SIRIUS am Tage (!)

[Christoph Gerber]

Hallo Elmar,

das ging jetzt viel schneller als erwartet! Nach dem Austausch am 14. März habe ich bei nächster Gelegenheit – nämlich am 24.03. – einen (sehr) günstigen Beobachtungsort direkt am Haus ausfindig gemacht. Um 19:44 MESZ in der späten Dämmerung habe ihn erfasst (Höhe: 23.3°, Azimut 190.6°) unmittelbar in der Krone einer gekappten Tanne. Als Aufgaben hatte ich mir notiert:
–> Fotos bei heller Dämmerung
–> bei heller Dämmerung Beobachtung starten: ab wann (bezogen auf den Sonnenuntergang) ist Sirius (frühestens) sichtbar?
–> im etwa 3 Monaten Beobachtungsversuche zur Mittagszeit.

Seitdem hat das Wetter nicht mitgespielt, und inzwischen steht der Sirius dort noch vor Sonnenuntergang. Also Chancen verpasst? Heute war es dann endlich gegen Sonnenuntergang in der betreffenden Himmelsgegend klar, so dass ich den ersten Versuch startete. Um 19:18 MESZ hatte ich den Sirius sofort im Fernglas – damit hatte ich schon gerechnet. Nun konnte die Suche mit dem bloßen Auge beginnen. Das Fenster, das ich habe, beträgt etwa 8 Minuten – dann ist Sirius genügend weit von den Zweigen weg, um eine Beobachtung zu ermöglichen. In dieser Zeit meinte ich, ihn des öfteren „erhascht“ zu haben, ebenso zwischen 19:31 und 19:34. Nun konnte ich den Lauf des Sirius verfolgen – und um 19:51 MESZ war es dann soweit: Sirius sicher und fast konstant über mehrere Sekunden hinweg gesehen. Die Sichtung war eindeutig. Die untergehende Sonne beschien noch die gegenüberliegenden Hänge. Ein Wiederfinden war bis 19:58 nicht möglich wegen dichter Hasel-Triebe im Vordergrund.
Ab 20:01 gab es dann von einer anderen Stelle aus nochmals einen guten Blick. Sirius kam gerade hinter der Tanne hervor – und war schön und konstant und sicher zu sehen. Die letzten Sonnenstrahlen beleuchteten immer noch die oberen Berghänge. Der letzte Eintrag stammte von 20:06 MESZ, da gab es noch letzte Sonnenstrahlen.
Damit kann ich bestätigen, dass der Sirius bereits vor Sonnenuntergang auch in unseren Breiten (!) bei einer Höhe von nur 23° über dem Südhorizont mit bloßem Auge zu sehen ist!
Der Sonnenuntergang erfolgte gegen 20:16 (heavens-above, meteoblue, stellarium). Demnach erfolgte die erste sichere Sichtung 25 Minuten vor Sonnenuntergang, und 15 Minuten vor Sonnenuntergang war er schon konstant zu sehen.

Damit habe ich das Ziel, Sirius am Tageshimmel mit bloßem Auge zu sehen, schon beim allerersten Versuch (!) erreicht. Was sind jetzt die weiteren Ziele: nun ja, Sirius auch bei höheren Sonnenstand zu erwischen, und das ultimative Ziel wäre eine Sichtung zu Mittagszeit unterhalb der Sonne (um den 2. Juli).
FAZIT: es geht viel mehr, als man vermuten würde. Das habe bei Tagessichtbarkeiten immer wieder festgestellt. Bloß ist viel zu wenig darüber bekannt. Daher will ich hiermit auch dazu ermutigen: Sirius mit BA am Taghimmel geht auch von Deutschland aus!

Sirius-Grüße aus Heidelberg an alle Foren-Leser!
Christoph

19:24 MESZ – Gesamtsituation

19:24 MESZ – Ausschnitt in Originalgröße mit Sirius genau in der Mitte

19:33 MESZ – Gesamtsituation

19:33 MESZ – Ausschnitt in Originalgröße mit Sirius genau in der Mitte

[Elmar Schmidt]

Hallo Christoph,

gratuliere Dir. So wird's gemacht! Es gibt keine fünf Beobachter weltweit, die das versucht, geschafft und berichtet haben. (Mir fallen nur Peter Lowenstein in Simbabwe und Günther Können auf La Palma ein.) Dabei IST es machbar. Bleib weiter dran! Ich traue es meinen Augen leider nicht mehr zu, bekomme beim Stieren zu viel Blitze und andere Sensationen, werde aber an einem guten Tag mal Leuchtdichtemessungen in der Gegend von Sirius machen.

Ich hoffe, Du schreibst Deine Tages- und Dämmerungssichtungen, auch von Venus und Jupiter fleißig auf. Dann könnten wir bei Gelegenheit mal zusammen was dazu vortragen oder schreiben. Für mich ginge es um Tests meines S/N-Helligkeitsmodells.

Beschäftige mich übrigens gerade mit unvermeidlichem Aerosol hier bei uns im Tiefland. Habe dazu gestern abend bei an sich noch recht guten Bedingungen die Venushelligkeit zwischen 24 und 9 Grad Höhe bestimmt. Ich kam durch quadratische Minimierung der Residuen auf eine aerosolkorrigierte Korrekturfunktion, in der die allfällige Rayleigh-Extinktion von 0,10 auf 0,18 erhöht werden mußte.

Das bedeutet eine zusätzliche Schwächung von +0,15 mag bei 20 Grad Objekthöhe, +0,40 bei 10 Grad und (extrapoliert) +0,67 mag bei 5 Grad. Die nach Rayleigh unterliegenden Schwächungen sind +0,21/0,51/0,85 mag; in toto macht das für Höhen 20/10/5 Grad dann +0,36/0,91/1,52 mag aus. (Bei Deiner Sichtung liefe das auf "einen Sirius" von effektiv nur noch etwa -1,15 mag hinaus.) All das ggü. Luftmasse 1 zum Zenit einer Rayleigh-Atmosphäre, von den Daten her noch vorläufig, und sicher auch von weiteren atmosphärischen Umständen abhängig (Pollen, hohe Wolken, Dunst, Smog). Was gibt Stellarium denn an?

Herzliche Grüße

Elmar

[Christoph Gerber]

Halo Elmar,

stellarium gibt mir folgende Daten für Sirius:
Helligkeit: -1.45 mag
Kulmination (23°53'): -1.13 mag (Extinktion: 0.32 mag)
Höhe 20°: -1.07 mag (Extinktion: 0.38 mag)
Höhe 10°: -0.72 mag (Extinktion: 0.73 mag)
Höhe 5°: -0.11 mag (Extinktion: 1.34 mag)
Sie liegen damit recht gut im Bereich, den du angegeben hast.

Gruß aus HD,
Christoph

PS (für die, die es noch nicht wissen): ich hatte über meine Tagessichtung von Sirius (Mittags nahe des Zenits) –damals in meiner Jugend– von Buenos Aires aus in Sterne&Weltraum 3/1998, 281 berichtet (s. auch diesen Beitrag zu Tagessichtungen).

[Michael Theusner]

Hallo Christoph,

schöner Beobachtungsbericht! Der wird mich dazu animieren, das auch mal auszuprobieren.
Jetzt gerade - bei Dunst - hat es nur zu einer Sichtung 20 Minuten nach Sonnenuntergang gereicht

Grüße aus Hamburg
Michael

[Christoph Gerber]

Hallo Elmar und alle am Thema Interessierten,

dieses Jahr ist wirklich kaum ein sonniger Frühjahrstag dabei. Hier trage ich meine Beobachtung von vor 2 Wochen nach – und zwar wieder als ausführlichen Erfahrungsbericht, da ich den Eindruck habe, dass bei Tagesbeobachtungen von Sternen noch andere Phänomene auftreten als bei Planetenbeobachtungen (v.a. Venus und Jupiter). Hier sind letzten Endes Erfahrungen gefragt, damit nicht alles von einem einzigen Beobachter abhängt. Es ist klar, das ich mit meinen Jahrzehnten Beobachtungserfahrung allen Einsteigern voraus bin – aber wenn sich jemand angesprochen fühlt, hier einzusteigen, kann ich es nur begrüßen. Wie Elmar schon angemerkt hat: es gibt nur (wohl nicht einmal!) eine Handvoll Beobachter, die dies bisher versucht haben, und das auch noch unter anderen als „normalen“ Bedingungen... Dass letzteres durchaus möglich ist, darauf möchte ich mit meinen Beiträgen ausdrücklich hinweisen. Es scheint lange nicht so „unmöglich“ zu sein, wie oft dargestellt wird. Aber dazu fehlen einfach ausreichende Beobachtungserfahrungen. Daher schildere ich auch meine Eindrücke, damit der interessierte Beobachter eine Ahnung davon bekommt, was ihn erwartet.

Nun aber zu meiner Beobachtung vom 3. Mai. Nach einem wolkigen Tag klarte es am Nachmittag auf und war heiter. Natürlich keine auch nur annähernd optimalen Bedingungen – aber in diesem Frühjahr muss man auch solche Gelegenheiten nutzen. Mir ging es in erster Linie darum, den Sirius bei höherem Sonnenstand zumindest im Fernglas aufzufinden, um ihn nicht „aus dem Auge“ zu verlieren und auch in den kommenden Wochen wiederzufinden zu können.

Erste Beobachtung um 18:06 (Sonnenhöhe 24°2, 2h 39m vor SU)
Sirius mit 12x60 am erwarteten Ort erfasst, trotz sehr dünner Cirren in dem Himmelsbereich. Daher erschien eine Sichtbarkeit mit bloßem Auge aussichtslos und ausgeschlossen. Dennoch hatte ich den Eindruck, ihn erhascht zu haben. Aber wie kann das nachgeprüft werden? Das Zeitfenster (durch die Tanne, die ich als „Sucher“ verwende) war bis 18:12 „offen“. Konnte ich das Weiterwandern des Sirius „beobachten“? Um 18:09 und um 18:11 führte ich Kontrollbeobachtungen mit dem Fernglas durch: Sirius befand sich genau an den mit BA „beobachteten“ Stellen.
Habe ich nun einen sehr gut ausgeprägten Sinn für die Bewegung des Sirius (also der Erdrotation), dass ich ihn genau dort „sehe“ wo er tatsächlich steht – oder ist die Wahrnehmung doch real?
Tatsache ist: der Sirius hat – wenn er auch nur punktförmig ist – eine viel größere Flächenhelligkeit als die Cirren (diese waren im Fernglas schon nicht mehr auszumachen!). Daher könnte er sogar tatsächlich sichtbar sein.

Zweite Beobachtung um 18:28 (Sonnenhöhe 20°6, 2h14m vor SU)
Der Versuch, Sirius freiäugig zu finden scheiterte: die Extrapolation des Standortes war vermutlich zu groß; dennoch fand ich ihn nahebei mit dem Fernglas. Um 18:30 „blitzte“ er richtig auf. Danach musste ich die Beobachtung abbrechen, da er vom Standort nicht mehr zu verfolgen war.
Das „Aufblitzen“ erinnert sehr an die Szintillation (s.o. Bericht vom 14. April) – es scheint so, dass sie auch tagsüber wahrgenommen werden kann (was bei Planetensichtungen natürlich nicht vorkommt!). Das ist eine vollkommen neue Erfahrung. Ich habe den Eindruck, hier in den „Quantenbereich“ der Tagessichtungen vorzustoßen – also in den Bereich, in dem sich tatsächliche Eindrücke nicht von scheinbaren Eindrücken unterschieden lassen. Ist das Aufblitzen nun real oder doch nur „Einbildung“? Das Aufblitzen habe ich noch nie bei Planetenbeobachtungen bemerkt (dafür jedoch wiederholte vermeintliche Sichtungen „für einen Augenblick“). Da ich dieses Phänomen nicht von Planetensichtungen kenne und es mir nun beide Male bei Sirius-Sichtungen begegnet ist, könnte das Aufblitzen vielleicht doch real sein...

Dritter Versuch um 18:47 (Sonnenhöhe, 1h 57 min vor SU)
Das dritte Beobachtungsfenster (anderer Standort: Erscheinen hinter der Tanne) sollte um 18:47 erfolgen. Da jedoch nun dichtere Cirren im Blickfeld waren, habe ich Sirius auch nicht mit dem Fernglas auffinden können und die Beobachtung um 19:00 abgebrochen.

Ich bin echt gespannt, was sich beim nächsten Mal beobachten lässt.

Christoph