Purpurlicht in Aachen?

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Peter Krämer
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Beitrag von Peter Krämer » 24. Feb 2008, 11:16

...und immer länger wird dieser Thread :)
Die Auswirkungen der PSC sind wohl tatsächlich bis nach Nordspanien zu sehen gewesen. Im spanischen Wetterforum berichtet heute ein Diego P. aus dem einigen von uns als Wallfahrtsort bekannten Santiago de Compostela in Galizien, er habe am Dienstag (19.02.) ebenfalls eine ungewöhnliche Abenddämmerung erlebt. Demnach gab es im Westen ein rotes und später karminfarbenes Leuchten, während gegenüber schon die Sterne zu sehen waren. Das deutet ja ebenfalls auf ein ungewöhnlich lange sichtbares Abendrot an Wolken in höheren Atmosphärenschichten hin, in denen normalerweise keine Wolken mehr entstehen.

Grüße
Peter

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PeterKuklok
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Beitrag von PeterKuklok » 24. Feb 2008, 13:41

Hi,

anbei noch ein Foto von mir, aufgenommen am 18.2. um 18:16 MEZ in Frankfurt/M.

Bild

Kann mich nicht erinnern, dass ich so eine intensive, farbige Dämmerung schon mal bewußt erlebt habe, vor allem auch was die Länge betrifft.
Selbst als der restliche Himmel schon komplett dunkel war, zog sich über dem Taunuskamm noch ein schmaler, intensiv roter Dämmerungsstreifen.

Grüße
Peter

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Jürgen Vollmer
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Tja, dennoch lässt die PSC-Erkl noch einige Fragen offen ...

Beitrag von Jürgen Vollmer » 25. Feb 2008, 02:50

Hallo zusammen,

habe diesen Thread erst jetzt entdeckt. Kompliment, Ihr habt brillante Recherche betrieben und die teils genialen Bilder sprechen insgesamt sehr für sich.

Hier zuerst mal eines unserer Leckerli von dem Ereigis, aufgenommen am 19.02. in Wedemark, etwa 25 Kilometer ostnordöstlich von Hannover:

Bild

Mein Kollege Heino Strunk war derjenige, der den Kamtschatka-Vulkan als mögliche Ursache recherchiert hat. Immerhin brachte dort eine Eruption im August letzten Jahres eine Aschesäule von 15 km Höhe (und damit durchaus bis in die untere Stratosphäre) zustande.

Von daher neige ich - immer noch - dazu, zumindest einen Teil der Aerosole, die für das purpurfarbene Licht ursächlich gewesen sein könnten, einem erhöhten Staubgehalt in der Stratosphäre zuzuschreiben. Zusammen mit der durch die niedrigen Temperaturen erhöhten Bereitschaft, PSCs zu bilden, könnten diese - so meine Vorstellung des Phänomens - über chemische Reaktionen zu den flächigen, über große Strecken ja vollstratiformen Leuchterscheinungen geführt haben.

Bilder, auf denen Strukturen erahnbar sind, zeigen meiner Einschätzung nach in den meisten Fällen vordergründig Cirren, die in dem hellen Streulicht des Lichtspektakels ihrerseits je nach Farbe und Helligkeit des Himmelshintergrunds unnatürlich hell oder auch dunkel wirken, aber eben KEINE PSCs, sondern troposphärische Wolken sind (klar, das gilt vermutlich nicht für alle Beobachtungen, aber für die allermeisten). Zumindest hat nicht eine einzige Aufnahme, die ich in den vom AKM verlinkten Bildgalerien zu PSCs bisher gefunden habe, auch nur eine ansatzweise Ähnlichkeit mit den jetzt so verbreitet beobachteten Leuchterscheinungen. Oder bin ich etwa für Feinheiten blind, die außer mir jeder sieht?

Aber ich räume ein, dass ich kein PLC- bzw. Atmosphären-Experte bin und dass das Phänomen insgesamt ganz sicher im Grenzbereich unseres Wissens angesiedelt ist.

Mich macht nunmal die mehr oder weniger vollkommen strukturlose Erscheinungsform der vermeintlichen PLCs stutzig. Die Leuchtflächen wirken ja wie ein perfekter, volltransparenter und absolut(!) konturenloser Cirrostratus, wie er sich eigentlich NUR dann verrät, wenn sich Haloerscheinungen in ihm abbilden. Zumindest ist mir neu, dass PLCs sich ebenfalls derart homogen und strukturlos am Himmel verteilen können sollen.

Ich will mein vieleicht etwas laienhaftes Bild, wonach vorhandener (Vulkan-)Staub eine Art Entwicklungs-"Vorstufe" für PSCs erzeugt haben könnte, so wie man manchmal kurz vor Bildung von Cumuluswolken schon eine Art feuchtere "Dunst"schicht im Himmelsblau sehen kann, bei der es aber noch ganz nicht zur Wolke langt, aber gern überdenken und nötigenfalls auch korrigieren. Insbesondere deshalb, weil keine Asche im Niederschlag registriert worden ist, wobei sich allerdings noch die Frage stellt, ob sich tatsächlich während einer perfekten Hochdrucklage ein Ausfall solcher Aerosole aus der Stratosphäre zwingend ergeben müsste?

Auf jeden Fall ein megaspannendes Phänomen, das ich am 18. abends auch von Marburg aus beobachten konnte. Sogar um 18:45 Uhr war dort der Himmel noch bis auf eine Höhe von mehr als 40 Grad noch von feinstem Purpur durchwirkt. Ich war völlig hin und weg (leider im Garten der Sauna und daher ohne Kamera). Das Szenario erinnerte mich beinahe an Polarlicht. An meinem Standort waren die untersten (und damit die hellsten) Bereiche des Phänomens durch einen Bergrücken verdeckt, so dass ich nur alles oberhalb von etwa 15 bis 20 Grad Winkelhöhe sehen konnte. Dadurch gab es aber auch kein Überstahlen bzw. Blenden durch den weitaus helleren, horizontnahen Lichtsaum.

Das letzte purpurne Glimmen bis auf ca. 20 Grad Höhe nahm ich noch um 18:52 Uhr wahr - mehr als eine(!) Stunde nach dem astronomischen Sonnenuntergang, der für Marburg an diesem Tag um 17:46 Uhr stattfand! Zu diesem Zeitpunkt muss die Sonne also bereits rund 15 Grad UNTER dem Horizont gestanden haben. Mit diesen Angaben müsste sich doch irgendwie die Höhe der Schicht etwas genauer bestimmen lassen. Reicht denn da 20 bis 25 Kilometer Höhe für das in Frage kommende Niveau überhaupt noch aus?

Möglich, dass die Uhr in der Sauna nicht ganz auf die Minute korrekt ging, aber etwaige Abweichungen dürften sich wirklich nur im Bereich von zwei oder drei Minuten bewegt haben.

Anderntags rief mich mein Kollege an, der Bilder bei Hannover gemacht hatte und wir starteten die Recherche, an deren Ende die gemeinsam vertretene Vulkanstaubtheorie stand. Heino, der bei seiner Überwinterung auf Antarktis schon reichlich PLCs gesehen hat, schloss solche wegen der vollkommenen Homogenität der Erscheinng aus, eine Erklärung, die auch für mich plausibel klingt.

Wie auch immer, SOWAS fasziniert bis ins Mark!

Wer mag, kann ja mal unsere Diashow mit Bildern vom 19./20. Februar aus dem Raum Hannover betrachten:

http://www.wetterradio.de/wetterfotos/galerie05.php

Die einzelnen Bilder sind klickbar und werden dann größer dargestellt.

Noch ein paar weitere Bilder gibt es in der von mir für WO erstellten Fotostrecke:

http://www.wetteronline.de/wotexte/reda ... 22_df1.htm

viele Grüße,

Jürgen


Anmerkung: Am 25.02. um 12:20 Uhr editiert bzw. präzisiert.

Ulrich_Beinert
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Beitrag von Ulrich_Beinert » 25. Feb 2008, 14:11

Hallo Leute,

ich muss mich auch mal wieder zu Wort melden, da scheint mir dieses Thema gerade gelegen. :D

Ich hab letzten Montag auch diese fantastische Dämmerung von Frankfurt aus gesehen und habe mir das erst mit der anhaltenden Hochdruckwetterlage erklärt. Am Dienstag saß ich jedoch im Flieger (10-11km Höhe) und konnte etwas beobachten, das mir die Sprache geraubt hat. Ganz merkwürdige Dämmerungsfarben und zum Schluss ein lange nachleuchtender Streifen am Horizont, darüber eine sehr dunkle Schicht (zweites Foto). Sah aus wie (wie auch schon jemand anders geschrieben hat) eine Stratus-Schicht - aber wir waren wie gesagt am Rand der Stratosphäre!

Die Theorien hier sind sehr interessant. Ich kann nur eine persönliche Beobachtung beitragen, und zwar dass die Stratosphäre in der letzten Zeit wirklich sehr kalt war.

Fotos:

Bild

Bild

Grüße
Ulrich

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Jürgen Vollmer
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Danke, Deine Bilder zeigen in aller Deutlichkeit ...

Beitrag von Jürgen Vollmer » 25. Feb 2008, 16:25

... dass die leuchtende Schicht in der Höhe absolut homogen, also definitiv vollkommen(!) kontur- und strukturlos war und dass Bodenbeobachtungen, die zumindest andeutungsweise cirrenähnliche Strukturen in dem Schimmer wahrgenommen haben wollen, höchstwahrscheinlich allesamt auf die real vorhandenen, geringfügigen troposphärischen Wolkenfelder zurückzuführen waren und sind.

Das ist bei den außergewöhnlichen Lichtverhältnissen natürlich auch nicht verwunderlich, weil feinste Cirrusfäden- und streifen von dem intensiven Höhenlicht ihrerseits deutlich aufgehellt worden sein und sich zudem höchstwahrscheinlich auch an Reflexionen- und Streuungen der Farben beteiligt haben dürften.

Jetzt mein Erklärungsversuch der purpurnen Farbeffekte (Purpurlicht):

"Normales" Purpurlicht kommt bei klarem Wetter und bei Sonnenständen von ca. 2 bis 6 Grad unter dem Horizont zu Stande.

Die ungewöhnlich intensive Leuchtschicht im Himmelsgebiet "hinter" dem Sonnenuntergang (durch welche Art von Aerosolen diese auch immer hervorgerufen worden sein mag) hat sodann innerhalb eines ganz bestimmten Zeitintervalls nach Sonnenuntergang exakt diejenigen Lichtverhältnisse quasi imitiert, die den Voraussetzungen für ein "echtes" Purpurlicht entsprechen. Die Leuchtschicht hat das Erscheinungsfenster für Purpurlicht also ganz einfach nach hinten verschoben und zwar auf einen Zeitbereich, der einem Sonnenstand zwischen vielleicht 8 und 15 Grad unter dem Horizont (bezogen auf die Oberfläche) entspricht.

Mit anderen Worten: Das beobachtete Purpurlicht wurde nicht von den üblichen Reflexionen und Streuungen von Sonnenlicht, sondern vielmehr indirekt von der temporären, stratosphärischen Leuchtschicht aus Richtung Sonnenuntergangspunkt hervorgerufen.

Zugegeben: Klingt erstmal abenteuerlich und muss so längst noch nicht stimmig sein. Ich finde diese Überlegungen aber immer noch realistischer, als die viel zu kurz greifenden Versuche, die Farberscheinungen direkt und damit gegenständlich auf vorhandene PSCs zurückzuführen. Sie können auch eine indirekte Folge eines komplexen, kausalen Phänomens gewesen sein.

Ob nun die außergewöhnlich helle Leuchtschicht, die man auch auf den Bildern aus dem Cockpit sehr eindeutig als völlig homogen wahrnehmen kann aus einer Art Vorstufe zu PSCs hervorgeht oder sogar selbst eine extrem stratiforme und völlig konturenlose Flächen-PSC darstellt, bleibe erstmal dahin gestellt.

Ich denke es darf inzwischen jedenfalls zweifelsfrei als unmittelbare Voraussetzung angesehen werden, dass das Leuchtphänomen mit den beobachteten, sehr tiefen Stratosphärentemperaturen in Zusammenhang stand. Ich glaube allerdings halt auch, dass wir die aufgetretenen Begleit- und Folgeeffekte noch sehr gründlich auseinanderpflücken und auf ihre jeweilige Ursache und Wirkung hin untersuchen sollten.

Es muss nicht alles aus ein-und-demselben Guss gewesen sein, was wir da scheinbar eindimensional gesehen bzw. wahrgenomen haben.

Grüße, Jürgen
Zuletzt geändert von Jürgen Vollmer am 25. Feb 2008, 16:38, insgesamt 2-mal geändert.

Mark Vornhusen
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Beitrag von Mark Vornhusen » 25. Feb 2008, 16:35

Hallo,
hier die Bilder von der Gäbris-Webcam. Am 18. ist der Dämmerungsstreifen etwas ausgedehnter als normal.

http://www.parhelia.de/storm/2008/purpurlicht.jpg (Aufnahmen jeweils von 19 Uhr MEZ).

Grüsse,
Mark

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Claudia Hinz
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Beitrag von Claudia Hinz » 25. Feb 2008, 21:51

Vielen Dank für Eure Meldungen. Mark, Deine und Ulrichs sind besonders wertvoll. Mark, wie hoch liegt Dein Beobachtungsplatz eigentlich? Ich glaube, da könnte man ziemlich genau die südliche Grenze errechnen.

@Jürgen:
PSC teilt man mitlerweile in 3 Typen:
Typ: II reine Wasserwolken mit optimalen optischen Eigenschaften, die sich fast ausschließlich in Regionen schwerewellen-induzierter lokaler Abkühlung bilden und deshalb oft Föhnwolkenstrukturen aufweisen und in den schönsten Farben irisieren.
Typ I teilt sich in
a) Nitric Acid Trihydrate (NAT), die bei relativ hoher Umgebungstemperatur (-78°C in 50hPa) kondensieren und
b) in STS-Wolken (Supersaturated Ternary Solution), die aus einer übersättigten ternären Lösung von Schwefelsäure, Salpetersäure und Wasser bestehende flüssige Partikel (STS - "Supersaturated Ternary Solution").
Daneben gibt es noch diverse Misch- und Übergangsformen, die jedoch wie auch NAT und STS selbst meist nicht als eigentliche Wolken sichtbar sind, sondern nur durch Messungen nachgewiesen werden können. Aufgrund unterschiedlicher Partikelgröße und -aufbau haben sie zudem keine guten optischen Eigenschaften. In früheren Beobachtungsberichten werden sie oft als zart irisierende Wolkenschlieren beschrieben.

Es paßt auch alles: die Messungen, die Übereinstimmung der Beobachtungsgebiete mit dem Gebiet ungewöhnlich tiefer Stratosphärentemperaturen, die Beobachtungsberichte, die Fotos, die teilweise ebenfalls zartes Irisieren in Wolkenschlieren zeigen ... das einzig ungewöhnliche und in früheren Berichten nicht Beschriebene ist das intensive Purpurlicht. Nur ist es so, daß die chemischen Bestandteile der Ozon-(zerstörenden) Schicht starken Veränderungen unterliegen. Die Anzahl der festen Partikel war auf jeden Fall in den Messungen sehr groß, deshalb hat es wohl auch diesen starken Streueffekt gegeben.

Ich denke, die Vulkanasche kann man ausschließen. Das Gebiet, in dem das Purpurlicht aufgetreten ist, war für hochreichende Asche viel zu klein, außerdem hätte es schon zuvor in anderen Gebieten ungewöhnliche Dämmerungserscheinungen geben müssen und tagsüber sieht man bei atmosphärischen Trübungen oft den Ring von Bishop.

Ich denke, wir können mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß das, was hier beobachtet wurde, daß wohl südlichste je dokumentierte PSC-Ereignis war. Und wie es derzeit aussieht, deckt die Karte der Beobachtungen sich äußerst gut mit dem Kältepol der hier schon früher mal verlinkten 30hPa.Temperaturkarte.

Glückwunsch auf jeden Fall an alle Beobachter!

Viele Grüße
Claudia

wolfgang hamburg
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Beitrag von wolfgang hamburg » 26. Feb 2008, 08:29

Moin moin,

man was hab ich wieder verpasst, hier(Mecklenburg) war es leider zu der Zeit fast immer bedeckt. Aber die Abend- und auch die Morgendämmerungen dieser Tage waren auch hier ungewöhnlich, trotz Ac-decke schimmerte der ganze Himmel ziemlich lange.

Klasse Bilder, aber live wär mir lieber gewesen. ;-)

Grüße wolfgang

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