichere Ursache.

Quelle: ventusky.com
Quelle: ventusky.com
LG Claudia

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Laura Kranich
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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Laura Kranich » 15. Dez 2022, 13:53

Hallo Claudia,

danke für deine Antwort!
Es ist allerdings etwas anders: Die Hunga-Tonga-Aerosole wurden tatsächlich bereits Anfang April an beiden Polen nachgewiesen (am Südpol bereits nach nur etwa einem Monat): https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com ... 22GL100091
Und es ist auch in erster Näherung relativ einfach nachvollziehbar: Die Brewer-Dobson-Zirkulation sowie Konvergenz im Polarwirbel. Die Eruption geschah ja mitten im nördlichen Winter und da bestand noch für mehr als zwei Monate danach der arktische Polarwirbel während sich ab Anfang März bereits der antarktische wieder allmählich ausbildete. Die Aerosole wurden so relativ schnell über den gesamten Globus verteilt (natürlich in unterschiedlichen Konzentrationen) und es gibt auch keinen einleuchtenden physikalischen Mechanismus der sie einfach bei 30°N stoppen würde, denn in der Stratosphäre gibt es kaum vertikale Bewegung und keinen Niederschlag und deshalb nicht wie etwa in der Tropsphäre eine Barriere wie die ITCZ, die beide Hemisphären stärker voneinander trennt. Die Eruption beeinflusste die tropische Stratosphäre fast so stark wie Pinatubo 91, zwar auf der anderen Hemisphäre aber in ähnlichem Abstand zum Äquator und das macht am Ende nur begrenzt einen Unterschied. Die Pinatubo-Aerosole gelangten damals natürlich auch in die südliche Hemisphäre und es ist auch generell so, dass vulkanische Aerosole ausreichend großer Eruptionen global, etwa in Eisbohrkernen, nachgewiesen werden können, eben weil sie vor allem in der Stratosphäre so gut verteilt werden. Und es kann ja mehrere Jahre dauern bis sie wieder auf dem normalen Hintergrundniveau sind, selbst bei Calbuco 2015 hat das etwa 2 Jahre gedauert (siehe Grafik zur OMPS SAOD in dieser Publikation, Seite 10: https://www.researchsquare.com/article/rs-1562573/v1).

Zweiter Punkt ist die Temperatur: Die von dir aufgerufene Karte gilt ja für heute und nicht für gestern. Wie angesprochen sinken die Temperaturen tendentiell noch.
Eine für gestern vom ECMWF ist etwa hier zu finden (leider nur mit Abo): https://kachelmannwetter.com/de/modellk ... 1200z.html
Demnach lag die 78er-Isotherme gestern Mittag etwa auf einer Linie Glasgow-Kristiansand, also viel zu weit nördlich, meine Blickrichtung war ja zudem nach Südwesten Richtung Ostfriesland/Niederlande. In dem Bereich war es definitiv zu warm, das höchste der Gefühle waren im Sounding von Norderney -75 bis knapp an die -76 Grad auf 8 hPa. Ich möchte natürlich nicht ausschließen, dass es danach noch bedeutend kälter wurde oder schon bei diesen Temperaturen zu leichter PSC-Bildung kommen kann oder noch höher womöglich doch ausreichend niedrige Temperaturen für PSCs waren. Aber in der Vergangenheit habe ich bei solchen Temperaturen - die gar nicht so selten sind - noch keine PSCs beobachten können (was natürlich kein ausreichender Gegenbeweis ist).
In ein paar Tagen wissen wir vielleicht noch etwas mehr, wenn die aktuellsten Ozonkarten erscheinen, denn bei uns würden PSCs wegen vorhandenen Sonnenscheins auch zu einem beobachtbaren Ozonverlust führen. Vor drei Tagen war beim Ozon noch so ziemlich alles buchstäblich im grünen Bereich: https://ozonewatch.gsfc.nasa.gov/Script ... 2-12&hem=N
Viele Grüße aus Berlin,
Laura

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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von RolfK » 15. Dez 2022, 14:29

Tolle Farben :!:

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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Reinhard Nitze » 15. Dez 2022, 18:37

Hallo an Euch,

ich konnte heute (15.12.22) ebenfalls deutlich überdurchschnittliches Purpurlicht und eine farbige Gegendämmerung nebst Crepuscular/Anticrepuscular-Strahlen beobachten. Handyphotos sind vorhanden, sind aber nur sehr bescheiden.

Viele Grüße,
Reinhard!
Schnee, der heute fällt, ist morgen der Schnee von gestern...

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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Claudia Hinz » 17. Dez 2022, 16:09

Hallo,

heute war das Purpurlicht bis Mitteldeutschland zu sehen, auf den Alpencams ist mir nichts aufgefallen und hier ist es leider wieder pünktlich zugezogen. PSC scheiden heute aufgrund der Temperaturen aus.

Aber an Hunga Tonga glaube ich trotzdem nicht (wobei ja jeder glauben kann, was er will!). Zum einen war bisher auf der Nordhalbkugel nichts von ungewöhnlichen Dämmerungen zu sehen (der Ausbruch ist 11 Monate her, warum also ausgerechnet jetzt, wo sich die Dämmerungen auf der Südhalbkugel allmählich wieder abschwächen?) und zum Zweiten wurde wie schon erwähnt in Deutschland nach dem Vulkanausbruch keine erhöhte Schwefeldioxidkonzentration gemessen. Der durch den Ausbruch auch in der Nordhemisphäre vorhandene erhöhte Wasserdampfgehalt sollte zu einer erhöhten PSC-Bildung führen, aber nicht zu Purpurlicht (sonst hätten wir es längst gehabt). ( Artikel Hoherpeißenberg)

Ich weiß auch nicht genau, was Ursache ist. Es gab in letzter Zeit einige Vulkanausbrüche auf den Kurilen in Nordjapan und Kamschatka (vor allem Schiwelutsch und Sakurajima) aber wie hochreichend die waren, kann ich nicht sagen. Ich habe auch noch eine andere Idee, wie derzeit Aerosole in die Atmosphäre geschleudert werden, aber diese äußere ich lieber erstmal nicht.

Viele Grüße
Claudia

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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von David F DF » 17. Dez 2022, 18:59

Hi Claudia,
Ich denke da haben wir die selbe Vermutung. :|
Purpurlicht war heute auch von hier aus zu sehen.
Grüße aus dem Siegerland :)

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Claudia Hinz
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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Claudia Hinz » 18. Dez 2022, 12:53

Heute Morgen gab es auch Purpurlicht in den Alpen (Beispiel Hohenpeißenberg) und auf dem Fichtelberg hier im Erzgebirge. Allerdings ist es auf den Fotos intensiver als visuell, da war es nur ganz zart zu sehen.
_MG_6141raw.jpg
_MG_6143rawraw.jpg
LG Claudia

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Re: Purpurlicht mit Schattenstrahlen und anderen Strukturen

Beitrag von Erich Keller » 18. Dez 2022, 15:54

Heute Abend war auf vielen Webcams auffallend und zeitgleich intensives rotes Abendlicht vorherrschend gegen 16:20 und 16:30 Uhr.
LG Erich

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