gespiegelter 22°-Kreis?

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Bertram Radelow
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gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Bertram Radelow » 25. Dez 2017, 15:54

hi,
seit längerem beschäftigt mich das seltsame Aussehen von Unternebensonnen. Sie sind manchmal seltsam vertikal auseinandergezogen, aber nicht in gerader Linie nach oben zur Nebensonne, sondern mit einer Einbauchung Richtung Sonne.
Zwei Beispiele aus der Galerie:
Bild

Bild

Und von mir:

Bild

Nach viel Gegrübel denke ich, dass die lange orange/weisse Kante eigentlich ein gespiegelter 22°-Kreis ist. Also Entstehung exakt wie ein 22°-Kreis (Kristallform und -orientierung identisch), im Lichtweg aber zwischen Eintritt und Austritt einmal intern an der Basisfläche gespiegelt. Das könnte erklären, warum der "gespiegelte" 22°-Kreis nicht einfach ein Kreis ist mit dem Mittelpunkt in der Untersonne (nicht: Unternebensonne!).

Kann zufällig jemand das mal mit einem Haloprogramm simulieren, bei dem man gezielt den Lichtweg auswählen kann? Das Ergebnis würde mich mal interessieren.
Wenn diese leicht eingebogene "Brücke" von UNS zur NS tatsächlich so entsteht, könnte man sie doch auch beim Namen nennen: "gespiegelter 22°-Kreis" oder auch "Unter-22°-Kreis"?

LG Bertram

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Elmar Schmidt
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Elmar Schmidt » 26. Dez 2017, 01:10

Hallo Bertram,

Tape befaßt sich in seinem ersten Buch mit den "Säulen" (er nennt sie "vertical halos") zwischen Neben- und Unternebensonen und auch mit länglichen Unternebensonnen (die übrigens meist mit säulenartig gestreckten Untersonnen zusammen auftreten), erklärt sie aber nach Simulationen mit Mischungen aus orientierten und zufälligen Plättchen, unter denen sich dann auch gekippte finden werden.

Die "eingebogene Brücke" wiederum kann m.E. eine optische Täuschung im Kontrast gegen den andersrum gekrümmten 22er sein, wozu auch ein Helligkeitsrückgang beitragen mag, ähnlich (nur umgekehrt) wie ein manchmal scheinbar in den 22er dringender, heller OBB.
Entstehung exakt wie ein 22°-Kreis
Das Problem mit dem 22er ist, wieder nach Tape, daß nicht völlig klar ist, an welchen Kristallen der selber überhaupt entsteht. Es müssen jedenfalls nicht zwangsläufig "dickfaßähnliche" Kristalle (mit niedrigem Aspektverhältnis) sein, bei denen von zufälliger Orientierung auszugehen ist. Außer von denen oder von Clustern kann der 22er (und noch mehr der 46er) auch von Kristallen erzeugt werden, die noch ziemlich gut (bis innerhalb 30 Grad Neigung) orientiert sind, was dann eben auch die Nebensonnen und Unternebensonnen wie oben geschildert mit betrifft.

Gruß, Elmar

Alexander Haußmann
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Alexander Haußmann » 29. Dez 2017, 17:22

Hallo Bertram,

es stimmt, dass man diese Nebensonnen-Untersonnen-Brücke nicht sehr gut erklären bzw. simulieren kann. Sicher spielen die Verkippungen mit rein, also bei länglicher Untersonne wirds auch längliche Unternebensonnen geben. Aber das allein reicht wohl nicht.

Es gibt übrigens meines Wissens nach keinen Strahlengang durch einen einzelnen Eiskristall, der einen Ring um die Untersonne erzeugt. Ringe brauchen zufällige Orientierungen (oder zumindest starke Verkippungen, wie Elmar schreibt), die Untersonne aber mehr oder weniger gute horizontale Ausrichtungen. D.h. also die Ring-Kristalle wissen nicht, wo oben und unten ist, deswegen hat die Untersonne keine Bedeutung für sie. Und Untersonnen-Plättchen sind zu sehr ausgerichtet, um Ringe zu erzeugen.

Es gibt aber noch die Möglichkeit von Mehrfachstreuung, also eine Sorte Kristalle zur Erzeugung der Untersonne, die dann als sekundäre Lichtquelle für ein Ensemble von zufälligen Kristallen (ob nun "dickfaßähnliche" oder Teile von größeren Aggregaten, ist erstmal egal) wirkt. Beide Kristallwolken könnten räumlich getrennt oder auch gemischt sein.

Tatsächlich ist eine Beobachtung eines Untersonnenhalos dokumentiert - vom Fichtelberg (siehe https://www.dwd.de/DE/leistungen/pbfb_v ... te250.html, Abb. 1-4). Mit dem finnischen "HaloPoint"-Programm kann man sogar Mehrfachstreuung (u.a. auch 44°-Nebensonnen usw.) simulieren, aber ich bin noch nicht genau hinter alle Parameter gekommen. In jedem Fall muss man weit mehr Annahmen über Anzahl der Kristalle pro Volumen bzw. Geometrie der Schichten mit verschiedenen Kristallen machen. Ein erster Schnellschuss mit einer Mischung von Plättchen und Dickfässern sieht so aus:

Mehrfachstreuung:
GäblerUntersonnenhalo_flachePl_gam13.jpg
sowie zum Vergleich die Einfachstreuung:
GäblerUntersonnenhalo_GegenprüfungEinfachstreuung_flachePl_gam13.jpg


Ich hab das allerdings schon vor einer Weile ausprobiert und da ging es nicht so sehr darum, die "Brücke" naturgetreu nachzubauen.

Viele Grüße,
Alex

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Bertram Radelow
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Bertram Radelow » 29. Dez 2017, 17:47

hi Alex,
vielen Dank für Deine Simulationen. Wird da der Lichtstrahl intern an einer Basisfläche gespiegelt? Dieser Lichtweg ist doch nicht abwegig, bei 120°NS und den Gegensonnenbögen gibt es ja auch interne Spiegelung, viel "schlimmere" sogar. Und ich nehme an, dass er wegen der Spiegelung nicht kreisrund sein wird.
Bertram

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Elmar Schmidt
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Elmar Schmidt » 29. Dez 2017, 19:41

Wird da der Lichtstrahl intern an einer Basisfläche gespiegelt?
Nicht zwangsläufig, eine Außenspiegelung reicht auch. Es ist m.E. so, daß das Licht eines hypothetischen "gespiegelten 22ers" ohne interne Reflexion von Kristallen käme, die von der Untersonne beleuchtet wurden, jene Zweifachstreuung halt. Eine Untersonne ist ja ähnlich wie eine im Wasser gespiegelte Sonne (an der ja auch alle Halos gespiegelt auftreten können) im ganzen über ihr liegenden Halbraum sichtbar. Normalerweise seitlich "verlorene" Strahlen können dann bei genügend hoher Dichte von 22er-Kristallen wieder ins Beobachterauge zurück gelenkt werden. Das analoge wird hier für die 44er-NS gezeigt:

http://www.atoptics.co.uk/halo/44pars.htm

Da Untersonnen mitunter sehr gleißend sind (ähnlich wie jene gern dreieckigen Eisnebel-Nebensonnen), könnten sie durchaus als Lichtquellen für sekundäre Halos fungieren, dennoch fehlt mir momentan noch ein Fotobeweis dafür, daß es wirklich mal einen Ring um sie herum gab. Theoretisch könnte es von den 22er-Unter-NS nochmals sekundäre bei 44 Grad geben, aber das wird dann langsam doch zu einem Intensitätsproblem. Selbst die wenigen sicher dokumentierten oberirdischen 44er-NS sind allesamt recht fahl.

Gruß, Elmar

Alexander Haußmann
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Alexander Haußmann » 29. Dez 2017, 21:20

Genau, es geht darum, dass das Licht durch zwei Kristalle durch muss. Einer erzeugt ein Spiegelbild der Sonne, ob durch Reflexion von außen oder durch Brechung hinein, dann interne Reflexion und wieder raus, ist egal (also Untersonnenstrahlengänge). Der zweite Kristall ist ein Vertreter der ungeordneten Fraktion ohne Vorzugsrichtung, und in deren Zusammenwirken entsteht der Ring (normaler Weg über zwei Seitenflächen mit Keilwinkel 60°).

Der 22°-Ring-Strahlengang mit einer zusätzlichen internen Reflexion an der Basisfläche gibt bei Plättchenorientierung eben nur die Unternebensonnen (genau wie ohne die Reflexion eben die Nebensonnen rauskommen). Bei zufälligen Kristallen würde durch den Strahlengang mit interner Reflexion nur diffuser Mischmasch rauskommen, der aber in jedem Fall um die Sonne rotationssymmetrisch sein muss - das ist ja gerade das Entscheidende an der zufälligen Orientierung, dass es außer der Einfallsrichtung des Sonnenlichts dann keine weitere ausgezeichnete Richtung mehr gibt.

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Bertram Radelow
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Bertram Radelow » 29. Dez 2017, 23:10

...Nicht zwangsläufig, eine Außenspiegelung reicht auch.
...Genau, es geht darum, dass das Licht durch zwei Kristalle durch muss.
Ihr redet beide von einem bikristallinen (... bin stolz auf meine Wortschöpfung ... 8) ) Halobildungsprozess, ich nicht. Der Unterschied ist folgender:
Wenn der Lichtstrahl völlig flach intern am Plättchen vorbeistreicht wird der gebildete Halo fast identisch sein mit dem Halo der ohne interne Spiegelung gebildet wird. Aber je steiler der Winkel wird desto mehr Verzerrungen und Unterschiede zum (oberhalb des Horizont zu sehenden) ungespiegelten Halo wird es geben. Mir fällt kein anderer Vergleich ein als der OBB wenn man von der Mitte nach aussen geht: Genau in der Mitte ist der OBB eine hochkant stehende Nebensonne mit Schweif, aber je mehr man nach aussen geht desto mehr verbiegt es das ganze.
Der Gedanke, einen 22°-Kreis um eine Untersonne zu bilden ist zwar irgendwie naheliegend, aber es hat (anders als doppelte Nebensonnen) noch keiner einen gesehen.
Nehmen wir mal fast würfelförmige Mitteldinger aus Plättchen und Säulchen - was für einen Halo bildet dieser Kristall mit dem Lichtweg 1-Basis-3 bei (bezogen auf die Basis) steileren Einfallswinkeln? Wird das ganze diffus und löst sich Wohlgefallen auf oder wird es ähnlich 1-3 (ohne Spiegelung), aber je nach Höhe über/unter Horizont verbogen?

Im Moment sinne ich ernsthaft darüber nach, mir Michas Halomator nachzubauen und ein "Plättchen" so zu gestalten, dass der Lichtweg nur 1-Basis-3 möglich und 1-3 (direkt) blockiert ist. Wie ich schrieb: 1-Basis-3 wird bei (bezogen auf die Basis) sehr flachen Winkeln natürlich das gleiche liefern wie 1-3 direkt, aber bei steilen Winkeln nicht - nehme ich jedenfalls an. Irgendwie zieht mich die Tatsache, dass die "Brücke" mit ihrer Beule zur Sonne hin symmetrisch zum Horizont ist, zu dem Thema Spiegelung hin.

Hab gerade (Mitternacht) ein paar Kubikmeter Neuschnee durch die Warmfront (-15° -> +5°) weggeschaufelt :x

Bertram

edit:
Bei zufälligen Kristallen würde durch den Strahlengang mit interner Reflexion nur diffuser Mischmasch rauskommen, der aber in jedem Fall um die Sonne rotationssymmetrisch sein muss - das ist ja gerade das Entscheidende an der zufälligen Orientierung, dass es außer der Einfallsrichtung des Sonnenlichts dann keine weitere ausgezeichnete Richtung mehr gibt.
Habe es erst im zweiten Durchlesen richtig wahrgenommen, und vermutlich hast Du wohl recht. Dann kommen wir auf Elmars
daß nicht völlig klar ist, an welchen Kristallen der selber [ der 22°-Kreis] überhaupt entsteht
zurück. Ich bin kein Freund von "taumelnden" Kristallen, denn die würden nach meiner Meinung nur alles diffus machen - im Extremfall genau wie Alexander schrieb:
diffuser Mischmasch
Ein bezüglich Horizont symmetrisches Geschehen sollte schon irgendwie mit einer Spiegelung an horizontalen Plättchen zu tun haben, egal ob intern monokristallin oder extern bikristallin.

B

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Elmar Schmidt
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Re: gespiegelter 22°-Kreis?

Beitrag von Elmar Schmidt » 30. Dez 2017, 10:07

Hallo Bertram,

ein paar Kubikmeter Schnee, nicht schlecht, fast wie bei meinen Verwandten und Freunden in Buffalo, NY ("Snow Capital of the World").

Ja, zum Schluß schrieben wir etwas aneinander vorbei. Alex ging es darum einen Weg aufzuzeigen, wie ein gespiegelter 22er entstehen könnte, was wohl tatsächlich nur durch Zweifach"streuung" möglich wird (leitet sich vom mikroskop. Streubegriff der Physiker ab, natürlich kann das makroskopisch als Reflexion und Refraktion angesehen werden).

Dir geht es um evtl. verbogene* (Unter-)Neben(sonnen)säulen. Gewiß, wenn Plättchen senkrecht stünden, könnten sich "seitliche OBBs" ausbilden. Das erwartet und behauptet aber hier natürlich keiner. Andererseits hast Du recht, daß auch bei dickfaßähnlichen Kristallen ein schräger Strahlengang den Prismenwinkel vergrößert. Es entsteht dann aber gleich die Frage, ob diese überhaupt noch orientiert genug sind, damit sich das in und bei den (Unter-)Nebensonnen zeigt; denn wenn sie es nicht tun, geht das alles nur in die diffuse Streulichtscheibe.

*Und nochmals: die "Nebensäulen" kommen mir in den vorgelegten Fotos allesamt ziemlich gerade vor. Daß sie so lang werden können, hat Tape wie o.a. (weg?)diskutiert. Wie auch Alex schrieb, mögen die Verhältnisse auch ca. 25 Jahre nach seinem Buch tatsächlich noch nicht ganz geklärt sein, sie aber heuristisch mit allen möglichen Kristallen herbei zu simulieren, erhellt die Lage m.E. nicht, solange damit keine deutlicheren Anomalien vorausgesagt und erklärt werden als die, die wir hier zu erkennen glauben.

Herzliche Grüße

Elmar

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